Afghanistan: Dolmetscher des ISAF-Kommandeurs unter Spionageverdacht

ISAF, Afghanistan

Der Brite Daniel James, in Afghanistan Dolmetscher des britischen ISAF-Kommandeurs David Richards, steht unter Spionageverdacht. Ihm wird vorgeworfen, geheime Informationen weitergegeben zu haben, vermutlich an den Iran.

James hat einen britischen Vater und eine iranische Mutter. Er spricht fließend Paschtu, das neben Dari Amtssprache des Landes ist. Als Dolmetscher des Generals, der rund 30.000 Soldaten der „International Security Assistance Force“ befehligt, soll James Zugang zu streng geheimen militärischen und politischen Informationen gehabt haben.

Wegen der Vorwürfe musste James am 20.12.2006 in London vor Gericht erscheinen. Die Öffentlichkeit wurde unter Hinweis auf eine „mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit“ von der Verhandlung ausgeschlossen.

Ob die Vorwürfe berechtigt sind, steht noch nicht fest. Falls Anklage erhoben wird, wäre dies in Großbritannien der erste strafrechtlich verfolgte Spionagefall seit 1984, als ein Mitarbeiter des Geheimdienstes MI5 wegen Geheimnisverrats an die Sowjetunion zu 23 Jahren Haft verurteilt wurde.

Gegen Dolmetscher und Übersetzer angestrengte Verfahren wegen Geheimnisverrats oder Spionage enden meist mit Freisprüchen. Denn vieles, was Einsprachigen verdächtig vorkommt, ist für Mittler zwischen den Kulturen völlig normal, etwa der Kontakt zu Verwandten, Freunden und Bekannten in mehreren Ländern.

Auffällig ist, dass in der Presse die verdächtigten Sprachmittler oft mit vollem Namen genannt werden. Vermutlich liegt es daran, dass Sprachmittler keine Lobby haben. Hätte Daniel James drei Menschen ermordet, würde er nur als Daniel J. aus L. bezeichnet. Auf Fotos trüge er einen schwarzen Balken über den Augen und in jedem zweiten Artikel würde darauf hingewiesen, dass er bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu gelten habe.

ISAF Österreich, Afghanistan
Ein Dolmetscher (Mitte) sorgt für Verständigung zwischem einem österreichischen Soldaten der ISAF-Truppe und einem afghanischen Militär.

[Text: Richard Schneider. Quelle: tagesschau.de, 2006-12-21. Bild: ISAF, österreichisches Bundesheer.]