Bilanz Frankfurter Buchmesse 2023: Es geht weiter aufwärts

Frankfurter Buchmesse 2023
Das Wetter in Frankfurt war dieses Jahr herbstlich: teils sonnig, oft bedeckt und ab und zu etwas Regen. - Bild: Richard Schneider

Kurz nach Toresschluss der 75. Frankfurter Nachkriegs-Buchmesse ziehen die Organisatoren eine positive Bilanz.

Besucher: plus 19,44 Prozent

Mit einem Zuwachs der Gesamtbesucherzahl um fast 20 Prozent gelang der Frankfurter Buchmesse nach den beiden Corona-Jahren erneut ein deutlicher Wachstumsschub auf dem Weg zu alter Größe.

An den fünf Messetagen kamen insgesamt 215.000 (Vorjahr: 180.000) Besucher, die sich aufteilen in 105.000 Fachbesucher (Vorjahr: 93.000) aus 130 Ländern und 110.000 Privatbesucher (Vorjahr: 87.000). An den beiden Publikumstagen Samstag und Sonntag lag die Zahl der Besucher sogar um mehr als ein Drittel über der des Jahres 2022.

Damit hat die Messe einen großen Sprung gemacht. Sie liegt aber hinsichtlich der Besucherzahlen (215.000) immer noch weit unter dem Rekordjahr 2019, als 302.267 Bücherfreunde den Weg in die Hallen fanden.

Im Pandemie-Jahr 2020 fand die Messe nur online statt. 2021 erfolgte dann der bescheidene Neustart mit etwa einem Drittel der üblichen Größe.

Frankfurter Buchmesse 2023, Halle 5
Die nach Abriss vollständig neu gebaute Halle 5 glänzt golden im Abendlicht. – Bild: Richard Schneider

Ausstellerzahl konstant bei 4.000

Wie im Vorjahr präsentierten sich in den Hallen mehr als 4.000 Aussteller aus 95 Ländern. Das ist nicht schlecht, aber noch weit vom Rekordjahr 2010 entfernt, in dem 7.539 Anbieter einen Stand aufgebaut hatten.

Deutlich wurde das für viele langjährige Besucher auch daran, dass lediglich die Hallen rund um die Agora belegt waren, während in früheren Boomzeiten auch mehrere Hallen hinter dem Torhaus gut gefüllt waren. Nach Angaben des Börsenvereins wurden heuer 70 Prozent der Fläche des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 vermarktet. Da ist also noch Luft nach oben.

Manche Kleinverlage haben die im Rückblick überzogenen Maßnahmen zum Abwürgen der Wirtschaft in der Pandemie nicht überlebt. Die sich anschließende Wirtschaftskrise mit einer Inflation von zeitweise fast 10 Prozent und einer Verdreifachung der Papierpreise bei anhaltenden Lieferschwierigkeiten gab vielen weiteren Branchenakteuren den Rest.

Da die wirtschaftlichen Aussichten weiterhin trüb bleiben, ist fraglich, ob die Frankfurter Buchmesse jemals wieder eine Ausstellerzahl von mehr als 7.000 wird erreichen können. Sie bleibt aber auch auf dem gegenwärtigen Stand die größte der Welt.

Frankfurter Buchmesse, Rechtehandel
LitAg und PRC – Das Literary Agents & Scouts Centre und die Publishers Rights Corner sind das eigentliche Herz der Messe, das für die Öffentlichkeit völlig unsichtbar bleibt. Selbst Fachbesucher kommen in diese Bereiche nicht hinein. – Bild: Ingo Hattendorf / FBM

Rechtehandel boomt

Einen regelrechten Boom konnte 2023 der Rechtehandel verzeichnen. Das früh ausgebuchte Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) meldete mit 548 Tischen eine Rekordbelegung. Mit Rechtehändlern von insgesamt 324 Agenturen und mit über 35.000 Eintritten war das LitAg so stark frequentiert wie nie zuvor.

Frankfurter Buchmesse, Rechtehandel
Im LitAg und der PRC werden an von den Agenten gebuchten Tischen auch Übersetzungslizenzen gehandelt. – Bild: Ingo Hattendorf / FBM
Frankfurter Buchmesse, Rechtehandel
Bei der Frankfurter Buchmesse stehen die Geschäfte im Mittelpunkt, während Leipzig eher eine Publikumsmesse ist. – Bild: Ingo Hattendorf / FBM

Mehr als 7.000 Journalisten, Blogger und Influencer

Ein Zuwachs von 9,38 Prozent ist bei der Zahl der Medienvertreter zu vermelden. Mehr als 7.000 (Vorjahr: 6.400, Höchstzahl 2016 und 2019: 10.000) berichteten über das Messegeschehen, Neuheiten und die gut 2.600 Veranstaltungen an den Fach- und Publikumstagen.

Zur großen Zahl der Medienvertreter zählen nicht nur die klassischen Journalisten mit einem Presseausweis ihres Verbandes, sondern auch Blogger und Influencer, sofern sie eine gewisse Seriosität und Reichweite besitzen. Die Anträge werden einzeln geprüft.

Der Status ist begehrt, denn er ist neben dem kostenlosen Eintritt mit einer Reihe weiterer Privilegien verbunden und findet mit einem großen P wie Presse auf dem Ticket seinen äußeren Ausdruck.

Juergen Boos
Buchmesse-Chef Juergen Boos. – Bild: Jonas Ratermann / FBM

Verteidigung der Freiheit des Wortes in Kriegs- und Krisenzeiten

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, sagt zur Bilanz der Jubiläumsmesse:

Die Menschen kommen aus aller Welt hierher, weil sie wissen, dass für ihr eigenes Geschäft die Präsenz in Frankfurt unverzichtbar ist. Hinzu kommt die wachsende politische Bedeutung der Frankfurter Buchmesse in Kriegs- und Krisenzeiten, in denen die Verteidigung der Freiheit des Wortes umso wichtiger wird.

Salman Rushdie, unser diesjähriger Friedenspreisträger, hat es heute in der Paulskirche eindringlich gesagt: Die Meinungsfreiheit gerät weltweit von allen Seiten unter Druck. Deshalb braucht es nötiger denn je die Buchmesse als internationale Plattform für den freien Austausch von Gedanken.

Der Wesenskern der Buchmesse als Diskursplattform zeigte sich gleich zu Beginn in Rede und Widerrede während der Eröffnungsfeier am Dienstag: Zu starken Reaktionen im Publikum und den Medien führten die Ausführungen des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek zum Nahost-Konflikt.

Ukraine immer noch Neben-Ehrengast

Um die ukrainische Buchbranche trotz des anhaltenden Kriegszustands sichtbar zu halten und ihr internationale Solidarität zu bekunden, wurde ein 200 qm großer Länderstand inklusive eines vielfältigen Bühnenprogramms organisiert.

rankfurter Buchmesse, Ehrengast-Pavillon Slowenien
Blick in den Hauptveranstaltungsbereich des slowenischen Pavillons. – Bild: Marc Jacquemin / FBM

Ehrengast Slowenien: 100 Erst- und Neuübersetzungen ins Deutsche

Seit Beginn des Ehrengastprojekts wurden rund 100 neue Bücher in deutscher Sprache und zahlreiche Titel in anderen europäischen Sprachen veröffentlicht. Die Ausstellung „Books on Slovenia“ auf der Messe umfasste rund 400 Titel.

Der slowenische Gastland-Pavillon mit zwei wabenförmigen Auditorien  erwies sich durch mehr als 70 Veranstaltungen mit Autoren, Dichtern und Denkern aus Slowenien und dem internationalen Literaturbetrieb als  Anziehungspunkt für die Messebesucher.

In der gesamten Innenstadt fanden während der Messe zudem zahlreiche stark besuchte Lesungen, philosophische Debatten, Ausstellungen und ein exklusives Konzert der Band Laibach statt.

Stark politisierte Messe, Flucht in die Literatur

Die Messe war von den aktuellen Kriegen und gesellschaftlichen Konflikten geprägt und naturgemäß stärker politisiert und ideologisiert als in Friedens- und Wohlstandszeiten.

Für diejenigen, die sich nicht die tausendste fruchtlose Diskussion zum Ukraine- oder Nahost-Konflikt anhören wollten, bot die größte Medienmesse der Welt aber mehr als genug Fluchtmöglichkeiten in die Traumwelten der Literatur.

Die trostspendende Wirkung der schönen Künste („La consolation des arts“, Gautier) wurde schon von Oscar Wilde in seinem Roman Das Bildnis des Dorian Gray beschrieben und zelebriert.

Seit die Welt wieder ein Jammertal ist und von einer Katastrophe in die nächste schlittert, tragen auch Literatur und andere Künste zur intellektuellen Verarbeitung der Krisensituationen bei, vermitteln Hoffnung und helfen dem Einzelnen, nicht vollends an der Menschheit zu verzweifeln.

Richard Schneider