Justiz-dolmetscher.de – 15 Jahre bundesweite Gerichtsdolmetscher-Datenbank

Justitia Wuppertal
Die Justitia am Eingang des alten Rathauses von Wuppertal-Elberfeld. - Bild: Richard Schneider

Als es damals hieß, die Justizverwaltungen der Länder planten ein gemeinsames Online-Verzeichnis der gerichtlich beeidigten Dolmetscher und ermächtigten Übersetzer, waren viele skeptisch. Denn Behörden stehen nicht in dem Ruf, Innovationstreiber zu sein.

Das Ergebnis der Bemühungen der Landesjustizverwaltungen unter Federführung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wurde der Fachöffentlichkeit am 1. Januar 2010 präsentiert. Und es konnte sich sehen lassen.

Verzeichnis sorgt für Transparenz

Der Zugriff war von Anfang an für jedermann möglich – nicht nur für die Justiz und die Gerichtsdolmetscher. Die Datenbank funktionierte und sorgte für Transparenz.

Für viele war es eine Überraschung, dass die Zahl der Gerichtsdolmetscher in Deutschland so groß ist (inzwischen sind es mehr als 25.000).

Die Vermutung, da würden Dolmetscher mit zwei Arbeitssprachen doppelt gezählt, trifft nicht zu. Aber zumindest diejenigen, die in zwei Bundesländern beeidigt/ermächtigt sind, werden sicherlich als zwei Personen gezählt, da sie über zwei verschiedene Einträge in der Datenbank verfügen. Das sind jedoch Sonderfälle, deren Gesamtzahl nicht allzu hoch sein dürfte.

Berge von Karteileichen?

Allerdings ist davon auszugehen, dass sich im Lauf der Jahre im Bestand etliche Karteileichen angesammelt haben. Denn eine regelmäßige Prüfung auf Aktualität der Einträge findet nicht statt. Eine Übersetzerin aus Koblenz schreibt uns:

Unter anderem hier in Rheinland-Pfalz ist die allgemeine Ermächtigung und Beeidigung nach wie vor unbefristet. In der Praxis bedeutet das, dass Kolleginnen und Kollegen aus vielerlei Gründen nicht mehr erreichbar oder tätig sind, dies aber nicht mitteilen und somit weiterhin auf der Liste stehen.

Auch der Begriff „Karteileiche“ ist hier leider ganz wörtlich zu nehmen. Ich kenne einige Kollegen, die längst verstorben sind, aber niemand nimmt sie von der Liste.

Zwar sind die Eingetragenen angehalten, Änderungen umgehend dem für sie zuständigen Gericht mitzuteilen, aber die meisten lassen das Berufsleben schleichend ausklingen und ziehen keinen klaren Schlussstrich.

Wenn dann der Sensenmann an die Tür klopft, bleibt oft keine Zeit mehr, die Beeidigung bzw. Ermächtigung zurückzugeben. Und den Hinterbliebenen ist nicht bewusst, dass man das Ableben eines Gerichtsdolmetschers dem Gericht melden sollte.

Gerichtsdolmetscher-Datenbank
Die Suche erfolgt typischerweise über die Sprache oder das Herkunftsland, das Bundesland, den Ort oder den Gerichtsbezirk. – Bildschirmfoto

Russisch auf Platz 3, Arabisch auf 5

Durch die Umstellung von schriftlichen regionalen Listen auf eine bundesweite Datenbank ließ sich erstmals ermitteln, welche Sprachen wie häufig unter den Sprachmittlern im Dienst der Rechtspflege vertreten sind. Einige Beispiele für das Jahr 2025:

Sprache Einträge (von 25.261 insgesamt)
Englisch 7.972
Französisch 3.933
Russisch 3.668
Spanisch 3.380
Arabisch 1.766
Italienisch 1.557
Türkisch 1.225
Kroatisch 527
Chinesisch 428
Ukrainisch 326
Dari 278
Kurdisch 210
Vietnamesisch 192
Paschtu 107
Suaheli 8
Wolof 7

Zu beachten ist, dass diese Liste lediglich die Arbeitssprachen der eingetragenen Dolmetscher und Übersetzer wiedergibt. Eine Rangfolge der tatsächlich von den Gerichten benötigten und angeforderten Sprachen sähe etwas anders aus.

So ist zum Beispiel der Bedarf für Türkisch wegen des höheren Bevölkerungsanteils um ein Vielfaches höher als der für Italienisch, obwohl im System mehr Italienisch- als Türkisch-Dolmetscher verzeichnet sind.

Eine rasante Karriere von einer exotischen zu einer alltäglichen Sprache hat in diesen 15 Jahren das Arabische gemacht.

Gerichtsdolmetscher-Datenbank
Als Suchergebnis wird eine Liste angezeigt, deren Einträge nicht alphabetisch, sondern zufällig sortiert sind. – Bildschirmfoto

Bildschirmdarstellung nicht responsiv, Benutzerfreundlichkeit könnte besser sein

Inzwischen ist das System etwas in die Jahre gekommen und könnte eine Überarbeitung vertragen:

  • Schmerzlich vermisst wird eine Darstellung, die sich automatisch an mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets anpasst – ein zunehmend wichtiger Aspekt.
    (So wird zum Beispiel auch UEPO.de inzwischen häufiger am Handy als am PC aufgerufen. Die UEPO-Darstellung passt sich automatisch daran an, das gerichtliche Dolmetscherverzeichnis aber nicht.)
  • Website und Abfragemaske könnten etwas benutzerfreundlicher und ansprechender gestaltet werden.

Andererseits muss lobend hervorgehoben werden, dass die Datenbank nach wie vor ihren Zweck erfüllt. Sie ist für alle Beteiligten ein Segen: für Richter, Justizangestellte und die Übersetzungsbranche.

Gerichtsdolmetscher-Datenbank
Der Aufbau eines einzelnen Eintrags, hier am Beispiel einer Dolmetscherin und Übersetzerin mit der Arbeitssprache Portugiesisch. Unterhalb des dargestellten Ausschnitts folgen zahlreiche weitere Felder, die aber meist nicht ausgefüllt sind. – Bildschirmfoto

Datenbank außerhalb von Justiz und Übersetzungsbranche unbekannt

Für Privatkunden, die Urkunden übersetzen lassen müssen, ist das System ebenfalls potenziell von Nutzen. Sie könnten sich für „beglaubigte“ Übersetzungen ohne den Umweg über ein Übersetzungsbüro direkt an einen Übersetzer in ihrer Nähe wenden. Hinzu kommt, dass die Auswahl in der Gerichtsdatenbank (25.000 Einträge) sehr viel größer ist als in der Mitgliederdatenbank des größten Berufsverbands (7.500 Einträge).

Die Erfahrung zeigt aber, dass Privatleute die Adresse www.justiz-dolmetscher.de nicht kennen, denn niemand macht dafür Werbung. Und von den Suchmaschinen werden sie stets zuverlässig in die Arme von Übersetzungsbüros getrieben.

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Richard Schneider