
Wo liegt die beste Dolmetscherschule der Welt? Im Südwesten Deutschlands, inmitten der Kleinstadt Germersheim.
Das stand für André François-Poncet fest, nachdem er im Juli 1950 als Hoher Kommissar Frankreichs in Deutschland das damalige Auslands- und Dolmetscherinstitut (ADI) besucht hatte.
François-Poncet hat in Paris, München, Heidelberg und Berlin Germanistik studiert und war von 1931 bis 1938 Botschafter Frankreichs in Berlin. Er galt als großer Deutschland-Kenner und -Versteher, was ihm manche in seiner Heimat aber auch zum Vorwurf gemacht haben.

Die Badischen Neuesten Nachrichten berichteten am 20. Juli 1950 über den Besuch:
Beste Dolmetscherschule der Welt
Germersheim (BD): Das Auslands- und Dolmetscherinstitut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim hatte großen Staatsbesuch. Der französische Hohe Kommissar François-Poncet überzeugte sich von dem hohen Stand der Ausbildung dieser einmaligen Schule in Deutschland.
Aus dem oft zwei Meter dicken Gemäuer, das im neunzehnten Jahrhundert ein wichtiges Glied im Festungsgürtel der Festung Germersheim war, ist 1946 ein freundliches, einladendes Auslands- und Dolmetscherinstitut im englischen College-Stil geworden. In dem laufenden Lehrgang befinden sich auch zwölf Ausländer, darunter Franzosen, Engländer und Amerikaner.
Der französische Hohe Kommissar sagte nach seinem Besuch: „Ich habe schon viele ähnliche Institute besucht, aber Germersheim kann man als das beste Auslands- und Dolmetscherinstitut der Welt bezeichnen.“

Schon einige Tage zuvor (15.07.1950) hatte die Zeitung ihre Leser auf die Reise des Hohen Kommissars hingewiesen:
Der Hohe Französische Kommissar in Deutschland, Boschafter André François-Poncet, stattete am Dienstag in Begleitung zahlreicher Referenten seiner Dienststelle und Vertreter der Regierung von Rheinland-Pfalz den vorderpfälzischen Städten Germersheim und Speyer einen Besuch ab.
In Germersheim nahm François-Poncet Gelegenheit unter der Führung von Professor Dr. Schramm das Auslands- und Dolmetscherinstitut der Johann[sic]-Gutenberg-Universität Mainz zu besichtigen und sich vom fachlichen Niveau dieser in Deutschland einzigartigen Ausbildungsstätte zu überzeugen.
An die jungen deutschen Diplomatenanwärter gerichtet, umriß Botschafter François-Poncet in kurzen und oft launigen Worten die hohe Aufgabe der Diplomatie, die ein schönes und edles Handwerk sei, aber der auch eine große staatspolitische Verantwortung zukomme. Heute mehr denn je. Denn gerade in unseren so bewegten Tagen, da die Staatsmänner der Westalliierten um die Erhaltung des Friedens der Welt kämpften, müßten sich die Diplomaten im klaren sein, immer und überall als die Vermittler einer völkerverbindenden Idee aufzutreten. […]

Von den Franzosen gegründet
Der heutige FTSK Germersheim wurde 1947 durch eine Verfügung des Oberkommandos der französischen Besatzungszone als Staatliche Dolmetscherhochschule (SDH) gegründet.
Zwei Jahre später (1949) wurde die Lehranstalt als weitgehend selbstständiges Auslands- und Dolmetscherinstitut (ADI) in die 100 Kilometer nördlich gelegene Universität Mainz eingegliedert.
Seit 1972 ist die Ausbildungsstätte einer der Fachbereiche der Universität Mainz; zunächst als Fachbereich Angewandte Sprachwissenschaft (F.A.S.), seit 1992 als Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft (FASK) und ab 2009 als Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK).

Richard Schneider
Die historischen Aufnahmen haben wir dem Band „20 Jahre A.D.I. Germersheim“ entnommen, der von der Ehemaligenvereinigung „Bund der Germersheimer e. V.“ im Jahr 1967 herausgegeben wurde.