BDÜ-Forderungspapier zur Sprachmittlung im Gesundheitswesen: Honorare nach JVEG

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Der BDÜ hat im Mai 2023 ein Forderungspapier zur Aufnahme der qualifizierten Sprachmittlung ins 5. Sozialgesetzbuch (SGB V) veröffentlicht. Darin werden unter Federführung der politischen Geschäftsführererin Elvira Iannone zahlreiche praktische Fragen zur Umsetzung des Gesetzesvorhabens behandelt.

Der Verband freut sich, dass eine gesetzliche Regelung nun allmählich in Aussicht steht und damit ein Ende 2021 festgelegter Punkt aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP umgesetzt wird. Damals hieß es zur gesetzlichen Regelung der Kostenübernahme des Dolmetschens im Gesundheitswesen:

Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V.

Elvira Iannone
Elvira Iannone vor der Ausschusssitzung des Deutschen Bundestags. – Bild: BDÜ

Der BDÜ begrüßt dieses Vorhaben ausdrücklich, setzt er sich gemeinsam mit weiteren Akteuren im Gesundheitswesen doch bereits seit insgesamt mehr als 10 Jahren für eine bundesweit einheitlich geregelte Finanzierung und Qualitätssicherung in diesem Bereich ein.

Um das Koalitionsvorhaben in einem umfassenden und durchdachten bundesweiten Gesetz umsetzen zu können, das zu einer gleichberechtigten und qualitätsvollen Gesundheitsversorgung aller Patienten unabhängig von ihren Deutschkenntnissen beiträgt, müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen definiert werden.

Der BDÜ stellt nun ein umfassendes Modell zur Ausgestaltung eines solchen Gesetzes anhand eines konkreten Forderungspapiers und der Beantwortung Häufig gestellter Fragen vor. Als Berufs- und Fachverband mit jahrelanger Expertise – nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in bereits gesetzlich geregelten Bereichen wie dem Gebärdensprachdolmetschen und in der Justiz – erläutert er die notwendigen zu berücksichtigenden Grundlagen und beantwortet zahlreiche praktische Fragen, die sich dabei stellen. Damit verbindet der Verband auch die Hoffnung auf ein zügiges und effizientes Gesetzgebungsverfahren.

Das Forderungspapier des BDÜ im Wortlaut (ohne Fußnoten):

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FORDERUNGSPAPIER

Zum Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung: Integration Nicht-Deutschsprachiger in das deutsche Gesundheitssystem durch qualifizierte Sprachmittlung

Gesetzesinitiative

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vom 07.12.2021 vereinbart, dass „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V wird“. Sie setzt damit die langjährigen Forderungen um, u. a. von Ärzteschaft und Psychotherapeuten sowie von Politikern unterschiedlicher Parteien.

Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ)

Der BDÜ ist mit mehr als 7.500 Mitgliedern der größte deutsche Berufsverband der Branche. Er repräsentiert ca. 80 % aller organisierten Dolmetscher und Übersetzer in Deutschland. Als Berufsverband von Kommunikationsexperten verfügt der BDÜ über Expertise und Erfahrung zum Dolmetschen und Übersetzen auch im Gesundheitswesen. Der BDÜ begrüßt diese Gesetzesinitiative. In Kenntnis der einschlägigen Forschung, auch aus Ländern, in denen qualifiziertes Dolmetschen im Gesundheitswesen schon lange implementiert ist, sowie aufgrund der im Berufsverband vorliegenden Erfahrungen und Expertise müssen aus Sicht des BDÜ folgende Inhalte im Gesetzentwurf formuliert sein:

Berücksichtigung der Interessen von Patienten (Patientenrechtegesetz) und der Angehörigen der Heilberufe, auch bezüglich der Haftung

Auch wenn die berechtigte Forderung ist, dass nach Deutschland Zugewanderte Deutschkenntnisse erwerben, sollen ausnahmslos alle Patienten bzw. deren Angehörige (etwa bei Minderjährigen, Patienten auf Intensivstationen usw.), die (noch) nicht ausreichend Deutsch sprechen, Zugang zu qualifizierter Dolmetschleistung erhalten. Dies gilt grundsätzlich für alle ambulanten wie stationären Leistungen des Gesundheitswesens, denn alle Angehörigen der Gesundheitsberufe tragen für die von ihnen geführten Gespräche und eingeleiteten Handlungen Verantwortung gegenüber ihren Patienten und können haftbar gemacht werden. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entscheiden medizinische Fachkräfte, welche Behandlung medizinisch notwendig ist. Wenn eine Behandlung notwendig ist und der Patient/Angehörige (noch) nicht ausreichend Deutsch spricht, ist damit automatisch die qualifizierte Sprachmittlung eingeschlossen. Nur so können das Patientenrecht auf Verständigung und die DIN EN 15224 zu Qualitätsmanagementsystemen für die Gesundheitsversorgung erfüllt werden.

Qualifikationsanforderungen analog zu denen im Gerichtsdolmetschergesetz (§ 3 GDolmG)

Da das derzeit verbreitete nicht-professionelle Dolmetschen die Gefahr der Kulturalisierung birgt und eine Parteinahme für den Patienten bis hin zur Bevormundung fördert, kann in einem qualitätsorientierten Gesundheitswesen, in dem Normen zur Qualitätssicherung von Medizinprodukten, -geräten und Prozessen, staatlich anerkannte Prüfungen für alle Gesundheitsberufe, Leitlinien von Fachgesellschaften sowie rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz der Patienten und deren Selbstbestimmtheit gelten, „Sprachmittlung“ nur „qualifizierte Sprachmittlung“ bedeuten. Nur so ist die praktische Einhaltung des Berufsethos und ein klares Rollenverständnis der Dolmetscher gesichert.

Konkrete Anforderungen an qualifiziertes Dolmetschen sind für das Dolmetschen bei Gericht festgelegt worden. Diese sind analog auf das Dolmetschen im Gesundheitssystem zu übertragen: Neben Grundkenntnissen aus der Medizin und dem Gesundheitswesen sind alle für das Dolmetschen erforderlichen Kompetenzen nachzuweisen, in Form eines translationswissenschaftlichen Studienabschlusses mit Dolmetschprüfungen oder einer Staatliche Prüfung für Dolmetschen. Dies ist für Gebärdensprachdolmetscher (GSD) bereits Voraussetzung, auch im Gesundheitswesen. Analog zu den Gesundheitsberufen ist eine Fortbildungspflicht festzulegen, wobei eine Durchführung der fachlichen Fortbildungen über die Ärztekammer vorstellbar ist.

Zulassungsverfahren durch die GKV und weitere regulatorisch-organisatorische Vorgaben analog zu anderen, nicht verkammerten Berufsgruppen

Die Zulassung der Dolmetscher muss analog zu anderen Berufsgruppen über den GKVLandesverband, in dem die Dolmetscher ihren Sitz haben, erfolgen und über die Bundeslandgrenze hinaus auch von anderen anerkannt werden. Entsprechend soll die Beantragung des Institutionskennzeichens der Dolmetscher als Leistungserbringer wie bei GSD erfolgen (§ 293 SGB V). Der GKV-Spitzenverband soll eine öffentlich zugängliche Datenbank aufbauen und pflegen, entsprechend z. B. der Hebammenliste oder der Liste Justiz-Dolmetscher. Nach Rücksprache mit den bzw. auf Wunsch der Patienten bzw. bei ärztlichen Zweifeln fordern die Angehörigen der Gesundheitsberufe Dolmetscher an. Die Dolmetscher sollen ihre Leistung dann direkt mit der Krankenkasse abrechnen, wie es bei GSD bereits lang erprobte Praxis ist.

Einhaltung der technischen Normen beim Ferndolmetschen

Dolmetschen ist – wie medizinische Versorgung und Pflege – hochgradig situations- und kontextgebunden und setzt damit multisensorische Wahrnehmung voraus. Da es in der Patientenversorgung immer auch um Gefühle (Angst, Hoffnung/-slosigkeit, Wut, Erleichterung) geht, scheidet die Zuhilfenahme von maschinellen Übersetzungsprogrammen als digitales Hilfsmittel aus. Darüber hinaus stellen sich Fragen der Technikakzeptanz in Berufen, die sich auch über die Beziehungsarbeit zu den Patienten definieren, und daraus entstehende ethische Implikationen. Als digitales Hilfsmittel kann über eine Online-Video- oder Telefon-Verbindung gedolmetscht werden, wenn datenschutzrechtliche und technische Voraussetzungen erfüllt und eine Fülle an Aspekten berücksichtigt werden, bei denen die Gesprächsumgebung, die im Raum befindliche Personenanzahl und nicht zuletzt die Art des Gesprächs eine Rolle spielen. Anhand verschiedener Parameter lässt sich beurteilen, ob das sogenannte Ferndolmetschen ausnahmsweise eingesetzt werden kann. Keinesfalls kann Ferndolmetschen das Dolmetschen vor Ort vollständig ersetzen.

Wenn Ferndolmetschen zum Einsatz kommen soll, ist zwingend auf die Einhaltung der einschlägigen technischen Normen zu achten, um die Hörgesundheit der Dolmetscher nicht zu gefährden.

Schutz der Bezeichnung „Fachdolmetscher/-in Gesundheitswesen für [Sprache]“ analog zum Gerichtsdolmetschergesetz (§ 6 GDolmG)

Damit qualifizierte und von der GKV zugelassene Dolmetscher schnell und eindeutig für Gesundheitsfachkräfte und Patienten als solche erkennbar sind, ist im Gesetz die Bezeichnung „Fachdolmetscher/-in Gesundheitswesen für [Sprache, für die die Person vom GKV-Landesverband zugelassen wurde]“ rechtlich zu schützen. Der Missbrauch dieser Bezeichnung muss sanktioniert werden können, wie das bei den entsprechenden Bezeichnungen in der Justiz der Fall ist (§ 6 GDolmG).

Honorare gemäß Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (§ 8 JVEG)

Analog zum Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) ist auf das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu verweisen, nach dem auch jetzt schon Gebärdensprachdolmetscher im Gesundheitswesen bezahlt werden. Dies sorgt nicht nur für ein angemessenes Einkommen, sodass ausreichend qualifizierte Dolmetscher langfristig zur Verfügung stehen, sondern bietet auch einen Anreiz zur Qualifizierung. Damit eröffnen sich echte Chancen auf einen Beruf und damit ein Ankommen auch für diejenigen Zugewanderten, die als Dolmetscher tätig sind.

Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ)
Berlin, Mai 2023

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