Depression bei Schwangeren kann Sprachentwicklung stören

Depressionen während der Schwangerschaft können Einfluss haben auf die Sprachentwicklung von Neugeborenen. Zu diesem Schluss gelangen kanadische Forscher der University of British Columbia in Vancouver aufgrund einer Studie mit 85 Schwangeren und ihren Kindern. So verzögert laut der Studie eine unbehandelte Depression der Mutter die Sprachentwicklung bei Säuglingen. Antidepressiva können jedoch einer solchen Entwicklung entgegenwirken.

Normalerweise reagieren Babys im Alter von sechs bis acht Monaten verstärkt auf typische Laute ihrer Muttersprache. Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft unter einer Depression zu leiden hatten, befänden sich jedoch bis zu vier Monate später als gewöhnlich in dieser sensiblen Phase. Dies berichteten die Wissenschaftler in dem Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences. Nahmen die Mütter hingegen Antidepressiva ein, verschob sich diese Phase nach vorne. Darüber hinaus reagierten Ungeborene, die Antidepressiva ausgesetzt waren, anders auf Sprachgeräusche als Kinder gesunder Frauen. „Diese Studie ist eine der ersten, die zeigt, wie sich mütterliche Depression und ihre Behandlung auf die zeitliche Entwicklung der Sprache bei Säuglingen auswirkt“, erklärt Studienleiterin Janet Werker (Bild rechts). Unklar sei allerdings noch, ob diese zeitlichen Verschiebungen bleibende Folgen für die Sprachentwicklung haben.

In der Studie untersuchten die Wissenschaftler drei Gruppen von Säuglingen. 32 Mütter dieser Kinder hatte während der Schwangerschaft an einer Depression gelitten, wurde allerdings nicht behandelt. 32 weitere Mütter hatten gegen dieses Leiden Antidepressiva in Form sog. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SRI) eingenommen. 21 Kinder hatten gesunde Mütter und dienten lediglich als Kontrollgruppe. Bei allen Kindern im Alter von sechs und zehn Monaten testeten die Forscher, wie sich Herzschlag und Augenbewegungen veränderten, wenn die Kinder typische Laute ihrer Muttersprache hörten.

Die sechs Monate alten gesunden Kinder reagierten wie erwartet. Im Alter von zehn Monaten war diese Phase bereits abgeschlossen und die Reaktion blieb aus. Kinder depressiver Mütter zeigten aber erst mit zehn Monaten eine Reaktion auf die Laute. Dies sei ein Zeichen dafür, so die Forscher, dass sich die sensible Phase bei diesen Kindern nach hinten verschiebe. Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft Antidepressiva eingenommen hatten, reagierten weder mit sechs noch mit zehn Monaten auf die Muttersprache. Offenbar sei bei ihnen diese Phase der Sprachentwicklung mit sechs Monaten abgeschlossen.

Des Weiteren untersuchten die Forscher bei 34 Schwangeren den Herzschlag ihrer Ungeborenen, wenn diese laut ihre Muttersprache hörten. „In diesem Alter reagieren Föten normalerweise auf Vokale wie a oder i mit beschleunigtem Herzschlag, nicht aber auf Konsonanten“, sagen die Forscher. Dieses Verhalten sei auch bei Ungeborenen gesunder Mütter zu beobachten. Nahmen die Schwangeren jedoch Antidepressiva ein, reagierten die Föten im Mutterleib auch auf Konsonanten. Dies verdeutliche, dass sich die Medikamente gegen Depressionen beschleunigend auf die Sprachentwicklung der Kinder auswirkten, so die kanadischen Forscher.

„Diese Ergebnisse bestätigen, wie wichtig Umwelteinflüsse im Mutterleib für die Entwicklung des Kindes sind“, sagt Studienleiterin Janet Werker. Sie zeigten ferner, dass es wichtig sei, auch psychische Krankheiten wie eine Depression bei Schwangeren zu behandeln.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: welt.de, 09.10.2012. Bild: www.psych.ubc.ca.]