Preisverleihung an Cao Weidong, den chinesischen Übersetzer der „Frankfurter Schule“

Cao WeidongHeute Abend wird im Frankfurter Literaturhaus der mit 25.000 Euro dotierte Preis der DekaBank für die Förderung der deutschen Literatur im Ausland vergeben. Preisträger ist der chinesische Germanistik-Professor und Übersetzer Cao Weidong.

In der Jurybegründung heißt es: „Der Philosoph, Soziologe und Literaturwissenschaftler Cao Weidong hat in dem vergangenen Jahrzehnt eine einzigartige Vermittlertätigkeit in Beijing ausgeübt. Er hat die Werke von Adorno, Horkheimer, Habermas und Honneth in China bekannt gemacht. Dies ist ihm in einem einzigartigen Zusammenspiel als Hochschullehrer, Übersetzer und Koordinator mit den chinesischen Verlagen gelungen. Die Auszeichnung von Cao Weidong soll den Diskurs zwischen China und Deutschland, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, beflügeln.“

Cao Weidong, der den Preis persönlich entgegennimmt, bezeichnet die Auszeichnung als „eine große Überraschung und Ehre“. Der Preis motiviere ihn, mit seiner Arbeit zur Einführung deutscher Philosophie in China fortzufahren.

Philosophie-Professor Axel Honneth, der die Laudatio halten wird, erklärt: „Wie kein anderer hat Cao Weidong in den letzten beiden Jahrzehnten dazu beigetragen, die intellektuellen Barrieren zwischen China und Deutschland zu verringern und erste Ansätze eines fruchtbaren Dialogs zu initiieren.“

„Die Rezeption der wichtigsten Werke der Frankfurter Schule in China ist aufs Engste mit Cao Weidong verknüpft“, so auch Silke Schuster-Müller, Leiterin des gesellschaftlichen Engagements der DekaBank, die zur Sparkassen-Finanzgruppe gehört. „Sein Verdienst ist, dass die Kritische Theorie auch einem chinesischen Publikum zur Verfügung steht.“

Normalerweise berichtet das Übersetzerportal uepo.de nicht über Preisverleihungen für Literaturübersetzer, aber dieser Preis ist anders. Gewürdigt wird ein jahrzehntelanges Engagement, das über die literarische Bedeutung weit hinausgeht. Außerdem werden hier keine Steuergelder verpulvert, sondern Bürger und Wirtschaft organisieren das in bester Frankfurter Tradition selbst.

Die typischen Literaturübersetzerpreise werden hingegen inflationär vergeben. Es gibt im deutschsprachigen Raum alljährlich mehr Auszeichnungen als das Jahr Wochen hat. Jeder hauptberufliche Literaturübersetzer kann damit rechnen, im Lauf seines Lebens mehrere solcher Preise zu erhalten. Ihre Vergabe ist oft – das geben Insider offen zu – weniger als Auszeichnung für besondere Leistungen, sondern als versteckte Subvention für die am Hungertuch nagenden Literaturübersetzer gedacht. Die vier- bis fünfstelligen Euro-Beträge seien unseren Kollegen gegönnt, ermöglichen sie doch in der Regel die Übersetzung eines neuen Werkes. Die Vergabepraxis schmälert aber sicher die Bedeutung solcher Auszeichnungen.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Literaturhaus Frankfurt; Frankfurter Rundschau, 2008-09-17; Hessischer Rundfunk. Bild: Literaturhaus Frankfurt.]