Eine erfreuliche Bilanz kann die Frankfurter Buchmesse ziehen. Im Jahr 2003 kamen mehr Aussteller (6.638 aus 102 Ländern, +4 %) und mehr Besucher (288.887, +8,7 %). Über 335.000 Titel wurden präsentiert, davon rund ein Viertel zum Gastland Russland. Rund 1.000 Autoren suchten den persönlichen Kontakt zu ihren Lesern.
Messechef Volker Neumann wertet das als „ein deutliches Zeichen für den wieder erwachten Optimismus in der Branche“. Unter anderem mit dem Übersetzer-Zentrum habe die Messe wichtige neue Impulse erhalten. Allerdings hätten sich die Übersetzer wie auch manche Verlage vom Lärm ihrer Nachbarn gestört gefühlt. (Das Übersetzer-Zentrum befand sich in derselben Halle wie das Messekino mit seinem Super-Duper-HiFi-Stereo-Dolby-Surround-Sound.)
Eva Soria Barres von der Messegesellschaft war für die Organisation des Übersetzer-Zentrums zuständig. Nach ihren Angaben wurde der Treffpunkt zur Kontaktaufnahme zwischen Übersetzern und Verlegern bzw. Kollegen „begeistert angenommen“. Das Ziel, Übersetzer stärker in den Dialog zwischen Schriftstellern und Verlagen einzubinden, sei erreicht worden.
Die Buchmesse wolle diese Initiative fortsetzen und plane unter www.buchmesse.de eine Online-Übersetzerdatenbank, die das ganze Jahr über die Kontaktaufnahme zwischen Verlagen, Autoren und Übersetzern erleichtern soll. Dort sollen die Profile derjenigen Übersetzer präsentiert werden, die sich für das Übersetzer-Zentrum akkreditiert haben. Von dieser Möglichkeit haben im Vorfeld und während der Messe bereits mehrere hundert Kolleginnen und Kollegen Gebrauch gemacht. Die Akkreditierung ist auch jetzt noch möglich (siehe www.buchmesse.de).
Als Erfolg wertet Eva Soria Barres auch die Tatsache, dass man die Aufmerksamkeit der Medien auf die bisher wenig beachteten Belange der Literaturübersetzer lenken konnte. Das Übersetzerportal hat durch seine tägliche Medienbeobachtung festgestellt, dass schon in vielen Vorberichten zur Messe auf das Übersetzer-Zentrum hingewiesen wurde, weil es etwas Neues war. Dieser Neuheiten-Bonus fällt ab dem nächsten Jahr allerdings weg.
Auch Helga Pfetsch ist mehr als zufrieden. Die Vorsitzende des rund 1.000 Mitglieder vertretenden Literaturübersetzerverbandes VdÜ, der bei der inhaltlichen Ausgestaltung federführend war, meint gegenüber dem Übersetzerportal: „Das Übersetzer-Zentrum war ein voller Erfolg! Es wurde von unseren Mitgliedern sehr gut angenommen. Die Buchmessenleitung hat signalisiert, dass es auch im nächsten Jahr wieder ein Übersetzer-Zentrum geben soll. Wir möchten gern noch den internationalen Charakter stärker als dieses Jahr betonen. Auch könnte ich mir vorstellen, dass Verlage mit Lesungen von Autoren und ihren Übersetzern zu uns ins Übersetzer-Zentrum kommen könnten. Sicher ist es auch möglich, Informationen über das Übersetzer-Zentrum noch
etwas früher und breiter an das Fachpublikum der Buchmesse weiterzugeben.“
Dieser positiven Einschätzung kann sich der BDÜ nur anschließen. Der mit mehr als 5.000 Mitgliedern größte Verband für (überwiegend technische) Übersetzer stellte sowohl Standbetreuer als auch einige Referenten für das fast 30 Veranstaltungen umfassende Vortragsprogramm. Gabriele Matthey, Vorsitzende des BDÜ Hessen, fand das Übersetzer-Zentrum „recht imposant“. Nicht nur die Übersetzer, Lektoren und Verleger seien sich näher gekommen, sondern auch die beteiligten Verbände. „Es ergab sich sehr schnell eine Gewinn bringende Zusammenarbeit der Verbände VdÜ und BDÜ, da sie sich ausgezeichnet ergänzen und in keiner Weise miteinander konkurrieren. Jede Seite hat viel über die andere und von der anderen gelernt, und es entstand ein sehr angenehmes Miteinander.“
Der BDÜ war als einziger Übersetzerverband mit einem eigenen Stand auf der Buchmesse vertreten (außerhalb des Übersetzer-Zentrums in einer anderen Halle). Auch dort fällt die Bilanz positiv aus. Matthey: „Der Andrang war so enorm, dass uns bald ein Teil des Informationsmaterials ausging.“ In persönlichen Gesprächen konnten neue Mitglieder gewonnen werden.
Und wie kam das Übersetzer-Zentrum bei den Übersetzern an? „Ich finde die Idee uneingeschränkt gut“, erklärt Wolfgang Beuchelt aus Köln: „Ich wünsche mir nur, dass die Organisatoren künftig die informativen Veranstaltungen stärker auf die zweieinhalb Fachbesuchertage konzentrieren. Wer tut es sich schon gerne an, sich an den Besuchertagen durch die Horden von überforderten Lehrerinnen und ihren sicherlich hochgradig interessierten Schützlingen zu drängen und dabei über die nach vermeintlicher Prominenz hechelnden Kamerateams zu stolpern?“
Andrea Fischer, Düsseldorf, findet das Zentrum „toll“: „Ein idealer Platz, um die Kollegen zu treffen.“ Verbessert werden müsse jedoch die Buchausstellung, die ihrer Ansicht nach nicht gerade eindrucksvoll präsentiert wurde und aus viel zu wenigen Büchern bestand. Als störend empfand sie die Geräuschkulisse, speziell bei Veranstaltungen. Insgesamt fällt ihr Urteil jedoch deutlich positiv aus: „Hoffentlich bekommen wir das nächste Jahr wieder so ein Zentrum! Ich möchte nicht mehr drauf verzichten!“
Sandra Schmid war aus Irland angereist und zum ersten Mal auf der Buchmesse – nicht zuletzt wegen des Übersetzer-Zentrums. „Als ich davon hörte, war ich begeistert.“ Sie will aufs Literaturübersetzen umsatteln und fand, dass das Zentrum ein guter Anlaufpunkt auf dem riesigen Messegelände war. Aber: „Bei manchen Veranstaltungen war es nicht leicht, dann auch anschließend Kontakte zu anderen Übersetzern zu knüpfen, weil so viele Leute anwesend waren, die sich dann sehr schnell zerstreuten – und es gab sicher etliche wie mich, die (noch) niemanden kannten und Anschluss suchten.“
Schmid zum Thema Lärmpegel: „Schade nur, dass andere Veranstaltungen rundherum teilweise etwas laut waren, so dass es manchmal schwierig war, sich im Übersetzerzentrum zu verstehen und den Vorträgen zu folgen.“ Auch sie wünscht sich, dass die für Übersetzer wesentlichen Veranstaltungen auf ein bis zwei Tage unter der Woche konzentriert werden. „Das Wochenende könnte dann eher für Veranstaltungen für neue Interessenten und die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden.“ Ansonsten steht ihr Entschluss jedoch fest: „Wenn ich kann, werde ich nächstes Jahr wiederkommen!“
Richard Schneider