Preis der Leipziger Buchmesse in Kategorie Übersetzung geht 2024 an Ki-Hyang Lee

Preis der Leipziger Buchmesse 2024
Die Preisträger 2024: Ki-Hyang Lee (Übersetzung), Tom Holert (Sachbuch / Essayistik), Barbi Marković (Belletristik). - Bild: Jens Schlüter / LBM

Die Preise der Leipziger Buchmesse werden traditionell am ersten Messetag vergeben, und zwar vor Publikum in der Glashalle. Aus jeweils fünf Nominierten in drei Kategorien entschied sich die Jury letztendlich für folgende Titel und Urheber, die jeweils 15.000 Euro erhalten:

  • Den Preis in der Kategorie Übersetzung verlieh die siebenköpfige Jury an Ki-Hyang Lee für ihre Übersetzung des Erzählbandes Der Fluch des Hasen aus dem Koreanischen von Bora Chung.
  • Mit dem Preis in der Kategorie Sachbuch/Essayistik wurde Tom Holert für sein Werk ca. 1972 Gewalt – Identität – Methode ausgezeichnet.
  • In der Kategorie Belletristik fiel die Wahl auf Barbi Marković und ihren Roman Minihorror.

Die 2024 Geehrten stehen auch für ein besonderes Jubiläum, denn der Preis der Leipziger Buchmesse wird zum 20. Mal vergeben.

Unermüdliche Arbeit zur Vermittlung südkoreanischer Gegenwartsliteratur

Zur Begründung schreibt die Jury:

Das Unheimliche und Monströse laufen bei der gesellschaftskritisch versierten Koreanerin Bora Chung zu großer Form auf. Ki-Hyang Lee ist es zu verdanken, dass ihre Geschichten auch auf Deutsch abgründig funkeln. In der pointierten und leicht neben die Norm gesetzten Sprache, die Ki-Hyang Lee den Texten von Bora Chung verleiht, haben sie eine zitternde Offenheit für das Neue und Unerwartete. Das Niedliche und das Widerliche kommen uns daraus entgegen. Wir erleben die Liebe, wie sie sich in einer nahen Zukunft womöglich anfühlen wird.

Übersetzen bedeutet dabei auch, von beweglichen Standpunkten aus zu denken: Was ist nah und was fern, was selbstverständlich und was fremd? In diesem Buch werden Fremdsprachen gesprochen, und die Übersetzung spielt mit deren Rolle. Dass wir den Reichtum der südkoreanischen Gegenwartsliteratur erleben können, ist ein großer Verdienst von Ki-Hyang Lees unermüdlicher Arbeit.

Leseprobe aus Der Fluch des Hasen

»Gegenstände, die dafür bestimmt sind, mit einem Fluch belegt zu werden, sollten besonders hübsch sein«, pflegte mein Großvater zu sagen. Und die Lampe war ausgesprochen niedlich. Sie hatte die Form eines Hasen, der unter einem Baum sitzt. Der Baum wirkte etwas plump, aber der Hase war mit großer Sorgfalt ausgestaltet. Die Spitzen der Ohren und das Schwänzchen waren ebenso tiefschwarz wie seine Augen, sodass sich der Körper schneeweiß dagegen abhob. Er bestand aus einem harten Material, aber das rosa Schnäuzchen und das Fell waren ganz fein und sorgfältig gearbeitet, um den Anschein von Weichheit zu vermitteln. Schaltete man die Lampe an, erstrahlte der Körper hell, und man glaubte für einen Augenblick, der Hase wäre lebendig und würde jeden Moment das Näschen rümpfen. Jeder Gegenstand hat seine Geschichte. Da stellt dieser hier keine Ausnahme dar, ganz besonders, weil er verflucht ist.

Ki-Hyang Lee lebt in München

Die jetzt ausgezeichnete Übersetzerin Ki-Hyang Lee wurde 1967 in Seoul geboren. Sie studierte Germanistik, Pädagogik und Japanologie in Seoul, Würzburg und München. Heute lebt sie in München, arbeitet dort als Dozentin an der Universität und ist Übersetzerin und Verlegerin des Märchenwald Verlags.

Zu ihren zahlreichen Übersetzungen zählen Han Kangs Die Vegetarierin (Aufbau, 2017), Cho Nam-Joos Kim Jiyoung, geboren 1982 (Kiepenheuer & Wietsch, 2021) oder Kim Hye-Jins Die Tochter (Hanser, 2022). Dazu übersetzte sie koreanische Autoren wie Hwang Sun-Won, Jooyoung Kim, I-Seol Kim, Haemin Sunim, Sung-U Lee, Do Hyun Ahn, Song Sok-ze und Jong-Rae Jo ins Deutsche.

Preis der Leipziger Buchmesse 2024
Die Preisvergabe findet in der Glashalle statt. – Bild: Jens Schlüter / LBM

Spannung wie bei den Oscars

Eine Besonderheit der Vergabe der Leipziger Preise ist, dass Spannung bis zur letzten Minute herrscht, weil die Gewinner wie bei den Oscars aus roten Umschlägen gezogen werden. Alle Nominierten sind anwesend und erfahren erst in diesem Moment, für wen sich die Jury entschieden hat. Die Folge: Manchmal echte Überraschungen und auf jeden Fall Umarmungen, Freudentränen und Dankesreden wie in Hollywood.

Bei den meisten anderen Übersetzerpreisen steht hingegen drei bis sechs Monate im Voraus fest, wer mit der Auszeichnung bedacht wird.

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Richard Schneider