Wie die Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Stiftung mitteilt, werden im Jahr 2024 folgende Übersetzer mit den drei Rowohlt-Übersetzerpreisen ausgezeichnet: Stephan Kleiner, Verena von Koskull und Olga Radetzkaja.
Die Auszeichnungen werden am 18. Oktober 2024 zum 33. Mal im Rahmen der Frankfurter Buchmesse an die Preisträger überreicht.
(1) Stephan Kleiner – „Leuchtzeichen lebendiger Kulturvermittlung“
Stephan Kleiner, Jahrgang 1975, lebt in München und übersetzt aus dem Englischen. Er erhält den mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis der Stiftung, den Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Preis.
Kleiner sei ein äußerst vielseitiger und wendiger Übersetzer mit einem reichhaltigen Fundus von Autoren aus der aktuellen amerikanischen und britischen Gegenwartsliteratur, heißt es zur Begründung. Das Spektrum reiche von Hanya Yanagihara über Geoff Dyer und Nick Hornby bis zu Marlon James.
Seine Übersetzungen, die auch viel Essayistisches aus der amerikanischen Zeitgeschichte von Tarantino bis Obama umfassten, zeichneten sich durch hohe Präzision und lockere stilistische Eleganz aus. Sie seien Leuchtzeichen lebendiger Kulturvermittlung.
(2) Verena von Koskull – „tiefes Verständnis für kulturelle Besonderheiten“
Der mit 10.000 Euro dotierte Jane-Scatcherd-Preis wurde nach der Ehefrau des Verlegers benannt. Er geht an Verena von Koskull für ihre „genauen und unaufgeregt kunstvollen Übersetzungen aus dem Italienischen“.
Sie übersetze „bedeutende, stilistisch ganz unterschiedliche Romane“ von Autoren wie Alba de Céspedes, Marina Jarre, Antonio Scurati, Vincenzo Latronico, Igiaba Scebo oder Gian Marco Griffi, heißt es in der Mitteilung.
Verena von Koskull vereine ein untrüglich feines Gespür für Sprache mit tiefem Verständnis für kulturelle Besonderheiten. Ihre Übersetzungen seien geprägt von unprätentiöser Klugheit.
(3) Olga Radetzkaja – „schwebende, leicht melancholische Sprache“
Den mit 5.000 Euro dotierten Paul-Scheerbart-Preis für Lyrik-Übersetzungen erhält Olga Radetzkaja für ihre Übersetzung von Maria Stepanovas Lyrik-Bänden Der Körper kehrt wieder (2020), Mädchen ohne Kleider (2022) und Winterpoem (2023) aus dem Russischen.
In schwebender, leicht melancholischer Sprache, mit der ein Reich zwischen Traum und Wirklichkeit beschworen werde, zeichne die Übersetzerin die in den Gedichten thematisierten verstörenden Tatsachen nach.
Sie bewege sich nah am Original entlang, verleihe aber der Sprache ihrer Übersetzung dennoch einen eigenständigen Ton.
Der Namensgeber des Preises, Paul Scheerbart (1863-1915), war ein Schriftsteller und Lyriker phantastischer Literatur, dessen Werke 1909 zu den ersten bei Rowohlt (Ernst Rowohlt) verlegten Büchern gehörten.
Vierköpfige Jury
Die Jury bestand aus Karsten Kredel (Vorsitzender), Susanne Höbel, Antje Kunstmann und Thomas Überhoff.
Stiftung von Witwe nach Ledig-Rowohlts Tod 1992 gegründet
Heinrich Maria Ledig-Rowohlt war der Halbbruder des Literaturübersetzers Harry Rowohlt und betätigte sich in geringem Umfang selbst als Übersetzer. Beide erbten von ihrem Vater Ernst Rowohlt 1960 den Rowohlt-Verlag, den sie 1982 an die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck verkauften. Der Verlag wurde von Heinrich Maria geführt, der 51 Prozent der Anteile geerbt hatte. Harry wollte mit dem Verlagsgeschäft nie etwas zu tun haben.
Die Rowohlt-Stiftung wurde 1992 nach dem Tod des Verlegers von dessen Witwe Jane Ledig-Rowohlt, geb. Scatcherd, aufgebaut. Mit den jährlich vergebenen Preisen soll die „oft unterschätzte und öffentlich zu wenig gewürdigte Arbeit“ literarischer Übersetzer gewürdigt werden.
In der Präambel der Satzung heißt es: „Ausschließlicher und unmittelbarer Zweck der Stiftung ist die Förderung deutschsprachiger Literaturübersetzer, insbesondere die Ausschreibung eines jährlich zu vergebenden Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzer-Preises.“
Richard Schneider