In der Öffentlichkeit verstärkt sich der Eindruck, dass die Europäische Union mit nunmehr 23 Amtssprachen die Grenze des Machbaren bereits überschritten hat. Vor allem die Einführung der faktisch toten Sprache Gälisch und des auch von den Maltesern nur als folkloristische Zweitsprache benutzten Maltesischen haben für Kopfschütteln gesorgt.
Der Ruf nach einer radikalen Verringerung der Amtssprachen wird immer lauter, auch wenn er zurzeit nur von Politikern aus der dritten oder vierten Reihe vorgetragen wird.
Leonard Orban (45), der erste EU-Kommissar für Mehrsprachigkeit, hat auf seiner ersten Pressekonferenz diese Kritik zurückgewiesen. „Es ist politisch nicht hinzunehmen, die Bürger der Union zu zwingen, nur eine einzige Sprache zu benutzen, sei es nun Englisch oder etwas anderes. Eine Lingua franca kann es nicht geben.“ Stattdessen empfiehlt Orban den EU-Bürgern, möglichst viele Sprachen zu lernen.
In der Realität ist jedoch seit Jahrzehnten die gegenteilige Entwicklung und eine Verengung auf das Englische nachzuweisen. Noch in den 1970er Jahren verfügten alle deutschen Abiturienten sowohl über Englisch- als auch Französisch- bzw. Lateinkenntnisse. Mit der Reform der gymnasialen Oberstufe und der Möglichkeit, die zweite Fremdsprache abzuwählen, versetzte die SPD dem Französischen den Todesstoß. Und in Baden-Württemberg gingen vor einigen Jahren Eltern auf die Barrikaden, weil in den Grenzregionen zu Frankreich im Kindergarten Französisch (statt Englisch) angeboten werden sollte.
Dass die EU zurzeit ihre eigenen Anforderungen nicht erfüllen kann, weil es für die neuen Amtssprachen nicht genügend Sprachmittler gibt, ist auch Orban klar: „Ich will die Staaten ermutigen, mehr Übersetzer und Dolmetscher auszubilden für diese sehr schwierige, aber auch anspruchsvolle Arbeit.“
Seine eigene Pressekonferenz zeigte, dass dies bitter nötig ist. Sie hätte eigentlich in 22 Sprachen (Maltesisch wird derzeit ausgeklammert) übertragen werden müssen. Tatsächlich waren es jedoch nur 16. Für die übrigen 6 Sprachen gab es keine Dolmetscher.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Deutsche Welle, 2007-02-28. Bild: EU-Medienservice.]