European Language Industry Survey: ELIS-Umfrage 2025 zeigt Branche in der Krise

ELIS-Umfrage
Bild: ELIS

Am 18. März 2025 wurden in einer von der EU organisierten Online-Konferenz die Ergebnisse der ELIS-Studie 2025 vorgestellt (European Language Industry Survey).

Bereits in den Vorjahren hatten Interessenvertreter der Branche ihre Besorgnis über die Auswirkungen von KI und anderen Sprachtechnologien auf ihre Tätigkeit deutlich zum Ausdruck gebracht. ELIS 2025 hat diese Entwicklungstendenzen weiter verfolgt und gefragt, wie Freiberufler, Sprachdienstleister, Sprachendienste in Großunternehmen und die Ausbildungseinrichtungen mit den neuen Herausforderungen umgehen.

Umsätze sinken, Zahl der Übersetzer geht zurück

Zum ersten Mal in der Geschichte von ELIS rechnen die teilnehmenden Übersetzungsbüros nicht nur mit einem weiteren Rückgang ihrer eigenen Tätigkeit, sondern auch mit einem Rückgang der Sprachenbranche weltweit und insbesondere ihres heimischen Sprachdienstleistungsmarktes. Es überrascht nicht, dass sie auch von einem Rückgang des Personalbestands und der Zahl der auf ihrem Markt tätigen Sprachdienstleister berichten.

Ein Viertel der Freiberufler erwägt Aufgabe des Berufs

Die Freiberufler teilen die Einschätzung der Unternehmen in Bezug auf ihre eigene Tätigkeit, sagen aber noch keinen Abschwung des Marktes insgesamt voraus. Dennoch erwägt fast jeder Vierte, seine freiberufliche Tätigkeit zu einzustellen.

Sprachendienste großer Unternehmen resilienter

Die Sprachendienste in großen Unternehmen zeigen eine positivere Einstellung, erkennen aber auch realistisch die Sorgen der Sprachdienstleister. Für sich selbst erwarten sie schrumpfende Budgets und einen Einflussverlust innerhalb des Unternehmens.

Universitäten leiden unter rückläufigen Studentenzahlen

Die Ausbildungseinrichtungen für Übersetzer und Dolmetscher verzeichnen einen massiven Rückgang der Studieninteressierten. Dieser setzte schon vor dem Aufkommen brauchbarer maschineller Übersetzungslösungen ein, wird durch die jüngsten Erfolge der Künstlichen Intelligenz noch verstärkt.

KI und MÜ verstärken Preisdruck

Unisono bekalgen die Umfrageteilnehmer den oft wahllosen Einsatz von Sprachtechnologien, insbesondere von künstlicher Intelligenz und maschineller Übersetzung. Dies geschieht, um Kosten zu sparen und menschliche Übersetzungsarbeit zu ersetzen oder zu minimieren, selbst dann, wenn die Technologie minderwertige Ergebnisse liefert.

Freiberufler erleben dieses Verhalten häufiger bei großen Sprachdienstleistern, was dieses Kundensegment für sie deutlich unattraktiver macht.

Kleine Büros und Freiberufler am härtesten betroffen

„Dennoch wäre zu weit gegriffen zu behaupten, dass in der Übersetzungsbranche alles den Bach runter geht. Der Abschwung trifft vor allem kleine Sprachdienstleister und Freiberufler hart. Anderen Untersuchungen zufolge sind die größeren internationalen Sprachdienstleister weniger betroffen“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Und diejenigen, die sich auf sprachbezogene Dienstleistungen (Dolmetschen, audiovisuelle Dienste) konzentrieren, die in den ELIS-Ergebnissen traditionell weniger vertreten sind, sollen sogar florieren.

Keine konjunkturelle Krise, sondern strukturelle Veränderung

Die Antworten der Umfrageteilnehmer lassen Ängste und Frustrationen erkennen. Offenbar befinden viele sich im Modus der Schadensbegrenzung und wissen noch nicht, was sie tun sollen, um aus der Misere herauszukommen.

Drei von vier der im Rahmen der ELIS-Studie befragten Unternehmen sind der Ansicht, dass es sich um keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle Veränderung der Branche handelt.

Zwar hat sich Deutschland durch eine verfehlte Wirtschafts- und Energiepolitik mit bewusster Deindustrialisierung in eine handfeste Rezession manövriert, aber weltweit betrachtet steckt die Übersetzungsbranche nicht in einer Wirtschaftskrise, sondern leidet unter den Begleiterscheinungen eines umfassenden Strukturwandels.

Einzelne Marktsegmente weniger oder gar nicht betroffen

Von den oben beschriebenen Umwälzungen ist vor allem der Bereich der Fachübersetzungen in den großen Weltsprachen betroffen, in dem die meisten Einzelübersetzer und Übersetzungsunternehmen ihr Geld verdienen. Dieser Bereich war Gegenstand der Studie.

Man sollte aber nicht vergessen, dass andere Marktsegmente davon weniger, kaum oder gar nicht betroffen sind. Hierzu zählt grundsätzlich das Dolmetschen (Konferenzdolmetschen, Gerichtsdolmetschen, Dialogdolmetschen), aber auch das Literaturübersetzen.

Als absolut krisenfest und konjunkturunabhängig erweist sich einmal mehr der Bereich des Gerichtsdolmetschens und -übersetzens, zu dem man im weiteren Sinn auch das Urkundenübersetzen zählen kann. Mehr als 25.000 Kolleginnen und Kollegen sind gerichtlich für das Dolmetschen beeidigt bzw. für Übersetzungen ermächtigt. Es handelt sich also um ein keineswegs kleines Marktsegment. Vor wenigen Tagen erst wurde eine Gesetzesänderung beschlossen, mit der die aktuellen Honorare von 85,00 Euro pro Stunde und 1,85 Euro pro Zeile um 9 Prozent angehoben werden.

Es scheint auch so zu sein, dass denjenigen Kolleginnen und Kollegen mit „kleineren“ Sprachen wie etwa Portugiesisch der Wind of Change noch nicht so stark ins Gesicht bläst wie bei anderen, die mit Englisch arbeiten.

Aufgabe der Berufs- und Branchenverbände

„Den Verbänden kommt in dieser Angelegenheit sicherlich eine wichtige Rolle zu“, schreiben die Organisatoren der Umfrage.“ Sie können und sollten ihren Mitgliedern helfen, sich für die Zukunft aufzustellen, indem sie Beratung, Schulungen und Vernetzungsmöglichkeiten anbieten. Darüber hinaus sind die Verbände am ehesten in der Lage, auf politische Entscheidungsträger einzuwirken, um Rahmenbedingungen für eine nachhaltig erfolgreiche Übersetzungsbranche in Europa zu schaffen.“

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