Erfolg für Selbstständige: Fauler Kompromiss bei EU-Plattformrichtlinie verhindert

Andreas Lutz
Der promovierte Diplom-Kaufmann Andreas Lutz hat 2012 den VGSD gegründet und ist seitdem dessen Vorstandsvorsitzender. - Bild: Thomas Dreier

Wie die Selbstständigenverbände VGSD und BAGSV mitteilen, fand der jüngste Entwurf für die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit in Brüssel keine Mehrheit. Dies sei auf die deutsche Enthaltung zurückzuführen, für die sich wiederum die FDP starkgemacht habe. Es sei damit unwahrscheinlich, dass die Richtlinie noch vor den Europawahlen in sechs Monaten erneut eingebracht werde. Dies sei ein wichtiger Erfolg und eine gute Nachricht für alle Soloselbstständigen.

Auf seiner Website erläutert der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland:

Seit mehr als zwei Jahren wird verhandelt, seit mehr als zwei Jahren gibt es keinen Konsens: Die EU-Richtlinie zur Regulierung von Plattformarbeit steht möglicherweise vor dem Aus. Bei der Abstimmung am 16. Februar 2024 gelang es dem belgischen Ratsvorsitz nicht, eine Mehrheit für den zuletzt erarbeiteten Entwurf für die Richtlinie zu finden. Schon kurz vor Weihnachten war ein im Trilog ausgehandelter Entwurf in letzter Minute bei den Mitgliedstaaten durchgefallen.

Keine Kriterien mehr im Entwurf

Erst eine Woche zuvor hatten sich Unterhändler von Parlament, Kommission und Ratspräsidentschaft auf einen Kompromiss-Entwurf geeinigt. Bei dieser aus unserer Sicht „schlechtesten aller Lösungen“ wurden die zuvor umstrittenen Kriterien für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ganz weggelassen. „Weil man selbst daran gescheitert ist, rechtssichere Kriterien zu formulieren, schafft man nun neue Rechtsunsicherheit“, kommentierte VGSD-Vorstand Andreas Lutz.

Teil des Entwurfs war es, dass eine abhängige Beschäftigung vermutet wird, wenn Indizien auf eine Kontrolle der Mitarbeitenden vorliegen. Die Beweislast, dass dies gegebenenfalls nicht so ist, wäre bei den Plattformen gelegen. Die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet werden, die widerlegbare Vermutung umzusetzen und dafür eigenen Kriterien aufzustellen – hierin lag ein entscheidender Unterschied zu allen vorigen Varianten: Da die Mitgliedstaaten sich nicht auf einheitliche Kriterien für die gesamte EU hatten einigen können, sollte dies in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt werden. Die Definition, was eine Plattform überhaupt ist, blieb weit und schwammig. Dieser faule Kompromiss ist nun vom Tisch. […]

Bei der Abstimmung war eine qualifizierte Mehrheit nötig gewesen, um den Entwurf anzunehmen. Dafür müssen mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen, und diese müssen 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Zugleich sorgt eine Ablehnung oder Enthaltung von mindestens vier Mitgliedstaaten für eine Sperrminorität, also ein Scheitern der Abstimmung.

In der Abstimmung über die Plattform-Richtlinie enthielten sich Frankreich, Deutschland, Griechenland und Estland – damit war der Entwurf durchgefallen. Dass die FDP eine deutsche Zustimmung zum Entwurf verhinderte, war damit entscheidend für das Scheitern der Abstimmung. Die Zukunft der Richtlinie hängt nun vom Verhalten Frankreichs ab, das Zünglein an der Waage ist.

Johannes Vogel FDP
Johannes Vogel ist erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. – Bild: Laurence Chaperon

„Angriff auf alle Selbstständigen in Europa“

Neben Frankreich kam der deutschen Enthaltung eine entscheidende Rolle zu. Eine deutsche Zustimmung zu dem Gesetz verhinderte die FDP, die sich von ihrem Veto von allen Versuchen der SPD und den Grünen nicht abbringen ließ. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel, sagte dazu:

Der Wirtschaftsstandort Europa steht im internationalen Wettbewerb unter Druck. Wir brauchen deswegen gute Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Wohlstand in Europa. Die EU-Plattformrichtlinie ist ein Angriff auf alle Selbständigen in Europa. Die Initiative der Kommission geht nicht zu weit, sondern einfach in die falsche Richtung.

Selbstständigkeit ist ein zentraler und notwendiger Teil einer modernen Arbeitswelt. Es kann nicht sein, dass Selbstständige gegen ihren Willen zu Beschäftigten gemacht werden sollen. Daher ist es genau richtig, dass Deutschland wegen des Einsatzes der FDP dem im Rat nicht zustimmt.

VGSD-Vorstand Andreas Lutz sagt:

Wir hoffen, dass im Falle eines neuen Anlaufs Selbstständige und ihr Interesse an Rechtssicherheit stärker berücksichtigt werden als in den letzten zwei Jahren. Die verantwortlichen Sozialpolitiker in Brüssel und Berlin sollten gemeinsam mit uns nach Wegen suchen, um sozial Schutzbedürftigen zu helfen. Eine solche Richtlinie sollte auf einer breiteren Grundlage stehen.

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