Der Coburger Rückert-Preis ist am 16. Mai 2022, dem Geburtstag des Namensgebers, an den armenischen Schriftsteller Grigor „Grig“ Shashikyan für dessen Roman Jesus‘ Katze überreicht worden. Erstmals wurden mit Anahit Avagyan und Wiebke Zollmann auch die Übersetzerinnen ausgezeichnet.
Eine Übersetzung ins Deutsche ist Voraussetzung für die Preisvergabe. Eine Erweiterung auf die Übersetzerinnen leistet damit einen weiteren Beitrag zur gegenseitigen Verständigung – ganz im Sinn des Namensgebers Friedrich Rückert.
Der Coburger Rückert-Preis, der dieses Jahr zum sechsten Mal verliehen wurde, ist mit 7.500 Euro dotiert. Er wurde im Riesensaal von Schloss Ehrenburg übergeben.
„Eigenständige Geschichten in traumlogischer oder phantastischer Erzählweise“
Das Buch Jesus‘ Katze ist zwei geteilt. Einmal schildert es Erlebnisse und Begegnungen auf den Straßen Jerewans. Zum anderen begleitet es Kinder aus Krisen- und Kriegsgebieten, die zur Behandlung in einem deutschen Krankenhaus sind.
Die Jury schreibt:
In seinem Erzählungsband zeigt Grig eindrücklich, wie gut er das Genre der Kurzgeschichte beherrscht: Mit eigenständigen Geschichten in traumlogischer oder phantastischer Erzählweise sowie unangestrengtem Erzählton zeichnet er ein größeres Panorama von Jerewan, seinen besonderen Menschen und der Stadt selbst. Er erzählt vom Erzählen über Generationen und Klassen hinweg, lässt alltägliche, beglückende sowie bedrängende und beängstigende Situationen mit besonderem Talent nah und glaubhaft werden.
Frauen im Buch absichtlich unterrepräsentiert
Der Roman vermittle einen lebendigen Eindruck vom Leben in Armenien, so der 2. Bürgermeister Hans-Herbert Hartan.
In diesem Armenien sei Sexismus ein Problem, fügt Preisträger Sashikyan an. Er habe lange darüber nachgedacht, wie er dieses Thema verarbeite. Seine Lösung: Frauen sind in dem Buch nur eine Randerscheinung, so marginalisiert, dass deren Fehlen auffällt.
Rückert: „Weltpoesie allein ist Weltversöhnung“
Nur wer sich versteht, kann in Frieden miteinander leben. Der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert hat das mit den Worten „Weltpoesie allein ist Weltversöhnung“ zusammengefasst. Dieser Gedanke wurde auch bei der Feierstunde zur Verleihung des Coburger Rückert-Preises immer wieder aufgegriffen.
Preisträger Grigor Shashikyan erinnerte an den immer wieder ausbrechenden Konflikt zwischen seiner Heimat und dem Nachbarland Aserbaijan. Auch wegen dieser Erfahrungen schloss er seine Dankesrede mit dem Wunsch nach Frieden.
Friedrich Rückert: polyglotter Sprachgelehrter und Übersetzer
Die Auszeichnung will diejenigen Sprachen und Kulturen ins Blickfeld rücken, mit denen sich der lange in Coburg lebende Friedrich Rückert (1788-1866) einst beschäftigt hat. Die Auswahl ist groß, da sich der Sprachgelehrte im Lauf seines Lebens mit nicht weniger als 44 Sprachen befasst haben soll.
Da er sich besonders leidenschaftlich den orientalischen Sprachen widmete, gilt er auch als Mitbegründer der deutschen Orientalistik.
Armenische Kulturtage begleiten Preisvergabe
Mit den erstmals rund um die Preisvergabe ausgerichteten armenischen Kulturtagen soll das Heimatland des Preisträgers ins Blickfeld gerückt werden. Eine Übersicht über die vielfältigen Begleitveranstaltungen vermittelt das Programmheft.
Sponsoren
Neben der Stadt Coburg beteiligen sich auch die Sparkasse Coburg-Lichtenfels und die Niederfüllbacher Stiftung an der Finanzierung des Coburger Rückert-Preises.
Richard Schneider
(mit Material der Stadt Coburg)