Nicht nur mit dem Aramäischen als semitischer Sprache, sondern auch mit Literatur, Kunst, Geschichte, Soziologie und Migration der Aramäer unter besonderer Berücksichtigung der jüngeren Diasporaerfahrung befasst sich eine neue Einrichtung an der Universität Heidelberg – die Forschungsstelle für Aramäische Studien.
Sie hat bereits zum vergangenen Wintersemester ihre Arbeit am Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients in der Abteilung Semitistik aufgenommen und wurde nun mit einer Festveranstaltung am 29. Juli 2022 offiziell eröffnet.
Zu den Gästen der Eröffnungsveranstaltung gehören der Erzbischof der Syrisch-Orthodoxen Erzdiözese in Deutschland, Mor Philoxenus Mattias Nayis, und die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.
Bekanntester Aramäisch-Sprecher ist Jesus
Das Aramäische mit seinen verschiedenen Sprachstufen und Dialekten ist die mit ungefähr 3.000 Jahren am längsten bezeugte semitische Sprache, so der Leiter der neuen Forschungsstelle, Prof. Dr. Michael Waltisberg. „Vor rund 2.000 Jahren in vorislamischer Zeit war es die Verständigungssprache des Nahen Ostens. Ihr berühmtester Sprecher war zweifellos Jesus Christus“, erläutert der Wissenschaftler, der am Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Universität Heidelberg die semitische Sprachwissenschaft vertritt.
Sprache heute vom Aussterben bedroht
Das Ursprungsgebiet der heutigen Aramäer verteilt sich über mehrere Länder im Nahen Osten – den Südosten der heutigen Türkei sowie Syrien, Irak, Iran und den Libanon. Nach den Worten von Prof. Waltisberg ist das Aramäische durch Kriege und Verfolgung, ebenso wie durch Vertreibung und Exil als Alltagssprache vom Aussterben bedroht.
Die Forschungsstelle für Aramäische Studien widmet sich der Aufarbeitung und Bewahrung von Geschichte, Sprache und Kultur der Aramäer, die heute vielfach verstreut in der Diaspora leben, so auch in Deutschland.
„Mit unserer Arbeit wollen wir die Aramäischen Studien verstärkt als Forschungsgebiet etablieren. Zugleich ist es unser Anliegen, zu einem besseren Verständnis der religiösen Vielfalt im Nahen Osten in Wissenschaft und Gesellschaft beizutragen und die Integration der Aramäer in Deutschland zu stärken“, so Prof. Waltisberg.
Neben Projekten in der Forschung organisiert die Forschungsstelle Lehrveranstaltungen und koordiniert die Zusammenarbeit mit Forschern im In- und Ausland. Die neue Einrichtung mit einem dreiköpfigen wissenschaftlichen Beirat und zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern wird von NISIBIN – Stiftung für Aramäische Studien mit Sitz in Heidelberg getragen.
In Anwesenheit des Erzbischofs und der Wissenschaftsministerin eröffnete der Vorstandsvorsitzende der NISIBIN, Josef Kaya, die Festveranstaltung. Es folgten Grußworte von Prof. Waltisberg und Prof. Dr. Werner Arnold, Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und Vorgänger von Michael Waltisberg als Professor für Semitistik an der Universität Heidelberg. Für die Ruperto Carola sprach die Prorektorin für Studium und Lehre, Prof. Dr. Anja-Désirée Senz.
Die Festrede zum Thema „Wissenschaft im dritten Raum – Orte diasporistischen Wissens“ hielt Prof. Dr. Mihran Dabag, Gründungsdirektor des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum. Prof. Dabag gehört dem wissenschaftlichen Beirat der Forschungsstelle für Aramäische Studien an.
Marietta Fuhrmann-Koch