Dispo futsch, Konto futsch, Kredite nur zu horrenden Zinsen – Banken schikanieren Freiberufler

Deutsche Bank Frankfurt
Die Macht am Main: Die 155 Meter hohen Zwillingstürme der Deutschen Bank. In der Mainmetropole haben mehr als 300 Banken ihren Sitz.

„Freiberufler haben bei Kreditinstituten schlechte Karten: Die Banken geben ihnen kaum Kredite und nehmen ihnen sogar bestehende Konten weg“, schreibt die Wochenzeitung Die Zeit. Dies gelte keineswegs nur für Kunden, die – wie viele Übersetzer – chronisch knapp bei Kasse sind, sondern auch für blendend verdienende Ärzte und Anwälte. Und auch ein gutes persönliches Verhältnis zum Kundenberater hinter dem Schalter könne daran meist nichts ändern, denn der habe kaum einen Spielraum.

Citibank und Sparda-Bank verstehen sich als „reine Privatkundenbanken“ und lehnen eine Kontoeröffnung von Freiberuflern grundsätzlich ab. Bei comdirect, ING-DiBa und Netbank dürfen Freiberufler nur reine Privatkonten eröffnen und keine geschäftlichen Transaktionen darüber abwickeln. Postbank, HypoVereinsbank und Berliner Volksbank schikanieren auf andere Weise: Sie akzeptieren Freiberufler nur, wenn sie ein teures Geschäftskonto einrichten.

Zur Begründung ihres Vorgehens verweisen die Banken auf die unter dem Stichwort „Basel II“ bekannten neuen Kreditvergaberichtlinien der EU. Das Ausfallrisiko sei bei Freiberuflern höher, weil sie kein festes Einkommen bezögen.

Nach Recherchen der Zeit existieren allerdings weder bei den genannten Instituten noch beim Bundesverband deutscher Banken Statistiken, die dieses vermutete höhere Risiko belegen.

Es gibt sogar Indizien dafür, dass gerade Freiberufler verantwortungsvoller mit Geld umgehen als andere Selbstständige oder Angestellte, schließlich haften sie mit ihrem Privatvermögen. So ist die Insolvenzquote der Freiberufler niedriger als die von Privatpersonen und Unternehmen.

Hinzu kommt, dass auch Angestellte von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz verlieren können – nicht zuletzt im Bankgewerbe, wo allein in Deutschland in den letzten Jahren weit mehr als 10.000 Mitarbeiter entlassen wurden.

So drängt sich der Schluss auf, dass die Banken zurzeit die Falschen drangsalieren und ihr Vorgehen möglicherweise noch einmal bereuen werden. Wie die letzten Jahre gezeigt haben, kann sich der Wind schnell drehen. In den Jahren des Börsenbooms wurden die Privatkunden hinausgeekelt – heute läuft man ihnen wieder hinterher.

Die Zeit glaubt, dass sich in den nächsten Jahren eine Wanderungsbewegung der Freiberufler zu den Sparkassen vollziehen wird. Eine Annahme, für die allerdings wenig spricht. Zwar rühmen sich die Sparkassen gerne ihrer besonderen sozialen Verantwortung, doch hinter der sorgsam aufgebauten und gepflegten Sozialfassade regiert der blanke Kommerz. In der Geschäftspraxis ist kein Unterschied zwischen Sparkassen und Privatbanken erkennbar.

In der Mailingliste Partnertrans wurde der Zeit-Artikel zur Sprache gebracht. Teilnehmer berichteten von Dispokürzungen, Kontoauflösungen, der Verweigerung von Kontoeröffnungen und Zwangsumstellungen von Privat- auf Geschäftskonten. Allerdings gibt es auch zahlreiche Ausnahmen. Viele Übersetzer sind bei ihrer Bank noch nicht als Freiberufler aufgefallen, vor allem wenn das Konto bereits seit Jahren oder Jahrzehnten geführt wird. In diesen Fällen können ein harmloser Kreditantrag oder sonstige Diskussionen mit der Bank „schlafende Hunde wecken“.

Dass die von Städten und Gemeinden betriebenen und von Parteipolitikern durchsetzten Sparkassen sozialer eingestellt sind als Privatbanken, konnten die Mailinglisten-Teilnehmer nicht bestätigen – auch dort wird verweigert, gekürzt und gekündigt.

Den genannten Zeitungsartikel können Sie auf der Website der Zeit lesen.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Zeit, 2006-11-23. Bild: Richard Schneider.]