Soloselbstständige von „Neustarthilfe“ enttäuscht: Zu wenig, zu spät und falsch gedacht

Andreas Lutz
Der promovierte Diplom-Kaufmann Andreas Lutz hat 2012 den VGSD gegründet und ist seitdem dessen Vorstandsvorsitzender. - Bild: Thomas Dreier

Nach Ansicht des Verbandes der Gründer und Selbstständigen (VGSD) hat die Bundesregierung mit ihrer „Neustarthilfe“ für Soloselbstständige die Chance vertan, die Situation zu befrieden.

Die am 13.11.2020 von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz beschlossene „Neustarthilfe“ will Soloselbstständige mit einmalig 5.000 Euro unterstützen, die für die sieben Monate von Dezember 2020 bis Juni 2021 gedacht sind.

Erste Hilfe, die bei Soloselbstständigen wirklich ankommt?

Eigentlich könnte die Neustarthilfe für viele Betroffene die erste Maßnahme sein, die wirklich ankommt – wenn sie denn in zwei bis drei Monaten ausbezahlt wird.

Frühere Hilfen wie die „Soforthilfe“ und die „Überbrückungshilfe“ müssen sie nämlich entweder zurückzahlen oder haben sie gar nicht erst erhalten, weil sie sich auf Kostenarten beziehen, die bei Soloselbstständigen geringes Gewicht haben. Die angekündigte „Novemberhilfe“ wiederum ist auf bestimmte Branchen begrenzt.

Betroffene abermals enttäuscht

Im neunten Monat der Krise also endlich wirksame Hilfen? „Leider werden die Betroffenen von der Regierung abermals enttäuscht“, sagt Andreas Lutz vom VGSD, der sich seit Monaten für einen Unternehmerlohn einsetzt. „Im Verhältnis zu dem finanziellen Schaden, der ihnen ja letztlich zum Schutz der Allgemeinheit aufgebürdet wird, sind 714 Euro pro Monat zu wenig.“

Und weiter: „Seit Beginn der Krise sind zudem fast neun Monate vergangen. Über den Gesamtzeitraum gerechnet erhalten die Betroffenen aus der Neustarthilfe also gerade einmal 313 Euro pro Monat, auf die dann auch Steuern und Beiträge zu zahlen sind. Zugleich ist die Hilfe so ausgestaltet, dass sie andere Hilfen bis auf die Grundsicherung ausschließt.“

Baden-Württemberg gewährt 1.180 Euro Unternehmerlohn

Lutz versteht nicht, dass man sich nicht am Beispiel von Baden-Württemberg orientiert hat. „Dort blieb man mit 1.180 Euro Unternehmerlohn zwar deutlich hinter anderen EU-Ländern zurück, und der Betrag reicht in Großstädten oft noch nicht einmal für die Miete, aber damit hätte man die Situation befrieden können. Diese Chance wurde von der Regierung vertan. Dass sie der Regierung noch nicht einmal für die Zukunft diesen Betrag wert sind, verbittert viele Selbstständige.“

Kein Kurzarbeitergeld und oft auch kein Arbeitslosengeld

Zum Vergleich: Das Kurzarbeitergeld beträgt bis zu 3.755 Euro – pro Monat. Es ist keineswegs mehr beitragsfinanziert, sondern wird seit Herbst aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Und Selbstständige, die über viele Jahre freiwillig in gleicher Höhe wie Angestellte in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben, erhalten kein Kurzarbeitergeld – in der Corona-Krise oft noch nicht einmal Arbeitslosengeld.

Politiker sehen Soloselbstständige als Lebenskünstler und prekäre Existenzen

Nach Ansicht des VGSD und vieler anderer Selbstständigenverbände setzt sich mit der Neustarthilfe ein Problem fort, das sich durch alle bisherigen Maßnahmen der Regierung wie ein roter Faden zieht:

„Die verantwortlichen Politiker sehen Soloselbstständige als (Lebens-)Künstler und prekäre Existenzen. Von diesem Zerrbild ausgehend ist die Neustarthilfe gedacht. Wer Hartz IV bezieht, wird sich über den zusätzlichen finanziellen Spielraum freuen. Er kann für vom Jobcenter nicht anerkannte, aber bei Selbstständigen notwendige Ausgaben verwendet werden, wie z. B. die Akquise neuer Kunden.“

Mehrheit muss Honorarausfälle aus Altersvorsorge bestreiten

Die große Mehrheit der Soloselbstständigen und ihre Familien habe aber keinen Anspruch auf Grundsicherung, weil sie privat für ihr Alter vorgesorgt haben. Sie müssen die durch staatliche Maßnahmen verursachten Honorarausfälle deshalb aus ihrer Altersvorsorge tragen – oft unter zusätzlichen Verlusten, weil sie dafür Vertragsstrafen in Kauf nehmen müssen. Lutz: „Die Neustarthilfe ist angesichts dessen viel zu niedrig, sie kommt zu spät und geht einmal mehr an unserer Lebensrealität vorbei.“

Über den VGSD

Der Verband der Gründer und Selbstständigen e. V. (VGSD) mit Sitz in München vertritt die Interessen von Solo- und Kleinstunternehmern, Gründern sowie Teilzeit-Selbstständigen. Der 2012 gegründete Verband zählt aktuell rund 5.800 Vereins- und 15.500 Communitymitglieder.

Die Mitglieder kommen aus allen Branchen. Besonders hoch ist der Anteil von Wissensarbeitern und „neuen Berufen“. So ist der VGSD unter anderem der größte Verband von IT-Selbstständigen und Beratern in Deutschland.

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