Tagung in Innsbruck: Bild, Ton, Sprachtransfer – Aktuelle Tendenzen der audiovisuellen Übersetzung

Audiovisuelle Übersetzung
Bild: InTraWi

Das Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck richtet am 27. und 28. Oktober 2021 die Online-Tagung Bild, Ton, Sprachtransfer – Aktuelle Tendenzen der audiovisuellen Übersetzung aus; konzipiert und organisiert von Ass.-Prof. Marco Agnetta, Assoz. Prof. Dr. Alena Petrova und Dr. Astrid Schmidhofer.

Ziel der Konferenz ist der wissenschaftliche Austausch von Experten aus dem Bereich der audiovisuellen Übersetzung, die zwar seit dem Beginn der 1990er Jahre verstärkt Gegenstand akademischer Beschäftigung ist, sich in Abhängigkeit von unserem schnelllebigen Medienverhalten aber stetig wandelt. Konkret gilt es, neue Formen und aktuelle Tendenzen der audiovisuellen Übersetzung zu beleuchten. Dabei stehen die nachfolgend skizzierten Fragestellungen im Mittelpunkt.

Film und Fernsehen: wegen Multimodalität komplexe Kommunikationsformen

Vom semiotischen Standpunkt her gesehen, zählen Film- und Fernsehformate zu den komplexesten Kommunikationsformen, da in ihnen Elemente unterschiedlicher Zeichensysteme – gesprochene und geschriebene Sprache, Musik und Geräusche, Bewegtbild (Kameraeinstellung, Kameraführung, Farbe etc.) – in vielfältiger Weise interagieren und ein kohärentes Ganzes bilden.

Die Kopräsenz unterschiedlicher Zeichentypen in Kommunikat wie diesen wird in den unterschiedlichsten Fachkontexten erforscht und erhält dementsprechend auch unterschiedliche Namen: In den Literatur- und Kulturwissenschaften wird verstärkt von ‚Pluri-‘, ‚Multi-‘ oder ‚Intermedialität‘ gesprochen, während die Sprachwissenschaft und vor allem die englischsprachige Semiotik von Multimodalität (multimodality) spricht. In der Translationswissenschaft kursiert auch der mit der traditionellen semiotischen Begrifflichkeit kompatible Terminus der „Polysemiotizität“.

Die Modellierung eines einheitlichen Rasters zur Beschreibung der Interrelationen von Polysemiotizität und Translation mit deutlichem Bezug auf Fernsehformate kann heute noch als Desiderat gelten.

Kulturtransfer über Sprachgrenzen hinweg

Beim Transfer von Filmen und Serien werden Änderungen an diesen ganzheitlichen Formen vorgenommen, um ihnen in der Zielkultur eine leichtere und breitere Rezeption zu ermöglichen. Beim prinzipiell erhaltenden Kulturtransfer über Sprachgrenzen hinweg sollen i. d. R. lediglich die ausgangssprachlichen durch zielsprachliche Elemente ausgetauscht (Synchronisation) oder um selbige ergänzt werden (Untertitelung).

Dies geschieht allerdings nicht ohne Folgen für die anderen involvierten Zeichenressourcen, die neu disponiert, verändert, getilgt und erweitert werden. Der interkulturelle Transfer von Fernsehprodukten kann demnach als Aufbrechen einer ganzheitlichen Form und als Zusammenfügen einiger ursprünglich gegebener und hinzutretender Elemente zu einer neuen Ganzheit konzipiert werden.

Er eröffnet auf diese Weise einen Raum, in dem es zwar potenziell Verluste zu verzeichnen, aber auch Potenziale auszuschöpfen gilt. Diesem Forschungsbereich widmen sich die seit den 1990er Jahren vorangetriebenen Audiovisual Translation Studies (AVTS), in denen literatur-, kultur-, medien , sprach- und translationswissenschaftliche Schwerpunktsetzungen auszumachen sind.

Diese nehmen allerdings nur begrenzt voneinander Notiz. Angestrebt wird mit der Tagung auch der inter- und transdisziplinäre Dialog zum hier interessierenden Phänomen.

Audiovisuelle Übersetzung ist mehr als Synchronisation und Untertitelung

Die beiden meistgenannten Verfahren Synchronisation und Untertitelung sind lediglich zwei Formen der audiovisuellen Übersetzung oder ‚screen translation‘.

Gegenwärtig rücken neben diesen auch das Voice-over, das vor allem in dokumentarischen Formaten und als verbreitetste Transferstrategie in Ländern wie Polen Anwendung findet, und neue und partizipative Formen der audiovisuellen Übersetzung in den Fokus der Forschung.

Ganz konkret sind der letztgenannten Kategorie die Untertitelung für Hörgeschädigte und Gehörlose, die live-Untertitelung, die Audiodeskription für sehgeschädigte und blinde Personen sowie die Filmverdolmetschung in Zeichensprache zu subsumieren.

Trotz der Publikation einiger relevanter Studien auf diesem Gebiet in den letzten anderthalb Jahrzehnten, sind Beiträge zur inklusiven Film- und Fernsehtranslation sowie Ansätze aus dem Bereich der Barrierefreie-Kommunikationsforschung noch nicht umfassend im Diskurs der Audiovisual Translation Studies verankert.

Programmpunkte Tag 1

Eröffnungsvortrag

  • Sylvia Reinart (Mainz/Germersheim): Audiovisuelle Übersetzungen – alte und neue Herausforderungen

Sektion 1: Methodologie der Analyse polysemiotischer Kommunikate

  • Henrik Gottlieb (Kopenhagen): Audiovisual Translation – Part of a Polysemiotic Puzzle
  • Janina Wildfeuer (Groeningen): Multimodale Semantik und Filmdiskursinterpretation – Semiotische und linguistische Grundlagen für das audiovisuelle Übersetzen

Sektion 2: Selbstverständnis und Didaktik

  • Alexander Künzli (Genf): Von audiovisuellen Übersetzungen zu audiovisuellen Übersetzern – Wie Untertitel-Experten im deutschsprachigen Raum Veränderungen in ihrem Kompetenzprofil wahrnehmen
  • Alena Petrova (Innsbruck): Zu den Parallelen zwischen literarischem und audiovisuellem Übersetzen
  • Astrid Schmidhofer (Innsbruck): Zur Wichtigkeit der AVÜ im sprach- und übersetzungsdidaktischen Kontext

Programmpunkte Tag 2

Sektion 3: Barrierefreie Kommunikation – Im Fokus: Untertitelung

  • Pablo Romero Fresco (London): Alternative Media Access – From Accessibility to Inclusion and Participation
  • Maria Wünsche (Hildesheim): Herausforderung der Untertitelung für gehörlose und hörbehinderte Kinder

Sektion 4: Barrierefreie Kommunikation – Im Fokus: Audiodeskription

  • Nathalie Mälzer (Hildesheim): Kultur-, sprachenpaar- und AD-spezifische Einschränkungen bei der Übersetzung von synchronisierten Spielfilmen
  • Eva Schaeffer-Lacroix (Paris): Audio Description of Mental States in Feature Films – Identification and Translation

Sektion 5: Sprach- und literaturwissenschaftliche Aspekte der audiovisuellen Übersetzung

  • Bettina Kluge (Hildesheim): Retention of Foreign Nominal Address Terms in Translated Fiction
  • Sylvia Jaki (Hildesheim): Condragulations! Die Übersetzung von Drag-Kultur in der interlingualen Untertitelung der Serie RuPaul’s Drag Race
  • Hannah Steurer (Saarbrücken): Es war einmal … eine intermediale Übersetzungsgeschichte. La Belle et la Bête als Gegenstand der audiovisuellen Übersetzung

Weiterführender Link

InTraWi, red

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