Donaldisten starten Online-Petition gegen Zensur der Übersetzungen von Erika Fuchs

LTB Classic Edition
Mogelpackung: Durch die Eingriffe in die Originalübersetzung wird die LTB Classic Edition ihrem Anspruch, Klassiker in Neuauflage zu bringen, nicht gerecht. - Bild: Egmont Ehapa Media

Dr. Susanne Luber, „Präsidente“ der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.) hat am 18. November 2021 eine Online-Petition zur Rettung der mehrfach ausgezeichneten Übersetzungen von Dr. Erika Fuchs gestartet: „Gegen die Verfälschung der klassischen Donald-Duck-Geschichten zugunsten politisch-gesellschaftlicher Korrektheit! Für den Erhalt der Comics von Carl Barks mit den Texten von Erika Fuchs!“

Luber ist selbst auch als Übersetzerin sowie gelegentlich als Autorin tätig.

Was ist passiert?

Der Verlag Egmont Ehapa Media hat sich an der Originalübersetzung zu schaffen gemacht, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Übersetzung Erika Fuchs Zensur
Beispiele für Eingriffe in die Übersetzung von Erika Fuchs in der 2019 gestarteten Reihe „Lustiges Taschenbuch Classic Edition“. Die Änderungen wurden zudem teils unsauber ausgeführt: Oben rechts fehlen zwei Kommas und es wurde vergessen, das ursprüngliche „es“ in ein „er“ umzuwandeln. – Collage und Markierungen: UEPO

Darf der Verlag das?

Egmont Ehapa Media ist im Besitz der Urheberrechte und durchaus befugt, in der Reihe Lustiges Taschenbuch Classic Edition alte Übersetzungen zu überarbeiten oder gar Neuübersetzungen anzufertigen. All das wäre unproblematisch, wenn es entsprechend kommuniziert würde, etwa als „dem aktuellen Sprachgebrauch angepasste, kindgerecht überarbeitete Neuauflage“. Zumindest bei den ersten Bänden der Reihe geschah dies jedoch nicht.

Die Kritik richtet sich gegen das Vorgehen des Verlags, die Neuauflagen als Classic Edition zu bezeichnen und ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Übersetzungen von Erika Fuchs dafür zu werben.

Liebhaber der Originalausgaben sind dann natürlich enttäuscht, wenn sie erkennen, dass die Fuchsschen Formulierungen und Figurenbezeichnungen verändert wurden. Sie fühlen sich betrogen. Durch die lieblosen, übertriebenen Eingriffe in die Originalübersetzung wird die Reihe dem eigenen Anspruch, Klassiker in Neuauflage zu bringen, nicht gerecht.

Nachfolgend der Text der D.O.N.A.L.D.-Petition im Wortlaut. Adressaten des Gesuchs sind die Entscheidungsträger bei Egmont Ehapa Media: Publishing Director Jörg Risken und Geschäftsführer Per Gustav Kjellander.

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Hände weg von Donald Duck! Keine Zensur klassischer Comic-Geschichten!

Wer Donald Duck liebt, liebt auch Carl Barks und Erika Fuchs. Der legendäre amerikanische Duck-Zeichner Carl Barks (1901-2000) und die kongeniale deutsche Übersetzerin Dr. Erika Fuchs (1906-2005) haben vor 70 Jahren die Welt von Entenhausen geschaffen. Die Älteren unter uns kennen die klassischen Donald-Duck-Geschichten aus ihrer Kindheit in den fünfziger Jahren. Heute sind auch jüngere Erwachsene und Kinder begeisterte Leser dieser „guten alten“ Comics, die nicht nur durch Zeichenstil und Erzählstruktur, sondern auch durch Texte von hoher sprachlicher Qualität aus der gängigen Comic-Landschaft herausragen.

Weil sie sich so gut verkaufen, bringt der Egmont Ehapa Verlag (Egmont Ehapa Media) als Lizenznehmer von Disney immer neue Barks-Fuchs-Ausgaben auf den Markt: mal als Serienalben, mal als teure Edel-Edition mit Hardcover-Einband, mal als preiswerte Taschenbücher. Das ist ein sicheres Geschäft, denn längst sind die Donald-Duck-Geschichten von Barks und Fuchs Klassiker geworden. Insbesondere im deutschen Sprachraum.

Und was passiert jetzt? Der Egmont Ehapa Verlag meint, diese klassische Comic-Literatur im Sinne aktueller political correctness modernisieren zu müssen. Die Geschichten von Carl Barks und die Texte von Erika Fuchs seien zum Teil nicht mehr zeitgemäß. (Natürlich sind sie das nicht, sie sind schließlich mehr als ein halbes Jahrhundert alt!) Einzelne Leser und Leserinnen könnten sich gekränkt fühlen, wenn sie sich in Figuren wiederfinden, die negativ dargestellt oder lächerlich gemacht werden. Bestimmte Wörter dürfe man heute überhaupt nicht mehr verwenden. Deshalb müssten die Comic-Erzählungen dem gegenwärtigen „Zeitgeist“ angepasst werden (was immer das ist). Ohne Bearbeitung könne man viele Geschichten von Barks mit den Texten von Fuchs heute gar nicht mehr abdrucken.

Konkret heißt das: Seit 2021 werden die Donald-Duck-Geschichten von Carl Barks und die Übertragung von Erika Fuchs einer Radikalkur unterworfen. Das beginnt mit der Umbenennung einer Randfigur namens „Fridolin Freudenfett“ in „Fridolin Freundlich“. (Adipöse könnten sich durch den Namen des vor Fett wie vor Lebensfreude strahlenden Schweins gekränkt fühlen.) Weiter geht es mit der Ausmerzung einzelner böser Wörter wie „Indianer“, „Zwerg“, „Eingeborener“ oder „Bleichgesicht“. Auch Religiöses darf nicht stehenbleiben. „Allah“ wird eliminiert, „Gott“ darf nur noch in sinnentleerten Redewendungen vorkommen wie „O Gottogottogott!“

Beherzt schreitet der Verlag zur Textreinigung. Alles Böse muss weg, ohne Rücksicht auf den inhaltlichen Zusammenhang. So ist zum Beispiel eine Äußerung von Dagobert Duck über die attraktive Zauberin Gundel Gaukeley, die ihn gerade raffiniert über den Tisch gezogen hat, nicht zulässig: „Na ja, Frauen ‒ zu kleines Gehirn!“ Das ist frauenfeindlich, und Frauenfeindliches geht heute nicht mehr. Grundsätzlich richtig. Aber dass die Übersetzerin Erika Fuchs hier ironisch eine beschränkte männliche Sichtweise aufzeigt, was sogar Kinder verstehen, geht am Begriffsvermögen der Textreiniger offenbar vorbei. Ohne jedes Verständnis für Komik, Ironie und tiefere Bedeutung legt der Egmont Ehapa Verlag die Zensurschere an. Schnipp, schnapp! Das böse Wort ist weg. Dass dabei manchmal sogar der Kontext innerhalb einer Sprechblase auf der Strecke bleibt, interessiert nicht. Gnadenlos wird bereinigt, gesäubert, ausgemerzt. Lieber Verlag: Nix verstanden. Setzen. Fünf.

Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Es geht in dieser Petition nicht um politisch korrekte Sprache in aktuellen Texten, auch nicht um Gendersprache oder die Bemühung um nicht-diskriminierende Sprache. Die Diskussion um sexistische, rassistische und andere Stereotype in der Gegenwartssprache ist berechtigt und wichtig. Genauso wichtig ist es aber, zwischen Gegenwartssprache und literarischen Texten zu unterscheiden. Erika Fuchs’ Übertragungen der Duck-Geschichten sind literarische Texte von anerkannter Qualität. Sie dürfen nicht beliebig korrigiert, zensiert und gesäubert werden, auch nicht zugunsten aktueller politisch-gesellschaftlicher Korrektheit. Dagegen wehren wir uns. Jede „Anpassung“ eines in vergangener Zeit entstandenen Kunstwerks an einen modernen „Zeitgeist“ ist ein Unding!

Nun kann man einwenden: Donald Duck, das sind doch Comics für Kinder … nicht so wichtig, die Aufregung nicht wert. Aber die Duck-Geschichten von Barks mit den Texten von Fuchs sind es doch wert. Denn das ist weit mehr als Gebrauchsliteratur, auch weit mehr als Kinderliteratur. Der künstlerische Rang des Comic-Zeichners Carl Barks ist unbestritten. Nicht umsonst erhielt er für sein Lebenswerk den Titel einer „Disney Legend“. Gleiches gilt für Erika Fuchs. Sie wurde mit zwei Übersetzerpreisen ausgezeichnet und war sogar für den Büchnerpreis im Gespräch, den wichtigsten Literaturpreis im deutschen Sprachraum. Prominente Literaturkenner wie Denis Scheck, Elke Heidenreich, Andreas Platthaus und die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek bekennen sich zu Barks und Fuchs als Weltliteratur. Ganz zu schweigen von den vielen Lesern und Leserinnen.

Diese Weltliteratur geht nun zum Teufel, weil dem Verlag eine blütenweiße harmlose Süßseligkeit ‒ bloß nirgendwo anstoßen, immer lieb und freundlich, moralisch sauber und politisch korrekt ‒ wichtiger ist als seine Verantwortung für den Umgang mit einem literarischen Werk.

Dass Literatur nicht dazu da ist, das Gute, Schöne, Wahre abzubilden, ist eine Binsenweisheit. Selbst im muffigen, moralinsauren Klima der fünfziger Jahre hat Carl Barks seinen jugendlichen Lesern keine heile Welt vorgespiegelt. Seine Comic-Erzählungen sind voller Konflikte und sozialer Spannungen, voller Lug und Trug und Gemeinheit, aber auch voller Zusammenhalt, Vertrauen, Liebe, Großmut und ethischem Handeln. In den Duck-Geschichten wird das menschliche Leben gezeigt, wie es ist, und nicht, wie es sein sollte. Die Ducks und verwandte Figuren tragen alle menschlichen Eigenschaften in sich, gute und schlechte. Deshalb lieben nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene diese Comic-Erzählungen. Wenn man alles Böse rausstreicht, bleibt nichts übrig als ein dürres, uninteressantes Handlungsgerippe.

Dagegen stehen wir auf, die Unterstützer dieser Online-Petition. Gegen die Verfälschung der klassischen Donald-Duck-Geschichten zugunsten politisch-gesellschaftlicher Korrektheit! Für den Erhalt der Comics von Carl Barks mit den Texten von Erika Fuchs!

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„Systematisch-vorauseilendes Eingreifen im Geiste einer Political Correctness“

Die von Freunden der Fuchsschen Übersetzungen als Skandal empfundenen Eingriffe waren im April 2021 aufgeflogen. Professor Achim Hölter, der an der Universität Wien vergleichende Literaturwissenschaft lehrt, hatte in einem Artikel für die Frankfurter Allgemeine darauf hingewiesen, dass in der Neuauflage der klassischen Geschichten mehr oder weniger systematisch Ausdrücke wie „Indianer“ oder „Bleichgesicht“ und auch Figurenbezeichnungen getilgt werden, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen.

In einem Beitrag für den Wiener Standard wiederholte Hölter zwei Monate später noch einmal die Vorwürfe:

Was Egmont tut, freiwillig oder vermeintlich gezwungenermaßen, ist ein systematisch-vorauseilendes Eingreifen im Geiste einer Political Correctness, deren Interventionspotenzial man für Comics der 1950er-Jahre, welche den selbstironischen Entenhausener Kapitalismus durch Abenteuerreisen an alle Enden des kolonialen Globus exportieren, gar nicht zu Ende denken mag, wenn der Damm einmal gebrochen ist.

In Band 12 der Barks-Edition, April 2021, ist er definitiv gebrochen. Gezählte 109 Panels wurden geändert, offensichtlich, weil einige der Storys Probleme mit ethnischen Zuschreibungen bereiteten und weil man, einmal im Editiermodus, auch vor stilistischen und sachlichen Eingriffen nicht mehr bremsen wollte.

Offener Brief von Literaturnobelpreisträgerin unterzeichnet

Einflussreiche Donaldisten und die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hatten daraufhin in einem offenen Brief scharf gegen diesen „nicht tolerierbaren Eingriff in einen literarischen Text“ protestiert. Zu den Unterzeichnern gehören auch Andreas Platthaus von der FAZ und der Fernseh-Literaturkritiker Denis Scheck.

Classic Edition, Vorwort 2019
Zu Beginn der Reihe im Jahr 2019 wurde (wie hier in Band 3) noch stolz darauf verwiesen, dass die Ausgaben „in der Originalübersetzung von Dr. Erika Fuchs“ erscheinen.
LTB Classic Edition, Vorwort Band 14
Später hieß es (wie hier im 2021 erschienenen Band 14) nur noch, dass die Geschichten „weitestgehend“ in der Originalübersetzung herausgegeben werden. – Bild: UEPO
LTB Classic Edition, Impressum
Im Impressum weist Egmont Ehapa Media jetzt darauf hin, dass es sich bei den abgedruckten Geschichten „zumeist“ um originalgetreue Nachdrucke in einer „weitestgehend ursprünglichen Übersetzung“ handelt. An welchen Stellen wie und warum herumgepfuscht wurde, bleibt jedoch im Dunkeln (Band 14, 2021). – Bild: UEPO

Weiterführende Links

Richard Schneider