GfdS kürt „Ampel-Aus“ zum Wort des Jahres 2024

Ampel-Aus, Wort des Jahres 2024
Das Ende der unbeliebtesten Regierung der Nachkriegszeit brachte das Wort des Jahres hervor: Ampel-Aus. - Bild: Richard Schneider

Das Wort des Jahres 2024 lautet Ampel-Aus. Diese Entscheidung traf eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden. Insgesamt wurden zehn Ausdrücke ausgewählt, die das laufende Jahr an besten charakterisieren:

  1. Ampel-Aus
  2. Klimaschönfärberei
  3. kriegstüchtig
  4. Rechtsdrift
  5. generative Wende
  6. SBGG
  7. Life-Work-Balance
  8. Messerverbot
  9. angstsparen
  10. Deckelwahnsinn

1. Ampel-Aus

Das sich seit Langem andeutende Ende der Ampelkoalition – schon 2023 war Ampelzoff unter den Wörtern des Jahres – sorgte für einen Paukenschlag, der sogar den zeitgleich bekannt gewordenen Ausgang der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl übertönte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entließ am 6. November Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen unüberbrückbarer Differenzen in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik; fast alle übrigen Kabinettsmitglieder der FDP erklärten daraufhin ihren Rücktritt.

Sprachlich interessant ist an dem Wort Ampel-Aus die Alliteration (beide Wortbestandteile beginnen mit einem A) sowie die Tatsache, dass die Präposition aus hier als Substantiv (»Hauptwort«) erscheint. Das Wortbildungsmuster ist keineswegs neu: Ehe-Aus, Beziehungs-Aus, Liebes-Aus usw. kennt man aus der Regenbogenpresse; Jamaika-Aus war das Wort des Jahres 2017. Damals hatte FDP-Chef Christian Lindner die schwarz-gelb-grünen Koalitionsverhandlungen mit dem Satz »Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren« platzen lassen.

2. Klimaschönfärberei

Klimaschönfärberei steht für die Praxis, die Auswirkungen des Klimawandels oder die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu beschönigen oder zu verharmlosen. Unternehmen oder Organisationen versuchen dabei in einer Art von Greenwashing, sich umweltfreundlicher darzustellen, als sie tatsächlich sind. 2024 lagerten deutsche Betriebe ihre Klimaschutzmaßnahmen aus strategischen Gründen zunehmend nach China oder Indien aus. Ob konkrete Maßnahmen helfen oder eher Augenwischerei sind, lässt sich neuerdings immerhin durch ein KI-Programm namens Climinator beantworten, das in Minutenschnelle einen Faktencheck und einen Abgleich mit der seriösen Klimaforschung durchführen kann.

3. kriegstüchtig

Ein Artikel mit dem Titel »Bedingt abwehrbereit« war 1962 Auslöser der sogenannten Spiegel-Affäre: Den Bericht, dass die Bundeswehr gegen einen Angriff nicht ausreichend gerüstet sei, interpretierte der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß als Landesverrat. 62 Jahre später forderte einer seiner Nachfolger, der SPD-Politiker Boris Pistorius, dass Deutschland bis 2029 kriegstüchtig werden müsse – was zum Ausdruck brachte, dass dies aktuell nicht der Fall sei. In der anschließenden öffentlichen Debatte wurden Panikmache und die Gefahr einer Militarisierung befürchtet. Argumentiert wurde jedoch auch, dass eine realistische Einschätzung von Bedrohungen und entsprechende Vorbereitungen notwendig seien, um Frieden zu sichern.

4. Rechtsdrift

Ein schon seit Längerem erkennbarer Trend nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern ebenso wie außerhalb Europas ist eine Verschiebung der politischen Stimmung oder des öffentlichen Diskurses nach rechts. 2024 zeigte sich die Rechtsdrift in den Erfolgen populistischer Parteien bei verschiedenen Landtagswahlen, aber auch bei der Europawahl. Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört der klare Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl.

5. generative Wende

Hatte die Jury bereits 2023 in KI-Boom eines der Jahreswörter gesehen, greift sie nun die rasante Weiterentwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz erneut auf. Mit dem Ausdruck generative Wende wird Bezug genommen auf den Übergang von traditionellen KI-Systemen zu fortschrittlicheren Modellen. Diese sind in der Lage, neue Inhalte zu erzeugen und komplexe Aufgaben auf menschenähnliche Wei­se zu bewältigen. Die Auswirkungen sind gravierend: Schon jetzt kann generative KI selbständig Texte verfassen, stilistisch optimieren oder übersetzen und künstlerische oder kreative audiovisuelle Werke jeder Art produzieren. Die Integration in Suchmaschinen erscheint bereits als selbstverständlich.

6. SBGG

Das am 1. November 2024 in Kraft getretene Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag – kurz SBGG – ersetzt das veraltete Transsexuellengesetz von 1980. Personen, die ihre geschlechtliche Identität nicht im binären System »männlich«/»weiblich« verorten oder deren soziales Geschlecht nicht ihrem Geburtsgeschlecht entspricht, können nunmehr ohne große bürokratische Hürden durch eine Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag und ihre(n) Vornamen ändern lassen.

Die Vornamenvergabe ist allerdings nach wie vor nicht völlig beliebig. Dies führt bei der Gesellschaft für deutsche Sprache bereits seit Juli 2024 zu zahlreichen Anfragen durch Personen, deren Vornamenwunsch vom Standesamt nicht akzeptiert wird. Ein auf sprachwissenschaftlicher Grundlage erstelltes GfdS-Gutachten kann hier helfen.

7. Life-Work-Balance

In Deutschland verschieben sich Wertmaßstäbe in unterschiedlichen Bereichen. Dies kommt auch in der Wortbildung Life-Work-Balance im Gegensatz zur herkömmlichen Work-Life-Balance zum Ausdruck: »Leben« – definiert als Privatleben, Freizeit – wird zunehmend über »Arbeit« gestellt. Besonders bei Angehörigen jüngerer Generationen haben sich die Prioritäten verschoben. Sie sehen es oft nicht mehr ein zu leben, um zu arbeiten, sondern allenfalls umgekehrt.

8. Messerverbot

Mit dem »Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems« von Ende Oktober 2024 wurde unter anderem das Waffengesetz verschärft. Demnach dürfen nunmehr auch Messer jeder Art, Länge sowie Beschaffenheit im öffentlichen Raum nicht mitgeführt werden. Das Messerverbot gilt insbesondere für Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkte, Sportevents, Messen, Märkte, Kinovorführungen und Konzerte. Es muss mit anlasslosen Kontrollen gerechnet werden, bei denen u. a. Taschen und Rucksäcke überprüft und Personen durchsucht werden können. Wer einen verbotenen Gegenstand dabei hat, muss prinzipiell mit einem Strafverfahren oder auch einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro rechnen.

9. angstsparen

In Zeiten der Rezession entschließen sich viele Menschen aus Unsicherheit über ihre finanzielle Zukunft zum Konsumverzicht. Das Verb angstsparen (Platz 9) bringt diese Grundhaltung prägnant zum Ausdruck. Was schlecht für die Wirtschaft ist, hat einen positiven Nebeneffekt: Dem aktuellen Schuldneratlas zufolge ist 2024 die Zahl überschuldeter Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland weiter rückläufig.

10. Deckelwahnsinn

Seit Juli 2024 gilt aus Gründen des Umweltschutzes ein EU-Gesetz, wonach sich Deckel nicht mehr von Plastikflaschen lösen lassen. Die öffentliche Diskussion über den Deckelwahnsinn war von der Frage nach dem tatsächlichen ökologischen Nutzen sowie nach der Verbraucherfreundlichkeit geprägt. Auch die Kosten und Herausforderungen für Unternehmen bei der Umstellung wurden kritisch reflektiert.

GfdS hat Aktion „Wort des Jahres“ vor 48 Jahren gestartet

Die Wörter des Jahres der Gesellschaft für deutsche Sprache werden 2024 zum 48. Mal in Folge bekannt gegeben. Die Aktion, die mittlerweile weltweit Nachahmung findet, ist die älteste ihrer Art. Traditionell suchen die Mitglieder des Hauptvorstandes und die wissenschaftlichen Mitarbeiter der GfdS nicht nach den am häufigsten verwendeten Ausdrücken, sondern wählen solche, die das zu Ende gehende Jahr in besonderer Weise charakterisieren.

PM GfdS