Die Stadt Erlangen vergibt 2023 zum zehnten Mal den „Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung“. Die mit 10.000 Euro dotierte Ehrung wird in diesem Jahr an den Autor und Übersetzer Christian Filips verliehen. Ein mit 5.000 Euro dotierter Sonderpreis der Jury geht an Franz Josef Czernin.
Die Übergabe der Auszeichnungen erfolgt im Rahmen des alle zwei Jahre stattfindenden Erlanger Poetenfests am 24. August 2023. Die Laudationes halten Susanne Lange (für Christian Filips) und Paul-Henri Campbell (für Franz Josef Czernin).
Nach-Dichter mit Respekt vor dem Original
Nach dem Besuch einer Europäischen Schule in Belgien studierte Christian Filips (geboren 1981 in Osthofen) von 2000 bis 2008 Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft in Wien und Berlin. Von 2003 bis 2010 arbeitete er zudem als Musikdramaturg, seit 2010 verstärkt als Theaterregisseur, unter anderem im Haus der Berliner Festspiele, am Maxim-Gorki-Theater sowie an der Berliner Volksbühne.
Gemeinsam mit Urs Engeler gibt Christian Filips die „roughbooks“ heraus, eine Reihe für zeitgenössische Poesie. 2017 gründete er das mehrsprachige Literatur- und Übersetzungskollektiv WIESE / مرج (Wie es ist).
Aus der Begründung der Jury:
Christian Filips Übersetzungen verbinden größtmögliche Freiheit und Respekt vor dem Original. Der Nach-Dichter, Musikdramaturg und Regisseur verfügt über eine Vielzahl sprachlicher Register (Dialekte, Soziolekte, Fachsprachen und historische Sprachstufen), zu denen sich in seinen Inszenierungen und Theaterarbeiten häufig auch die Schwesterkunst Musik gesellt.
Filips übersetzt unter anderem aus dem Englischen (Louis Dudek, Laura Riding), Französischen (Christian Prigent), Isländischen (Halldór Laxness Halldórsson), Italienischen (Pier Paolo Pasolini), Niederländischen (Paul Bogaert, Els Moors) und Ungarischen (Attila József, Ágnes Nemes Nagy), oft in Tandems.
Besondere Würdigung verdient sein Engagement als Herausgeber von Poesie und Übersetzung.
Übersetzung Sonderfall einer metaphorischen Übertragung als Ursprung aller Poesie
Franz Josef Czernin wurde 1952 in Wien geboren. Von 1971 bis 1973 studierte er an der Indiana University (Bloomington, USA). Seit 1980 lebt er hauptsächlich in Rettenegg (Steiermark) und hat seit 1978 zahlreiche Gedichte, Prosa, Theaterstücke, Essays und Aphorismen veröffentlicht. Sein weitgespanntes poetisches, übersetzerisches und theoretisches Werk verbindet Einflüsse aus Tradition und Moderne.
Systematisch erkundet Franz Josef Czernin die verschiedenen möglichen Beziehungen von Sprache, Subjekt und Welt. Dichtung ist für Franz Josef Czernin stets auch potenzierte poetische Erkenntnis.
Aus der Begründung der Jury:
Anlässlich der zehnten Vergabe des Erlanger Literaturpreises für Poesie als Übersetzung erhält Franz Josef Czernin einen Sonderpreis der Jury für sein poetisch-übersetzerisches Gesamtwerk.
Neben Übersetzungen im engeren Sinn (Shakespeare: Sonnets. Übersetzungen, 1999) umfasst es auch zahlreiche „Verwandlungen“, wie zum Beispiel seine „übertragungen aus fernem deutsch“ (in staub.gefässe, 2008), seine Anverwandlungen von Dantes Commedia (in zungenenglisch. visionen, varianten, 2014), seine Metamorphosen von Grimms Märchen (Der goldene Schlüssel und andere Verwandlungen, 2018) oder seine Überschreibung von Wilhelm Müllers Winterreise (reisen auch winterlich, 2019).
Die Übersetzung wird zum Sonderfall einer metaphorischen Übertragung als Ursprung aller Poesie.
Jury aus Übersetzern
Die Jury des Erlanger Literaturpreises für Poesie als Übersetzung besteht selbst aus Übersetzern. Dieses Konzept verbürge die sprachschöpferische Qualität der ausgezeichneten Arbeiten, so die Organisatoren.
Der Jury gehörten in diesem Jahr an: Orsolya Kalász (Berlin), Dagmara Kraus (Berlin), Adrian La Salvia (Erlangen, Jury-Sprecher), Benedikt Ledebur (Wien), Ilma Rakusa (Zürich), Monika Rinck (Berlin) und Uljana Wolf (Berlin).
Bisherige Preisträger
Die bisherigen Preisträger des Erlanger Literaturpreises für Poesie als Übersetzung: Felix Philipp Ingold (2005), Georges-Arthur Goldschmidt (2007), Barbara Köhler und Ulf Stolterfoht (2009), Elke Erb (2011), Yoko Tawada (2013), Uljana Wolf (2015), Dagmara Kraus (2017), Theresia Prammer (2019) sowie Orsolya Kalász und Monika Rinck (2021).
Erlanger Poetenfest fördert Poesie als Übersetzung
Das 43. Erlanger Poetenfest findet vom 24. bis 27. August 2023 statt. Es hat sich die Förderung von Poesie als Übersetzung zur Aufgabe gemacht, zum Beispiel auch durch die in diesem Jahr zum 19. Mal stattfindende „Erlanger Übersetzer:innenwerkstatt“.
Mit Werkstatt und Preis will die Stadt Erlangen die Wahrnehmung dafür schärfen, wie sehr gerade Übersetzungen und Einflüsse aus anderen Sprachen und Kulturen die deutschsprachige Gegenwartsliteratur bereichern.
Kulturamt Erlangen