Spiel mir das Lied vom Murmeltier – Übersetzung von Filmtiteln oft besser als das Original

Filmrollen
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Regelmäßig wird im Internet Kritik an Filmtitelübersetzungen geübt, zum Beispiel dann, wenn die Übersetzung völlig andere Wörter und Metaphern verwendet als das Original. Das muss aber nicht schlecht sein, sondern kann auch zu Übersetzungen führen, die treffender sind und besser funktionieren als der ursprüngliche Titel.

Wer nicht nur lästert, sondern genau hinschaut, erkennt schnell, dass auch bei Filmtiteln die alte Übersetzerweisheit gilt: Gelungene Übersetzungen sind oft besser als das Original.

Besonders gelungene Übersetzungen entwickeln sich zum geflügelten Wort

Manche markante Eindeutschung hat sich – im Gegensatz zum Originaltitel – gar zu einem geflügelten Wort entwickelt:

A Streetcar Named Desire
(1951, von Elia Kazan, mit Vivien Leigh und Marlon Brando)
Endstation Sehnsucht
The Avengers
(1961, Fernsehserie)
Mit Schirm, Charme und Melone
C’era una volta il West
(1968, englischer Titel: Once Upon a Time in the West)
Spiel mir das Lied vom Tod
(Neben der gelungenen Formulierung nimmt der deutsche Titel auch Bezug auf die großartige Filmmusik von Ennio Morricone, die maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat.)
Don’t Look Now
(1973)
Wenn die Gondeln Trauer tragen
The Fog
(1980, Gruselfilm von John Carpenter)
Der Nebel des Grauens
Groundhog Day
(1993)
Und täglich grüßt das Murmeltier

Solche genialen Wendungen, die sich in der Umgangssprache etabliert haben, werden von den Medien in den unterschiedlichsten Zusammenhängen gerne aufgegriffen. „Wenn die Börsen Trauer tragen“ hieß es in der Wirtschaftskrise. Und in anderen Zusammenhängen auch: „Wenn die Kühe Glocken tragen“, „Wenn die Linken Schlipse tragen“, „Wenn die Friesen Dirndl tragen“, „Wenn die Männer Hoodie tragen“, „Schuhe – Wenn die Frauen Schmerzen tragen“, „Wenn die Balken Fenster tragen“ (zur Statik in Altbauten).

„Und täglich grüßt …“ wurde von der Presse als Überschrift unter anderem ergänzt mit: die Prüfungsangst, der Muezzin, der Thermomix, das Flaschenbier, der Tanklastzug, die Wirbelsäule, der Schweinehund.

Ähnlich ging es der Wendung „Der/die/das … des Grauens“, die vielfach aufgegriffen wurde – von den „Gärten des Grauens“ (Trend zum Steingarten ohne Pflanzen) bis hin zum Comic „Kondom des Grauens“.

Eine Anspielung auf „Endstation Sehnsucht“ lässt sich in Formulierungen wie „Endstation Leitplanke“, „Endstation Altenheim“ und „Endstation Babystrich“ erkennen.

Viele Übersetzungen sind besser als das Original

Gelungene Übersetzungen werden nur selten von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Filmtiteln, die im Deutschen aussagekräftiger sind als das nichtssagende, belanglose Original. Hier weitere Beispiele:

Our Gang
(1922)
Die kleinen Strolche
North by Northwest
(1959, Hitchcock-Klassiker. Der Titel bezieht sich auf die Schlussworte von Aldous Huxleys Roman Schöne neue Welt und auf die Himmelsrichtung, in die sich im Laufe des Films die Handlung verlagert.)
Der unsichtbare Dritte
Les quatre cent coups
(1959, von François Truffaut)
Sie küssten und sie schlugen ihn
Mr. Terrific
(1967, Fernsehserie)
Immer wenn er Pillen nahm
The Glass Bottom Boat
(1966, mit Doris Day)
Spion in Spitzenhöschen
Jaws
(1975)
Der weiße Hai
Paura nella città dei morti viventi
(1980, Horrorfilm von Lucio Fulci, wörtlich übersetzt Angst in der Stadt der lebenden Toten)
Ein Zombie hing am Glockenseil
Annie Hall
(1977, von und mit Woody Allen)
Der Stadtneurotiker
Mork and Mindy
(1978, Fernsehserie mit Robin Williams)
Mork vom Ork
Stripes
(1981, Komödie mit Bill Murray)
Ich glaub‘, mich knutscht ein Elch!
Riptide
(US-amerikanische Fernsehserie, 1983-1986. „Riptide“ ist der Name des Bootes, auf dem die Protagonisten umherfahren.)
Trio mit vier Fäusten
The Cider House Rules
(Verfilmung eines Romans von John Irving mit Tobey Maguire und Charlize Theron, 1999.)
Gottes Werk und Teufels Beitrag
(Der deutsche Filmtitel entspricht dem deutschen Romantitel.)
Runaway Bride
(1999, mit Julia Roberts und Richard Gere)
Die Braut, die sich nicht traut
Antz
(1999, Animationsfilm)
Das große Krabbeln
Chicken Run
(2000, Animationsfilm)
Hennen rennen
Shark Tale
(2004, Animationsfilm von den Machern von Shrek)
Große Haie, kleine Fische
Ensemble, c’est tout
(2007, mit Audrey Tautou)
Zusammen ist man weniger allein
La vie d’Adèle
(2013, mit Léa Seydoux)
Blau ist eine warme Farbe

Zugegeben: So mancher deutsche Titel ist einfach nur dämlich

Natürlich gibt es auch zahlreiche Beispiele für misslungene oder einfach nur dämliche Übersetzungen. So wurden etwa aus den Wise Guys mit Danny DeVito und Harvey Keitel im Deutschen Zwei Superpflaumen in der Unterwelt. Tom Hanks und Dan Aykroyd spielten die Hauptrollen in Dragnet, einem Streifen, der als Schlappe Bullen beißen nicht in unsere Kinos kam. Und The Revenge of the Pink Panther wurde hierzulande als Inspektor Clouseau, der irre Flic mit heißem Blick präsentiert.

Es wird immer weniger übersetzt – Trend zur Beibehaltung des Originaltitels

Die Übersetzung von Filmtiteln ist ein schwieriges Unterfangen. Vielleicht spart man sich deshalb heute oft diese Mühe und belässt es bei gut der Hälfte aller Importfilme einfach beim Originaltitel – selbst auf die Gefahr hin, dass der Zuschauer dessen Bedeutung nicht begreift. So dürften die meisten Kinogänger, die Pulp Fiction gesehen haben, nicht wissen, dass das übersetzt „Schundliteratur“ bedeutet.

Nach einer Studie der Universität Würzburg aus dem Jahr 2004 wurden im Zeitraum von 1994 bis 2002 bei 47 Prozent der untersuchten Filme die englischen Originaltitel beibehalten. In den Jahrzehnten davor war ihr Anteil deutlich geringer.

Der Trend zum Englischen ist auch am H.G.-Wells-Klassiker The Time Machine ablesbar. 1960 kam der Film noch übersetzt als Die Zeitmaschine in die deutschen Kinos. 2002 hieß die Neuverfilmung auch im deutschen Sprachraum The Time Machine.

Warum heißt Miss Congeniality im Deutschen Miss Undercover?

Weil der Ausdruck Congeniality für Kinogänger mit Schulenglisch nicht verständlich ist. Der Filmverleiher Kinowelt hat in diesem Fall für Deutschland einen englischen Ausdruck mit völlig anderer Bedeutung verwendet, der aber auch von Zuschauern mit geringen Englischkenntnissen auf Anhieb verstanden wird.

Bei Constantin, dem größten deutschen Filmproduzenten und Filmverleih, werden ausländische Filmtitel grundsätzlich übersetzt, so ein Vorstandsmitglied vor Kurzem in einem Zeitungsinterview: „Wir versuchen mit allen unseren Filmtiteln, den jeweiligen Film bestmöglich für unser Publikum zu beschreiben und den Kern der Produktion zu treffen.“ Das sei mit deutschen Titeln einfacher. Die Übersetzung erfolge ohne Rücksprache mit dem Lizenzgeber. „Man vertraut auf unsere lokale Marktkenntnis.“

Der Verleih übersetzt den Titel – nicht das Synchronstudio

Die Übersetzung des Filmtitels ist in der Regel Aufgabe des Verleihs – und nicht der Firma, die den Film synchronisiert hat. Das Synchronstudio kann Vorschläge unterbreiten, die endgültige Entscheidung behalten sich jedoch Verleih und Produzenten vor. Diese tragen das wirtschaftliche Risiko. Sie wissen, dass der Filmtitel einen entscheidenden Einfluss auf den kommerziellen Erfolg haben kann.

Das letzte Wort haben also Leute, die vom Übersetzen nichts verstehen. Möglicherweise erklärt das viele reißerische, schlecht übersetzte Titel, über die sich das Publikum dann zu Recht aufregt.

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Richard Schneider

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