Norwegen stiftet Fosse-Preis für Übersetzer – Erster Preisträger ist Hinrich Schmidt-Henkel

Hinrich Schmidt-Henkel
Hinrich Schmidt-Henkel - Bild: Ebba Drolshagen / Fosse-Preis

Der bekannte deutsche Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel wird 2025 den ersten norwegischen „Fosse-Preis für Übersetzer“ (Fosseprisen for omsetjarar) erhalten. Das gab die Jury in Oslo bekannt. Die Übergabe soll am 24. April 2025 im Königlichen Palast stattfinden. Schirmherrin der Auszeichnung ist Kronprinzessin Mette-Marit.

Einer der höchstdotierten europäischen Übersetzerpreise

Die zu Ehren des Literaturnobelpreisträgers Jon Fosse vom norwegischen Staat gestiftete Auszeichnung belegt mit einem Preisgeld von 500.000 norwegischen Kronen (umgerechnet 43.109 Euro) auf Anhieb Platz 3 der höchstdotierten europäischen Übersetzerpreise. Noch höher dotiert sind in Europa lediglich das Zuger Übersetzer-Stipendium (umgerechnet 51.466 Euro) und der Cultuurfonds Vertaalprijs Martinus Nijhoff (50.000 Euro).

Die neue Ehrung soll „die Kraft der Literatur und deren bedeutende Rolle in der Gesellschaft hervorheben“, wie Kulturministerin Lubna Jaffery erläutert. Sie soll „den Dialog über Literatur sowohl in Norwegen als auch international fördern“.

Projektbeteiligte sind das norwegische Kulturministerium, die Nationalbibliothek, die Übersetzungsförderagentur NORLA (Norwegian Literature Abroad), die auch die norwegischen Auftritte auf Buchmessen organisiert, sowie der Namensgeber Jon Fosse.

Deutschland wichtigster Auslandsmarkt, HSH „eine Klasse für sich“

„Deutschland ist traditionell das wichtigste Land für übersetzte norwegische Literatur, und Hinrich ist seit vielen Jahren der wichtigste deutsche Übersetzer, daher halte ich diese Wahl für völlig naheliegend“, so Jon Fosse.

Auch NORLA-Direktorin Margit Walsø lobt das Wirken des 1959 in Berlin geborenen Übersetzers: Schmidt-Henkel könne eine beeindruckende und vielseitige Bibliographie in den Literaturgattungen Prosa, Drama, Lyrik und Kinderbuch vorweisen. Er spiele für die Verbreitung der norwegischen Literatur im Ausland eine wichtige Rolle und sei in dieser Hinsicht „eine Klasse für sich“.

Zu den von Hinrich Schmidt-Henkel übersetzten norwegischen Autoren gehören Kjell Askildsen, Jon Fosse, Henrik Ibsen, Ruth Lillegraven, Cecilie Løveid und Tarjei Vesaas.

Frankfurter Buchmesse, Norwegen, Übersetzungen
Ausstellung mit Übersetzungen aus dem Norwegischen auf der Frankfurter Buchmesse 2019. – Bild: Richard Schneider

Seit 1987 mehr als 120 Bücher aus dem Norwegischen übersetzt

Zur Begründung ihrer Wahl schreibt die Jury:

Der Preisträger war für die norwegische Literatur im Ausland von außerordentlicher Bedeutung. Seit Henrik Ibsens Zeiten war der deutsche Sprachraum für norwegische Autoren immer das wichtigste Tor zur Welt. Ibsens zeitgenössische Dramen wurden fast unmittelbar nach ihrem Erscheinen in norwegischer Sprache auf Deutsch veröffentlicht. Der deutsche Buchmarkt ist einer der größten der Welt und der wichtigste Türöffner für die übrigen Länder.

Die Wirkung von Hinrich Schmidt-Henkels hervorragenden Übersetzungen geht daher weit über die 120 Bücher hinaus, die er seit 1987 aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzt hat.

Hinrich Schmidt-Henkel hat eine große Zahl norwegischer Autoren und Dramatiker ins Deutsche übersetzt, darunter Kjell Askildsen, Cecilie Løveid, Henrik Ibsen, Tarjei Vesaas, Ruth Lillegraven und Jon Fosse.

Seine Übersetzungen zeichnen sich durch ein außergewöhnlich hohes literarisches Niveau aus, nicht nur in der Machart, sondern auch in der Auswahl der Werke. Er hat eine beeindruckende und vielfältige Bibliographie aufgebaut, die Prosa, Drama, Lyrik und Kinderbücher umfasst.

Er wurde weithin dafür gelobt, dass er das Werk von Jon Fosse schon früh – nämlich 1995 – „entdeckte“, als er eines seiner Stücke in Bergen sah. Schmidt-Henkel setzte sich direkt mit dem Autor in Verbindung und begann mit einer Reihe von Übersetzungen. Diese waren bereits vor Fosses Durchbruch als Dramatiker in Deutschland fertiggestellt. Das war ein großer Vorteil, als das deutsche Interesse an Fosses Werken zunahm. So konnten die ersten Inszenierungen von Fosses Stücken in Deutschland auf die besten Regisseure zurückgreifen. Der Erfolg von Jon Fosse in Deutschland, aber auch in Frankreich, hat wesentlich dazu beigetragen, dass seine Werke weltweit Beachtung fanden.

Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzungen von Henrik Ibsen wurden auch von Theaterregisseuren in Deutschland, Österreich und der Schweiz rezipiert.

Einer seiner deutschen Verleger brachte es auf den Punkt: „Niemand spricht schöner über die Bücher, die er übersetzt, als Hinrich, und niemand sonst macht den sprachlichen Reichtum sowohl des Originaltextes als auch der Übersetzung prägnanter deutlich und sichtbarer.“ Seine Neuübersetzungen haben „Tarjei Vesaas durch überwältigend schöne, präzise und zeitgemäße Übersetzungen dem deutschen Leser zugänglicher gemacht“. Sein unermüdlicher Einsatz bei Buchvorstellungen und verschiedenen Veranstaltungen trage ebenfalls dazu bei.

Der Preisträger hat sich als außergewöhnlicher Kommunikator und Botschafter der norwegischen Literatur in Deutschland erwiesen, sowohl als Organisator und Moderator literarischer Veranstaltungen als auch als engagierter Akteur in verschiedenen Bereichen der Branche, einschließlich der deutschen Verlags- und Theaterwelt – zusätzlich zum Wirken als Übersetzer.

Er war verantwortlich für unzählige Lesungen und Präsentationen norwegischer Autoren, sowohl derer, die er selbst übersetzt hat, als auch anderer. Darüber hinaus hat er sich jahrzehntelang an vorderster Front für die Rechte der Übersetzer eingesetzt und deren Profil geschärft, indem er wichtige Positionen im Verband der deutschen Literaturübersetzer innehatte.

Schon früh schrieb Hinrich Schmidt-Henkel Artikel und Radiosendungen über den Reichtum der norwegischen Literatur für Kinder und Jugendliche. Im Jahr 1994 organisierte er die Nordischen Literaturtage im Literaturhaus Hamburg.

Im Jahr 2019, als Norwegen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse war, wirkte er an mehr als 50 Veranstaltungen mit, sowohl während der Messe selbst als auch an anderen Orten im Laufe des Jahres – auf Festivals, in Literaturzentren, Buchhandlungen und in der Königlich Norwegischen Botschaft in Berlin.

Auf dieser Grundlage vergibt die Jury den Preis an Hinrich Schmidt-Henkel für sein bedeutendes Werk als Übersetzer norwegischer Literatur und Dramatik ins Deutsche. Dabei hebt sie sein gesamtes übersetzerisches Schaffen und seinen großen Einsatz zur Förderung der norwegischen Literatur und Kultur hervor.

Jon Fosse
Jon Fosse – Bild: Niklas Elmehed / Nobelpreiskomitee

Berliner hat in Saarbrücken studiert, gilt als früher Entdecker von Fosse

Hinrich Schmidt-Henkel wurde 1959 in West-Berlin geboren und studierte Germanistik und Romanistik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.

Seit 1987 übersetzt er ein breites Spektrum literarischer Werke, darunter Romane, Theaterstücke, Gedichte sowie Kinder- und Jugendbücher aus dem Norwegischen (sowohl Bokmål als auch Nynorsk), Dänischen, Französischen und Italienischen ins Deutsche.

Von 2008 bis 2021 war er Mitglied des Vorstands des Literaturübersetzer-Verbands VdÜ, davon die ersten neun Jahre als 1. Vorsitzender.

Fast alle Werke von Jon Fosse übersetzt

Durch die Übersetzung fast aller Werke von Jon Fosse hat er entscheidend dazu beigetragen, den Schriftsteller einer internationalen Leserschaft nahezubringen.

Durch seine Übersetzungen von Der Eispalast (Is-slottet) und Die Vögel (Fuglane) hat er auch dazu beigetragen, das Interesse des deutschen Publikums an Tarjei Vesaas wieder zu wecken. Weitere von Schmidt-Henkel übersetzte norwegische Autoren sind Kjell Askildsen, Jon Fosse, Henrik Ibsen, Cecilie Løveid, Tarjei Vesaas und Ruth Lillegraven.

Schmidt-Henkel wurde für die hohe literarische Qualität seiner Übersetzungen bereits vielfach ausgezeichnet. Neben seinen Übersetzungen war er ein wichtiger Botschafter für die norwegische Literatur in Deutschland. Er hat literarische Veranstaltungen organisiert, war ein aktiver Kommunikator in der deutschen Verlags- und Theaterbranche und trug zur Stärkung des kulturellen Austauschs zwischen Norwegen und Deutschland bei.

Erste Fosse-Vorlesung wird von Jean-Luc Marion gehalten

Gleichzeitig mit der Vergabe des Fosse-Preises für Übersetzer soll künftig auch immer eine Fosse-Vorlesung gehalten werden. Der französische Philosoph und Theologe Jean-Luc Marion wurde eingeladen, im kommenden Jahr den ersten derartigen Vortrag zu halten.

Der emeritierte Professor der Sorbonne und der Universität von Chicago ist ein ehemaliger Schüler von Jacques Derrida und gehört zu den „Unsterblichen“ der Académie française.

Aslak Sira Myhre von der norwegischen Nationalbibliothek bezeichnet Jean-Luc Marion als einen der „führenden Intellektuellen Europas“. Seine Perspektive werde dazu beitragen, das Denken über die Rolle der Literatur in Norwegen zu erweitern und zu inspirieren. Als Theologe und Philosoph könne er die Literatur von einem speziellen Standpunkt aus betrachten.

Jon Fosse zur ersten Verleihung des Fosse-Preises

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Richard Schneider