Für eine Hand voll Dollar: Dolmetscher „Caesar“ im Irak

Dolmetscher im Irak
Gruppenbild mit Dolmetscher: Ganz links, ohne Waffe und mit verschränkten Armen: der im Irak geborene Mario Franco (32), ein Berufskollege von „Caesar“. Er dolmetscht für den neben ihm stehenden Battalion Commander (1st Battalion, 6th Marine Regiment). Das Bild hat Cpl. Mike Escobar am 03.11.2005 in Falludscha aufgenommen.

Das Engagement der USA im Irak hält nun schon fast vier Jahre an – länger als die dreieinhalbjährige Beteiligung am Zweiten Weltkrieg (12/1941-05/1945). Und noch immer ist das Land nicht zur Ruhe gekommen, sondern gleitet zunehmend in einen Bürgerkrieg ab.

Um mit der Bevölkerung zu kommunizieren, sind die Besatzungstruppen nach wie vor auf Dolmetscher angewiesen. Einer von ihnen ist „Caesar“, der seinen wahren Namen nicht nennen kann. Die Wiener Zeitung schreibt:

Caesar hat einen der gefährlichsten Berufe im neuen Irak – er ist Übersetzer im Dienst der US-Armee. „Warum ich diesen Namen gewählt habe? Na, weil Caesar auch von seinen eigenen Leuten ermordet wurde.“ Jeder, der mit Amerikanern oder Koalitionstruppen zusammenarbeitet, gilt bei Extremisten und Fanatikern als Verräter.

Der Dolmetscher erhält für seine Arbeit 1.050 US-Dollar pro Monat. Für irakische Verhältnisse ist das ein sehr gutes Gehalt.

Dafür riskiert er sein Leben, sechs Tage in der Woche. „Niemand darf wissen, dass ich für die Amerikaner arbeite, sonst bin ich tot“ , sagt er. Selbst die Polizei würde ihn an die Terroristen verraten. „Die stecken doch alle unter einer Decke.“ Deshalb schweigt Caesar. Er hat seine kleine Wohnung, die er mit Freunden teilte, gegen ein Feldbett im amerikanischen Lager eingetauscht. „Zu Hause wohnen? Da könnte ich mich gleich umbringen.“ Sein alter Vater lebt in der Vorstellung, dass sein Sohn in einer Künstler-WG in Bagdad wohnt.

Getötete Dolmetscher seien in den Opferstatistiken nicht zu finden, heißt es. Und manche Soldaten interessiere es nicht, was mit den Sprachmittlern geschehe. „Wir sind ja nur Iraker“, sagt Caesar. Ein Kollege von ihm starb, als eine Rakete das Auto traf, in dem dieser fuhr. Ein anderer wurde mit gefesselten Händen und mit einem Loch in der Stirn auf einem Müllberg gefunden. Und wieder ein anderer verlor durch einen Sprengsatz ein Bein.

Caesar weist darauf hin, dass er sein Leben genauso aufs Spiel setzt wie die Soldaten. Dabei dürfe er aber nicht einmal eine Waffe tragen, um sich zu verteidigen.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Wiener Zeitung, 2007-03-02. Bild: Pressedienst US Marine Corps.]

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