Entlassungsproduktivität, Ehrenmord und Bombenholocaust Unwörter des Jahres 2005

Zum 15. Mal seit 1991 sind die Unwörter des Jahres gewählt worden. Hier die Platzierungen:

1. Entlassungsproduktivität

Für 2005 entschied sich die Unwort-Jury für den betriebswirtschaftlichen Begriff „Entlassungsproduktivität“. Dieses Wort meint eine gleich bleibende, wenn nicht gar gesteigerte Arbeits- und Produktionsleistung, nachdem zuvor zahlreiche für „überflüssig“ gehaltene Mitarbeiter entlassen wurden.

Es verschleiert damit die meist übermäßige Mehrbelastung derjenigen, die ihren Arbeitsplatz noch behalten konnten, was oft auch mit dem ebenfalls beschönigenden Wort von der „Arbeitsverdichtung“ umschrieben wird. Aber auch die volkswirtschaftlich schädlichen Folgen der personellen Einsparung, die Finanzierung der Arbeitslosigkeit, werden mit diesem Terminus schamhaft verschwiegen.

2. Ehrenmord

An zweiter Stelle rügt die Unwort-Jury die sprachlich paradoxe Formulierung „Ehrenmord“, womit die Ermordung von in der Regel weiblichen Familienmitgliedern mit Berufung auf eine archaische, in unserem Kulturkreis absolut inakzeptable „Familienehre“ relativiert werden kann. Deutschsprachige Medien sollten ihre Distanz zu diesem weltweit leider nicht seltenen Verbrechen auch sprachlich zum Ausdruck bringen.

3. Bombenholocaust

An dritter Stelle kritisiert die Jury einen weiteren Höhepunkt der Leugnung, zumindest der Verniedlichung des NS-Völkermords durch das Wort „Bombenholocaust“, mit dem die NPD im sächsischen Landtag im Januar 2005 die Zerstörung Dresdens umschreiben zu müssen glaubte. Das Kriegsverbrechen, das 1945 in Dresden begangen wurde, war schlimm genug, bleibt aber mit der millionenfachen systematischen Ermordung nicht zuletzt der Juden unvergleichbar.

4. Langlebigkeitsrisiko

In vierter Position macht die Jury auf einen mehr als unsensiblen Fachterminus im privaten Versicherungswesen aufmerksam: das sog. „Langlebigkeitsrisiko“. Er ist zwar „kongenial“ zum Versicherungsterminus „Todesfallbonus“, scheint sich aber im beobachteten außerfachlichen Gebrauch zur (noch) ironischen Kommentierung der aktuellen Altersstruktur der Deutschen zu eignen.

Börsen-Unwort 2005: Heuschrecken

Zeitgleich mit der Verkündung des „Unworts des Jahres“ gibt die Börse Düsseldorf das „Börsen-Unwort 2005“ bekannt: den Vergleich ausländischer Investoren mit „Heuschrecken“.

Insgesamt 1.073 eingereichte Vorschläge

Diesmal hatten sich 1.891 Einsenderinnen und Einsender aus Deutschland, dem übrigen Westeuropa und aus Übersee mit 1.073 verschiedenen Vorschlägen beteiligt.

Der Jury für das Unwort des Jahres 2005 gehörten an: die vier ständigen Mitglieder Prof. Dr. Margot Heinemann (Görlitz-Zittau), Prof. Dr. Rudolf Hoberg (Wiesbaden), Prof. Dr. Nina Janich (Darmstadt) und der Sprecher der Jury, Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser (Frankfurt a.M.). Als Vertreter der Sprachpraxis war diesmal der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Prof. Dr. Klaus Reichert (Darmstadt/Frankfurt), Mitglied der Jury.

[Quelle: Pressemitteilung Unwort des Jahres, 2006-01-24.]