Das Problem der Übersetzung, des Universellen und des Diversen bildet ein Kernthema im Werk von Souleymane Bachir Diagne, einer der wichtigsten Stimmen des zeitgenössischen Afrikas.
Zu seinem soeben erschienenen neuesten Werk Von Sprache zu Sprache – Übersetzung als Gastfreundschaft schreibt der Verlag:
Ein Lob des Übersetzens zu schreiben bedeutet, die Vielfalt der Sprachen und ihre Gleichwertigkeit zu feiern – ihre Zusammenkunft in einer Art „glücklichem Babel“ zu imaginieren.
Es ist nicht zu leugnen, dass dem Übersetzen oftmals ein Moment der Gewalt innewohnt, insbesondere wenn man die koloniale Vergangenheit Europas betrachtet.
Dennoch legt der franko-senegalesische Philosoph und postkoloniale Denker Souleymane Bachir Diagne in seiner Übersetzungstheorie den Fokus auf den Begriff der Gastfreundschaft: Im Gegensatz zu denjenigen, die meinen, adäquat übersetzen könne nur eine Person, die der Identität der Autor:in nahesteht, liegt für Diagne der Wert des Übersetzens gerade in der Bemühung, eine Fremdheit zu überbrücken.
Dadurch, dass im respektvollen und empathischen Annähern des Fremden und Eigenen neue sprachliche Wege freigelegt werden, entsteht nicht nur ein wertvoller interkultureller Dialog, sondern es wird auch ein Beitrag zur einzigen universalen Sprache geleistet, die menschenmöglich ist: der Humanität.
Über den Autor
Souleymane Bachir Diagne, 1955 im senegalesischen Saint-Louis geboren, ist Professor für Französisch und Philosophie an der Columbia University in New York.
Gespräch mit Diagne im Wiener Schauspielhaus
Der Verleger Peter Engelmann spricht am 12. Juni 2024 um 20 Uhr im Schauspielhaus Wien mit Diagne über das Thema „Übersetzung als dekoloniale Praxis“ (in französischer Sprache mit Verdolmetschung durch Margret Millischer).
Aus der Ankündigung:
Übersetzung ist ein wesentliches Mittel transkultureller Kommunikation. Dennoch ist sie oft gewaltsam. Das zeigt sich zum Beispiel an den Folgen der globalen Hegemonie des Englischen, das andere Sprachen zunehmend marginalisiert. Souleymane Bachir Diagne sieht jedoch Grund zum Optimismus.
Er untersucht das dekoloniale Potenzial unterschiedlicher Übersetzungspraktiken: von den subversiven Wirkungen afrikanischer Übersetzungsliteratur auf koloniale Zielsprachen bis hin zur einer Dekolonialisierung des Denkens durch die Auseinandersetzung mit afrikanischen Philosophien.
Auch in der Kunst spielen Übersetzungsprozesse eine Rolle, sowohl bei der Wiedereingliederung von restituierten Werken in ihre Ursprungsländer als auch bei der Rezeption afrikanischer Kunst in Europa, die sich zwischen kultureller Aneignung und genuiner Übersetzungsleistung bewegt.
Souleymane Bachir Diagne entwickelt eine Ethik des Übersetzens, die Teil eines neuen humanistischen Projekts sein könnte: ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer von Gleichheit und gegenseitigem Respekt geprägten menschlichen Gemeinschaft, die postkoloniale Hierarchien zwischen globalem Norden und Süden hinter sich gelassen hat.
Bibliografische Angaben
- Souleymane Bachir Diagne (2024): Von Sprache zu Sprache – Übersetzung als Gastfreundschaft. Wien: Passagen-Verlag. Übersetzt von Christian Leitner. 144 Seiten, 23,00 Euro, ISBN 978-3-7092-0580-8. Bei Amazon bestellen. Hinweis zu Amazon-Links.
Weiterführender Link
- 2024-06-12 (Der Standard): Philosoph Diagne: „Es darf nicht heißen, nur noch Schwarze übersetzen Schwarze“
Richard Schneider