Rechtschreibrat lehnt Genderzeichen ab, nimmt sie aber über Ergänzungspassus in Regelbestand auf

Gendern mit Sternchen, Doppelpunkt, Tiefstrich
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Widersprüchliche Signale in Sachen Gendern hat der Rat für deutsche Rechtschreibung auf seiner Sitzung am 15. Dezember 2023 in Mainz ausgesendet. Einerseits wurden Genderzeichen im Wortinneren wie schon in den Vorjahren vehement abgelehnt, andererseits sollen aber das Gendersternchen, der Doppelpunkt und der Tiefstrich / Unterstrich in einen Ergänzungspassus zum Regelwerk aufgenommen werden.

In einer Erklärung bekräftigt der Rat einleitend seine Auffassung, dass allen Menschen mit „geschlechtergerechter Sprache“ begegnet werden soll. Da dies jedoch eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe sei, könne diese nicht mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden.

Genderzeichen im Wortinneren werden weiterhin „nicht empfohlen“

Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für die öffentliche Verwaltung einschließlich der Rechtspflege.

Der Rat hat vor diesem Hintergrund bereits in seiner Sitzung am 14. Juli 2023 in Eupen die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen Sonderzeichen im Wortinnern, die die Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten vermitteln sollen, in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung nicht empfohlen.

Kriterien „geschlechtergerechter“ Schreibung

Auf Basis der Rückmeldungen aus der Anhörung zu dieser Empfehlung wurden in Mainz Erläuterungen und Begründungen zu dieser Entscheidung beschlossen. Darin bestätigt und erläutert der Rat seine am 16.11.2018 und 26.03.2021 beschlossenen Kriterien geschlechtergerechter Schreibung:

Geschlechtergerechte Texte sollen

  • sachlich korrekt sein,
  • verständlich und lesbar sein,
  • vorlesbar sein (mit Blick auf Blinde und Sehbehinderte und die Entwicklung in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
  • Rechtssicherheit und Eindeutigkeit in öffentlicher Verwaltung und Rechtspflege gewährleisten,
  • möglichst automatisiert übertragbar sein in andere Sprachen, vor allem im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen (Schweiz, Bozen-Südtirol, Ostbelgien; aber für regionale Amts- und Minderheitensprachen auch Österreich und Deutschland),
  • die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen,
  • das Erlernen der geschriebenen deutschen Sprache nicht erschweren.

Für den Hochschulbereich sei eine Zunahme einer „geschlechtergerechten Schreibung“ mit Sonderzeichen im Wortinneren in systematischer Abweichung von den Regelungen im amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu beobachten, so der Rat. Inwieweit den Hochschulen das Recht zustehe, von der amtlichen deutschen Rechtschreibung abzuweichen, sei strittig.

Schulen und Hochschulen sollen regelkonforme Rechtschreibung vermitteln

Im weiteren Verlauf der Stellungnahme appelliert der Rat an das Verantwortungsbewusstsein von Lehrern und Dozenten:

Hochschulen und Lehrende haben zu beachten, dass sie für die Bildung und Ausbildung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen Verantwortung tragen, in denen Schülerinnen und Schülern die Rechtschreibung nach dem Amtlichen Regelwerk zu vermitteln ist, auf das sich die zuständigen staatlichen Stellen der deutschsprachigen Länder verständigt haben.

Die Schule ist der Ort der Vermittlung der orthografischen Normen. Die geschriebene deutsche Sprache ist von Schülerinnen und Schülern erst noch zu lernen, was nicht ohne Schwierigkeiten ist, wie nationale und internationale Bildungsstudien regelmäßig belegen.

In den jüngeren Jahrgangsstufen geht es vor allem um den Erwerb einer sicheren Rechtschreibkompetenz. Deshalb hat die Systematik der Rechtschreibung und ihrer Regeln den Schwerpunkt des Unterrichts zu bilden.

In den höheren Schulstufen können dann auch die Entwicklungen der geschriebenen Sprache der letzten Jahre mit den Sonderzeichen im Wortinnern und zwischen Wörtern zur Kennzeichnung einer geschlechtsübergreifenden Schreibintention thematisiert und reflektiert werden.

Vorgaben für die Bewertungspraxis liegen in der Zuständigkeit der Schulpolitik und obliegen nicht dem Rat für deutsche Rechtschreibung. Ob in diesem Sinne ggf. eine „rezeptive Toleranz“ als eine schulpolitische Handlungsoption zu betrachten ist, obliegt ebenfalls den verantwortlichen staatlichen Stellen.

Zumindest in Bezug auf die Hochschulen ist dieser Appell jedoch kaum mehr als ein frommer Wunsch. Dort wird – vor allem im akademischen Mittelbau – seit Jahren ohne Rücksicht auf Lesbarkeit und Verständlichkeit gegendert. Andersdenkende haben es schwer, sich den massiven Gruppenzwängen zu widersetzen und klagen über Mobbing.

Weitere Schreibentwicklung wird beobachtet

Der Rat für deutsche Rechtschreibung will die weitere Schreibentwicklung beobachten. Die „geschlechtergerechte Schreibung“ sei aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss.

Genderzeichen sollen als nicht zum Kernbestand gehörende „Sonderzeichen“ in Regelwerk aufgenommen werden

In Kürze soll der vollständige Text der am 15. Dezember 2023 in Mainz beschlossenen „Erläuterungen und Begründung zum Ergänzungspassus ‚Sonderzeichen‘ im Amtlichen Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung“ veröffentlicht werden. Er enthält die eigentliche Bombe der Mainzer Beschlüsse, die für Verwirrung sorgt.

Darin werden der Gender-Fraktion im Rat rund um Henning Lobin, den Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, Zugeständnisse dahingehend gemacht, dass das Gendern erstmals in einem Ergänzungspassus zum amtlichen Regelwerk benannt wird und die Binnenzeichen Sternchen, Doppelpunkt und Tiefstrich aufgeführt werden.

Das könnte allerdings Folgewirkungen auch in juristischer Hinsicht haben. So könnten sich Genderer künftig darauf berufen, dass die Genderzeichen im amtlichen Regelwerk stehen. Ein Verbot, wie unter anderem in Bayern vorgesehen, könnte damit schwieriger werden.

Die Freunde einer „geschlechtergerechten“ Schreibweise beschwichtigen, mit der Aufnahme des Ergänzungspassus werde das Gendern weder geregelt noch vorgeschrieben. Man beschreibe damit lediglich das Phänomen.

Kritiker sehen darin allerdings einen Dammbruch, der unter allen Umständen hätte verhindert werden müssen. Mit der Platzierung der drei Genderzeichen *, : und _ in dem Ergänzungspassus sei es den Genderisten erstmals gelungen, ihr spalterisches Gift in den Regelbestand zu injizieren – mit unabsehbaren Folgen. Sie befürchten, dass darauf aufbauend später Gender-Regeln formuliert werden sollen.

Richard Schneider