FTSK Germersheim: Studentenzahlen in 20 Jahren von 2.258 auf 862 gefallen – Rechnungshof kritisiert mangelnde Auslastung

FTSK Germersheim, Stufenhörsaal
Dass große Hörsäle wie dieser am FTSK Germersheim bei Lehrveranstaltungen bis auf den letzten Platz gefüllt waren, ist lange her. - Bild: Richard Schneider (2019)

Dass die Zahl der an den deutschen Hochschulen studierenden Jugendlichen demografisch bedingt allgemein zurückgeht, ist kein Geheimnis. Dass dies die Studiengänge für Übersetzer und Dolmetscher in besonderem Maße betrifft, ist branchenintern ebenfalls seit mehr als zehn Jahren bekannt, auch wenn die Institute und Fachbereiche das nie an die große Glocke gehängt haben.

Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz hat jetzt die weltweit größte universitäre Ausbildungseinrichtung für Übersetzer und Dolmetscher eingehend unter die Lupe genommen, den Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Universität Mainz in Germersheim. Dabei wurden detaillierte Zahlen zutage gefördert:

Studierendenzahlen FTSK Germersheim

Demnach ist die Zahl der Studierenden innerhalb von 20 Jahren stetig gefallen – von 2.258 auf 862. Das entspricht einem Rückgang um 62 Prozent.

Im Rahmen seines Jahresberichts 2025 kritisiert der Rechnungshof die mangelnde Auslastung des FTSK Germersheim. Man habe hinsichtlich der Mitarbeiterzahl eine „Einsparmöglichkeit von 28 Stellen ermittelt“.

Haupteingang FTSK Germersheim
Der Haupteingang der 1947 von der französischen Besatzungsmacht gegründeten „Staatlichen Dolmetscherhochschule“, die wenige Jahre später als eigenständiger Fachbereich in die 100 Kilometer weiter nördlich liegende Universität Mainz eingegliedert wurde. – Bild: Richard Schneider (2019)

In einem Artikel in der Regionalzeitung Die Rheinpfalz vom 18. Februar 2025 heißt es:

Der Landesrechnungshof in Speyer hat in seinem am Dienstag vorgelegten Jahresbericht eine Prüfung der Studiengänge für Übersetzen und Dolmetschen in Germersheim vorgelegt. An dem zur Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz gehörenden Fachbereich in der Pfalz seien die Studierendenzahlen sehr deutlich zurückgegangen: von mehr als 2250 vor 20 Jahren auf gerade noch 862 aktuell.

Die Kapazitäten würden nicht mehr ausgelastet, sagte Rechnungshofpräsident Marcel Hürter. In etwa einem Drittel der Kurse seien höchstens fünf Studierende.

Die Digitalisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz wirke sich stark auf die Berufsfelder von Übersetzern und Dolmetschern aus. Die Entfernung zum Hauptcampus in Mainz und der Trend zum Studium in größeren Städten mache es Germersheim zudem schwer.

Gegenüber der Zeitung betont Hürter jedoch: „Mir ist wichtig, dass das nicht in den falschen Hals kommt, ich habe nichts gegen Germersheim.“ Allerdings müssten sich die Landespolitik und auch das zuständige Wissenschaftsministerium Gedanken machen, weil der 2017 eingeleitete Reformprozess keine signifikante Verbesserung gebracht habe.

FTSK Germersheim
Der Neubau des FTSK Germersheim. Im Hintergrund ist der Altbau zu erkennen, ein ehemaliges Kasernengebäude. – Bild: Richard Schneider (2015)

Wesentliches Ergebnis der Prüfung

Kurz zusammengefasst bemängeln die Kontrolleure:

  • Die Zahl der Studierenden im Fachbereich 06 der Johannes Gutenberg-Universität Mainz am Standort Germersheim verringerte sich vom Wintersemester 2004/2005 bis zum Wintersemester 2024/2025 um 61,8 % von 2.258 auf 862 Studierende.
  • Im Sommersemester 2022 waren bei nahezu zwei Dritteln der Lehrveranstaltungen höchstens zehn Studierende angemeldet.
  • Dem Fachbereich standen mehr Mittel zur Verfügung, als dieser zur Finanzierung seiner Personalaufwendungen benötigte. Dadurch stiegen die Restmittel bis Ende 2022 auf über 1,8 Mio. € an.
  • Die sechs Jahre nach Beginn des Reformprozesses abgeschlossene Strukturvereinbarung enthielt keine hinreichend messbaren Ziele. Sie bildete daher keine angemessene Grundlage für eine Erfolgskontrolle.
  • Die Kapazitätsberechnungen für die Studiengänge des Fachbereichs waren nicht belastbar und damit für die Hochschulsteuerung nur bedingt geeignet.
  • Der Fachbereich wird auch in Zukunft Struktur- und Standortnachteile nur begrenzt beeinflussen können.
Dolmetschkabine Germersheim
Dolmetschtechnik in einer Dolmetschübungsanlage des FTSK Germersheim. – Bild: Richard Schneider (2019)

In einer Pressemitteilung des Rechnungshofs heißt es:

Mehr Angebot als Nachfrage am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der in Germersheim angesiedelte Fachbereich 06 bietet Studiengänge für Übersetzen und Dolmetschen in insgesamt 13 Sprachen an. Im Wintersemester 2024/2025 waren 862 Studierende eingeschrieben. Vor 20 Jahren waren es noch 2.258 gewesen.

Mit dem Rückgang der Studierendenzahlen wurden auch die Kurse immer kleiner. Im Sommersemester 2022 zählten 30 % der Kurse höchstens fünf Studierende.

Die Universität hatte aufgrund dieser Entwicklung 2017 einen Reformprozess eingeleitet. Im Zuge dessen wurden u. a. mehr sprachenübergreifende Veranstaltungen für die verschiedenen Studiensprachen ermöglicht. Nach der sechs Jahre nach Beginn des Reformprozesses abgeschlossenen Strukturvereinbarung hat der Fachbereich bis zum Jahr 2029 insgesamt drei Professuren und neun Stellen aus dem wissenschaftlichen Bereich abzugeben.

Mit dem Fachbereich Philosophie und Philologie am Campus in Mainz soll ein gemeinsames Lehrangebot geschaffen werden. Auch soll die Auslastung „signifikant“ verbessert werden. Was dies bedeutet, wurde jedoch nicht näher bestimmt, ebenso wenig wie die Konsequenzen, falls sich die Auslastung nicht verbessert.

Der Veränderungsdruck zur Abgabe von Stellen war in der Vergangenheit trotz stark rückläufiger Studierendenzahlen gering. Ein Grund war, dass das Personalbudget des Fachbereichs auf der Grundlage der verfügbaren Stellen ermittelt wurde. Daraus resultierten Restmittel, die sich bis Ende 2022 auf über 1,8 Mio. € summierten. Erst im Jahr 2023 kürzte die Universität die Restmittel des Fachbereichs aufgrund ihrer allgemeinen Haushaltssituation um 20 %.

Der Rechnungshof hat für die neuen Studiengänge eine rechnerische Einsparmöglichkeit von 28 Stellen ermittelt. Auch wenn die tatsächlichen Einsparmöglichkeiten u. a. von der konkreten Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals abhängen, ist ein Optimierungspotenzial von deutlich mehr als den geplanten zwölf Stellen erkennbar.

Bisherige Bemühungen des Fachbereichs, den Rückgang der Studierendenzahlen aufzuhalten, haben kaum gewirkt. Übersetzen und Dolmetschen sind stark von den Auswirkungen des digitalen Wandels und dem zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz betroffen. Die entsprechenden Berufsfelder befinden sich daher in einer Umbruchphase. Darüber hinaus wirkten sich die Entfernung zum Hauptcampus Mainz und der Trend zum Studium in größeren Städten negativ auf den Fachbereich aus.

Immatrikulationsfeier
Germersheimer Immatrikulationsfeier im Jahr 1950. – Bild: FTSK

Der 203 Seiten starke Jahresbericht 2025 des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz enthält auf den Seiten 145 bis 152 die vollständige Analyse, die wir nachfolgend ohne die Fußnoten wiedergeben:

*

Nr. 12

Fachbereich 06 – Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim

– großes Sprachenangebot – geringe Studiennachfrage –

1 Allgemeines

Der Fachbereich 06 Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (Fachbereich) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Universität) ist 100 km vom Hauptcampus Mainz entfernt in Germersheim angesiedelt. Das Studienangebot umfasste den Bachelorstudiengang Translation sowie den Masterstudiengang Translation. Zudem war die Einführung eines weiteren kulturwissenschaftlichen Bachelorstudiengangs geplant. Insgesamt wurden 13 Studiensprachen angeboten. Aufgrund der in den vergangenen Jahren stetig zurückgehenden Studierendenzahlen leitete die Universität im Jahr 2017 einen Reformprozess ein.

Der Rechnungshof hat die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Fachbereichs der Jahre 2018 bis 2022 stichprobenweise geprüft. Darüber hinaus hat er die zwischen Präsidium der Universität und Fachbereich Ende September 2023 geschlossene Strukturvereinbarung sowie die neue Kapazitätsberechnung für das Studienjahr 2023/2024 in die Prüfung einbezogen.

2 Wesentliche Prüfungsergebnisse

2.1 Vermeidbare Doppelangebote und sehr kleine Gruppen

Die Zahl der Studierenden im Fachbereich entwickelte sich wie folgt:

Entwicklung der Studierendenzahlen

Studierendenzahlen FTSK Germersheim

Vom Wintersemester 2004/2005 bis zum Wintersemester 2024/2025 sank die Zahl der Studierenden um 61,8 % von 2.258 auf 862.

Mit dem Rückgang der Studierendenzahlen verringerte sich auch die Zahl der Teilnehmenden je Lehrveranstaltung, obwohl das Kursangebot ebenfalls reduziert wurde. Im Sommersemester 2022 waren bei 30 % der Kurse höchstens fünf und bei fast zwei Dritteln höchstens zehn Studierende angemeldet.

In mehreren Fällen wurden Lehrveranstaltungen doppelt durchgeführt, obwohl dies aufgrund der Zahl der Teilnehmenden nicht geboten war.

Kleine Gruppen ermöglichen zwar eine individuelle Betreuung. Die Universität hat jedoch auch ihre Ressourcen wirtschaftlich einzusetzen.

Die Universität hat erklärt, bis zur vollständigen Abwicklung der alten Studiengänge sei noch mit diversen sehr kleinen Gruppen zu rechnen, da die Studierenden ein Recht auf ein Studienangebot im gewählten Studiengang hätten. Durch die in Umsetzung befindliche Studiengangreform werde die Zahl der fächerübergreifenden Lehrveranstaltungen mit größeren Gruppen zunehmen. Die Begründung thematisch gleicher Parallelveranstaltungen werde kontinuierlich geprüft. Der Hinweis des Rechnungshofs, ggf. zu hohe Personalkapazitäten abzubauen, werde unter der Maßgabe der arbeitsvertraglichen bzw. beamtenrechtlichen Rahmenbedingungen beachtet.

2.2 Rückläufige Studierendenzahlen und hohe Restmittel weitgehend ohne Einfluss auf das Personalbudget

Im Jahr 2022 verfügte der Fachbereich zur Finanzierung seiner Aufwendungen über Mittel in Höhe von 10,8 Mio. €. Davon entfielen 9,3 Mio. € auf das Personalbudget.

Die Universität ermittelte das jährliche Personalbudget auf der Grundlage der dem Fachbereich zur Verfügung stehenden Stellen, unabhängig davon, ob diese besetzt oder über einen längeren Zeitraum vakant waren. Obgleich bei der internen Mittelverteilung nur 91,5 % des kalkulierten Personalbudgets zugrunde gelegt wurden, verblieben aufgrund unbesetzter Stellen am Ende des Jahres erhebliche Restmittel, die jeweils in das Folgejahr übertragen wurden. Dies führte – trotz zum Teil anderweitiger Verwendungen – zu einem Anstieg der Restmittel des Personalbudgets auf über 1,8 Mio. € bis Ende 2022.

Trotz der stark zurückgehenden Studierendenzahlen bestand für die Reduzierung des Personalbestandes in dieser Zeit damit kein hinreichender Veränderungsdruck.

Erst im Jahr 2023 kürzte die Universität die Restmittel des Fachbereichs aufgrund ihrer allgemeinen Haushaltssituation um 20 %.

Die Universität hat ausgeführt, sie verfolge das Ziel, die Fachbereiche für den auch im Globalhaushalt geltenden Grundsatz der Jährlichkeit (wieder) zu sensibilisieren. Hierzu seien im Jahr 2023 alle Fachbereiche hinsichtlich der Restmittel aus den laufenden Landeszuschüssen für Personal, Forschung und Lehre sowie sogenannte „Rücklagen“ überprüft worden. Diese seien im weit überwiegenden Anteil für konkrete Zielsetzungen, beispielsweise für Beteiligungen an den Ausstattungszusagen bei Berufungen oder Beschäftigungsverhältnissen zur Überbrückung, vorgesehen. Darüber hinaus plane sie, bei den Jahresübernahmen 2024/2025 sowie 2025/2026 konkrete Beträge für den Abbau von Restmitteln vorzugeben. Bei Nicht-Erreichen solle der übersteigende Betrag eingezogen werden.

2.3 Strukturreform mit später Strukturvereinbarung und teilweise ohne hinreichend konkrete Ziele

Die Universität setzte zur institutionellen Evaluation das sogenannte Mainzer Modell ein. Dieses sieht nach dem Entscheidungsprozess im Fachbereich eine in- und externe Evaluation sowie die Zielvereinbarung zwischen Fachbereich und Hochschulleitung auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse vor.

Nach Beginn der Reformüberlegungen im Jahr 2017 und den Evaluationen im Folgejahr setzte der Fachbereich seinen Reformprozess zunächst ohne Zielvereinbarung fort. Erst Ende September 2023 schloss das Präsidium mit dem Fachbereich eine Strukturvereinbarung, mit der die Zielvereinbarung aus dem Jahr 2008 abgelöst wurde.

Die neue Strukturvereinbarung gilt von Oktober 2023 bis Ende 2026. Danach hat der Fachbereich aufgrund der Umverteilungserfordernisse in der Gesamtuniversität und seiner Auslastungssituation bis 2029 drei Professuren und neun Stellen aus dem wissenschaftlichen Bereich abzugeben. Des Weiteren soll er eine grundlegende Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 05 Philosophie und Philologie der Universität in Studium und Lehre aufbauen, mit dem Ziel, ein gemeinsames Lehrangebot zu schaffen. Darüber hinaus strebt er eine signifikante Verbesserung seiner Auslastung an. Er prüft die Nachfrage nach den einzelnen Sprachen und entwickelt ggf. sein Sprachenkonzept weiter. Ein Monitoring der Vereinbarung ist im Rahmen der jährlichen Kapazitätsgespräche geplant.

Der Rechnungshof nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass aufgrund der Strukturvereinbarung die Abgabe von Stellen und eine Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 05 in Studium und Lehre vorgesehen ist. Allerdings sollen während der Laufzeit der Vereinbarung bis Ende 2026 von den vereinbarten zwölf Stellen lediglich 4,5 Stellen (davon eine W 1-Professur) abgebaut werden. Ob beispielsweise bei einem ungeplanten Ausscheiden von Personal Einsparungen bereits vorzeitig umzusetzen sind, blieb ungeregelt. Zudem ist nicht nachvollziehbar, inwieweit bei der Vereinbarung die Auswirkungen der eingeleiteten Studienreformen, die tatsächliche Stellenbesetzung und die Auslastungssituation konkret berücksichtigt wurden. Ferner wurde nicht ausreichend bestimmt, was unter „signifikanter Verbesserung“ der Auslastungssituation zu verstehen ist und welche Konsequenzen zu ziehen sind, wenn sich diese nicht einstellt. Mangels messbarer Ziele hierzu kann keine angemessene Erfolgskontrolle durchgeführt und der Zielerreichungsgrad nicht beurteilt werden.

Die Universität hat mitgeteilt, die Strukturvereinbarung ziele darauf ab, die vorgesehenen Monitoringgespräche dafür zu nutzen, frühzeitig auf Entwicklungen zu reagieren und mögliche Einsparungen unmittelbar zu realisieren. Die geplante Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 05 werde evaluiert. Grundsätzlich würden der Hochschulleitung jährlich aktuelle Auslastungszahlen zur Verfügung gestellt, die ein datengestütztes Monitoring der Fachbereichsentwicklung ermöglichten. Belastbare Zahlen über die Entwicklung der Nachfrage nach den neuen Angeboten seien allerdings erst nach einigen Semestern zu erwarten. Sie hat zugesagt, die Zahlen für das Jahr 2024 nachzureichen und zum Strukturgespräch zu gegebener Zeit zu berichten.

2.4 Einsparungen über die Strukturvereinbarung hinaus möglich

Im Rahmen des Reformprozesses hat der Fachbereich seine Studiengänge überarbeitet. Der neue Bachelorstudiengang Translation verfügt über einen höheren sprachenübergreifenden Anteil, wodurch mehr gemeinsame Lehrveranstaltungen für die verschiedenen Studiensprachen möglich sind. Der Bachelorstudiengang startete zum Sommersemester 2023, der Masterstudiengang Translation zum Wintersemester 2023/2024. Konkrete Planungen zum Personalbedarf für die neuen Studiengänge wurden nicht vorgelegt. Der Rechnungshof ermittelte deshalb auf der Grundlage der Modulhandbücher den für die Durchführung der neuen Studiengänge erforderlichen Lehrbedarf. Unter Zugrundelegung der Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals im Sommersemester 2022 und dessen durchschnittlichen Lehrdeputats errechnete sich ein Personalbedarf von 65,2 Vollzeitäquivalenten (VZÄ).

Im Fachbereich waren 93,5 Stellen für wissenschaftliches Personal vorhanden. Damit könnte der Umfang der Stellen rein rechnerisch um 28,3 VZÄ reduziert werden. Die tatsächlichen Einsparmöglichkeiten sind allerdings von der jeweiligen Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals und der Höhe seines Lehrdeputats abhängig.

Gleichwohl sieht der Rechnungshof vor diesem Hintergrund über die in der Strukturvereinbarung vorgesehene Einsparung von zwölf Stellen hinaus ein weiteres Optimierungspotenzial. Daraus folgt die Notwendigkeit, Stellennachbesetzungen kritischer als bisher zu hinterfragen.

Die Universität hat erklärt, auch diesen Hinweis des Rechnungshofs im Rahmen der weiterhin anstehenden Strukturgespräche zu berücksichtigen.

2.5 Belastbare Kapazitätsberechnungen für die Hochschulsteuerung notwendig

Hochschulen sind verpflichtet, „Zulassungszahlen (…) so festzusetzen, dass unter Berücksichtigung der personellen, räumlichen, sächlichen und fachspezifischen Gegebenheiten eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazität erreicht wird; (…)“.14 Mit der Kapazitätsberechnung wird die jährliche Aufnahmekapazität ermittelt, d. h. die Zahl der Studienplätze für jeden Studiengang.

Die Universität legte die Aufnahmekapazität für das Studienjahr 2020/2021 auf 2.301 Studienplätze fest. [Fußnote 16: Davon entfielen 1.423 Studienplätze auf den Bachelorstudiengang Sprache, Kultur, Translation, 704 auf den Masterstudiengang Translation und 174 auf den Masterstudiengang Konferenzdolmetschen.] Bei der Berechnung ging sie teilweise von kapazitätserhöhenden Annahmen (z. B. großen Gruppen) aus, die nicht sachgerecht waren.

Im Oktober 2023 berechnete sie die Kapazität für das Studienjahr 2023/2024 unter Berücksichtigung der Studienreformen des Fachbereichs neu. Sie unterschied dabei erstmals zwischen einer sprachenübergreifenden Lehreinheit „Translation“ und den einzelnen Studiensprachen und ordnete diesen Stellen des Lehrpersonals bzw. entsprechende Deputate zu. Auf dieser Basis ermittelte sie eine Aufnahmekapazität für das Studienjahr 2023/2024 von insgesamt 589 Studienplätzen. [Fußnote 17: Davon entfielen 278 Studienplätze auf den Bachelor- und 311 auf den Masterstudiengang.]

Die erhebliche Verringerung der Zahl der Studienplätze gegenüber früheren Berechnungen war nur teilweise nachvollziehbar. Sie resultierte insbesondere daraus, dass der Lehreinheit „Translation“ im Vergleich zu den Lehreinheiten in den einzelnen Sprachen insgesamt zu wenig Lehrdeputate zugeordnet wurden. Rein rechnerisch war daher die Summe der Studienplätze in den einzelnen Sprachen erheblich höher als in der Lehreinheit „Translation“.

Die Universität hat zugesagt, die Stellenzuordnungen zur Lehreinheit „Translation“ konsequent fortzuführen und die fortgeschriebene Kapazitätsrechnung einschließlich der Auslastungskennziffern für das neue Studienjahr zu übermitteln.

2.6 Struktur- und standortspezifische Faktoren – ein Risiko für den Erfolg des Reformprozesses

Der Fachbereich hat bereits in der Vergangenheit Anstrengungen unternommen, den Rückgang der Zahl der Studierenden durch Studienreformen sowie durch Marketingmaßnahmen aufzuhalten. Diese Bemühungen haben bisher nur eine begrenzte Wirkung erzielt.

Für die rückläufige Entwicklung der Studierendenzahlen am Standort Germersheim bestehen sowohl struktur- als auch standortspezifische Gründe. Hervorzuheben ist u. a.:

  • Die Fachdisziplinen Übersetzen und verstärkt auch Dolmetschen sind in besonderem Maße von den Auswirkungen des digitalen Wandels und des zunehmenden Einsatzes Künstlicher Intelligenz betroffen. Die entsprechenden Berufsfelder befinden sich in einer Umbruchphase. Zugleich stieg die Zahl konkurrierender Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich fremder Sprachen und Kulturen stetig.
  • Die Organisation als eigener Fachbereich am Standort Germersheim war für eine Weiterentwicklung sowie für eine engere Anbindung an den Hauptcampus Mainz nicht förderlich. Ein interdisziplinärer Austausch und Wettbewerb fehlte.
  • Daneben bestehen standortbezogene Nachteile insbesondere durch die große Entfernung zum Hauptcampus in Mainz sowie den Trend zum Studium in größeren Städten.

Die Universität hat ausgeführt, sowohl die Verschränkung des Studienangebots mit dem Fachbereich 05 als auch eine Weiterentwicklung des Sprachenkonzepts zielten explizit auf den effektiven Einsatz der Ressourcen ab. Die sich teils widersprechenden Anforderungen der Sicherstellung des Studienangebots, der Wirtschaftlichkeit und der Steigerung der Attraktivität des Studienangebots werde sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten steuern, u. a. durch die Strukturvereinbarung. Die hiermit zu bewirkenden Veränderungen müssten abgewartet werden, um daraus die nächsten Handlungen ableiten zu können. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass das Hochschulgesetz (HochSchG) die Zuständigkeit für die Gestaltung des Lehrangebots dem Fachbereich übertragen habe, weshalb dem Präsidium keine Schlussentscheidung obliege. Das Sprachangebot solle im Rahmen von Zwischen- und Monitoring-Gesprächen regelmäßig geprüft werden. Dabei werde selbstverständlich die Nachfrage eine wesentliche Rolle einnehmen.

Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit hat erklärt, gemäß § 8 HochSchG sei die Hochschulentwicklung Aufgabe sowohl der Hochschulen als auch – im Hinblick auf die Gesamtverantwortung – des zuständigen Ministeriums. Im Hinblick auf diese Doppelverantwortung betrachte es die Hochschulentwicklung als einen dialogorientierten Prozess. Ungeachtet dessen seien staatliche Hochschulen natürlich in der Landesverantwortung und damit auch mit Landesinteressen verbundener Hochschulentwicklung verwoben. Dies werde in dem dialogorientierten Prozess auch zum Tragen kommen. In den bisherigen Entwicklungsgesprächen mit der Universität bestehe in dieser Hinsicht kein Dissens hinsichtlich der Integration des Standortes Germersheim bei der Hochschulentwicklung der Universität.

Der Rechnungshof begrüßt die eingeleiteten Maßnahmen, merkt allerdings an, dass bereits in der Vergangenheit Anstrengungen zur Erhöhung der Studierendenzahlen unternommen wurden und Struktur- und Standortnachteile in Germersheim nur begrenzt beeinflussbar sind. Er weist auf die Empfehlung des Wissenschaftsrats hin, die Einrichtung und Unterhaltung von Studiengängen an quantitative Mindestvoraussetzungen zu knüpfen, z. B. 20 Studienanfängerinnen und -anfänger pro Jahr. Entsprechendes könnte für die Fortführung einzelner Sprachen überlegt werden. Sofern sich die Auslastung nicht maßgeblich verbessert, sollten daher weitergehende Überlegungen angestellt werden, wie z. B. die Überprüfung der Studienangebote, weitere standortübergreifende Kooperationen, eine organisatorische Neuordnung, bis hin zur Verknüpfung der Finanzierung des Fachbereichs mit konkreten Zielen unter Angabe von Meilensteinen und Kriterien.

2.7 Nachweise der Lehrenden zur Erfüllung der Lehrverpflichtung fehlten

2.7.1 Nachweis der Erfüllung der Lehrverpflichtung

Jede und jeder Lehrende hat die Erfüllung der individuellen Lehrverpflichtung gegenüber der Dekanin oder dem Dekan nachzuweisen. Diese prüfen, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Lehrleistungen vorliegen und rechnen die entsprechenden Lehrveranstaltungsstunden an. Die Hochschule regelt, in welcher Form die Erfüllung der Lehrverpflichtung innerhalb der Hochschule dokumentiert wird.

An der Universität legten die Fachbereiche die Abfrage und die Form des Nachweises fest. Im Fachbereich wies das in einer Excel-Liste geführte „Deputats-Monitoring“ nur die Soll- und Ist-Deputate der Lehrenden aus. Die einzelnen Lehrveranstaltungen waren im Campusmanagementsystem der Universität erfasst. Nachweise der Lehrenden über die erbrachten Lehrleistungen eines Semesters lagen nicht vor. Eine Prüfung und Anrechnung der Lehrveranstaltungsstunden durch die Dekanin war nicht dokumentiert. Deputatskonten, die den Stand der Erfüllung der Lehrverpflichtung im Ausgleichszeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Studienjahren und ggf. darüber hinaus bestehende Mehrleistungen auswiesen, wurden nicht vorgelegt.

Die Universität hat angekündigt, ab dem Sommersemester 2025 ein Deputatsmonitoring einzuführen. Im Anschluss an die Pilotphase sei die Ausweitung auf die gesamte Universität für das Wintersemester 2025/2026 geplant. Vorausgegangen sei ein Pilotprojekt im Sommersemester 2023 zur Deputatserfassung in ausgewählten Fächern und Fachbereichen, bei dem deutlich geworden sei, dass das Deputatsmonitoring zu komplex für eine Umsetzung mithilfe von Excel-Dateien sei. Daher sei eine Lösung erarbeitet worden, die auf der Verknüpfung mit dem Campusmanagementsystem und den dort vorliegenden Informationen zu Lehrveranstaltungen, Veranstaltungsarten, Semesterwochenstunden und Lehrenden basiere. Die entsprechende Funktionserweiterung des Campusmanagementsystems sei beauftragt worden. Die Universität hat zugesagt, den Einsatz von Übergangslösungen zum Nachweis der Erfüllung der Lehrverpflichtung zu prüfen.

2.7.2 Sonderformen der Lehre

Lehrveranstaltungen, die nicht in Studienplänen und Prüfungsordnungen vorgesehen sind, können bei der Erfüllung der Lehrverpflichtung berücksichtigt werden, wenn alle nach den Studienplänen und Prüfungsordnungen vorgesehenen Lehrveranstaltungen eines Faches angeboten werden.

Bei den im Prüfungszeitraum zum Einsatz kommenden Lehrformaten wies der Fachbereich zwei Besonderheiten auf:

Ab dem Sommersemester 2021 wurden im Rahmen einer Projektwoche verschiedene interdisziplinäre Lehrveranstaltungen durchgeführt. Um Lehrenden und Studierenden eine Teilnahme daran zu ermöglichen, wurde während der Projektwoche der reguläre Lehrbetrieb bis auf wenige Ausnahmen unterbrochen. Ausgefallene Lehrveranstaltungen wurden nicht nachgeholt. Die Beteiligung an der Projektwoche war im Sommersemester 2022 mit 16 % der hauptberuflich Lehrenden und einem Fünftel bei den Studierenden vergleichsweise gering.

Im Sommersemester 2024 fand die Projektwoche vor dem Beginn der Vorlesungszeit statt. Die Universität hat zugesagt, die Auswirkungen der zeitlichen Änderung auszuwerten und zu gegebener Zeit darüber zu berichten.

Bei den im Sommersemester 2022 im Studieninformationssystem erfassten 17 Kolloquien handelte es sich häufig um die Betreuung von Abschlussarbeiten, die grundsätzlich nicht auf das Deputat angerechnet werden dürfen. Teilweise fehlten auch wesentliche Informationen wie z. B. Kurstermine oder Angaben zu den Teilnehmenden. Eine Prüfung der Anrechenbarkeit als Lehrveranstaltung war nicht erkennbar.

Die Universität hat mitgeteilt, der Hinweis des Rechnungshofs, wonach die Voraussetzungen für eine Anrechnung von Lehrveranstaltungen auf das Deputat zu prüfen seien und eine Berücksichtigung der Betreuung von Abschlussarbeiten nicht möglich sei, werde beachtet. Das Deputatsmonitoring werde die verschiedenen Lehrveranstaltungsformate und ihre Anrechnung auf das Deputat (Anrechnungsfaktor) ausweisen. Die Funktionserweiterung werde zwar auch die Zählung der betreuten Abschlussarbeiten erlauben, jedoch ohne einen Zusammenhang mit einer Anrechnung auf das Deputat herzustellen.

3 Folgerungen

3.1 Zu den nachstehenden Forderungen wurden die gebotenen Folgerungen bereits gezogen oder eingeleitet:

Der Rechnungshof hatte gefordert,

a) Maßnahmen zur Reduzierung der Zahl von Lehrveranstaltungen mit geringen Teilnehmerzahlen zu ergreifen,
b) Restmittelbestände regelmäßig zu überprüfen und nur bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen,
c) die Monitoringgespräche zwischen Hochschulleitung und dem Fachbereich zu nutzen, frühzeitig auf Entwicklungen zu reagieren und mögliche Einsparungen unmittelbar zu realisieren,
d) über die Strukturvereinbarung hinaus weitere Stellen einzusparen und hierzu die Notwendigkeit von Stellennachbesetzungen kritischer als bisher zu hinterfragen sowie eine angemessene Begründung des Bedarfs einzufordern,
e) die Kapazitätsberechnung für den Fachbereich weiterzuentwickeln, um belastbare Informationen für die Hochschulsteuerung zu liefern,
f) geeignete Maßnahmen für eine wirtschaftlichere Durchführung der Studiengänge zu treffen und Studienangebote bei einer weiterhin niedrigen Auslastung der Sprachen am Standort Germersheim zu hinterfragen,
g) die Vorgaben der HLehrVO zu beachten, insbesondere ein einheitliches Verfahren zum Nachweis der Erfüllung der Lehrverpflichtung zu regeln,
h) sicherzustellen, dass die Lehrenden die Erfüllung ihrer Lehrverpflichtung nachweisen und nur berücksichtigungsfähige Lehrveranstaltungsstunden angerechnet werden,
i) die Durchführung der Projektwoche zu überprüfen.

3.2 Folgende Forderung ist nicht erledigt:

Der Rechnungshof hat gefordert, über die Ergebnisse der eingeleiteten Maßnahmen zu Nr. 3.1 Buchstaben c bis i zu berichten.

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