Vor wenigen Tagen ist das Justizdolmetschergesetz für Schleswig-Holstein in Kraft getreten. Die Verabschiedung einer gesetzlichen Grundlage für die allgemeine Vereidigung und Ermächtigung war nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2007 notwendig geworden, das deren Fehlen bemängelt hatte.
Inhaltlich fortschrittlich, sprachlich katastrophal
Inhaltlich sind die in den letzten Monaten verabschiedeten Gesetze (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Schleswig-Hostein) ein großer Erfolg der an der Ausarbeitung umfassend beteiligten Sprachmittlerverbände. Sprachlich sind sie jedoch eine Katastrophe.
Der Gesetzestext wirkt, als wäre er von der feministischen Sprachpolizei auf Grundlage der Gender-Mainstreaming-Ideologie zensiert und überarbeitet worden, was schon im Titel zum Ausdruck kommt: „Gesetz über Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer in der Justiz“. Dass eine solche Bezeichnung nicht praxistauglich ist, leuchtet auch dem Justizministerium ein. Die offizielle Kurzform lautet daher so, wie das Gesetz bei Einschaltung des gesunden Menschenverstands eigentlich heißen sollte: „Justizdolmetschergesetz (JustizDolmG)“.
Ähnliches gilt in noch stärkerem Maße für die aktuelle Bezeichnung des JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) als „Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten“. Bis zum Jahr 2004 hieß dieses schlicht „Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen“ (ZSEG); der für unsere Berufsgruppe geltende Abschnitt trug noch die Überschrift „§ 17 Dolmetscher und Übersetzer“.
Die Verfasser des Justizdolmetschergesetzes für Schleswig-Holstein haben statt der im Deutschen seit Jahrhunderten üblichen und allgemein akzeptierten geschlechtsneutralen Ausdrucksweise, bei der die grammatikalisch meist maskuline (seltener auch feminine) Form Frauen wie Männer gleichermaßen einschließt (generisches Maskulinum), jeder männlichen Form eine weibliche vorangestellt. Es heißt also stets und ohne Ausnahme „Dolmetscherinnen und Dolmetscher“, „Übersetzerinnen und Übersetzer“, „Sprachmittlerinnen und Sprachmittler“, „die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts“, „sie oder er“.
So trägt § 1 die Überschrift „Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer“. Klar denkende Juristen (sofern das nicht ein Widerspruch in sich selbst ist) hätten sicher eine andere Formulierung bevorzugt, etwa schlicht und einfach „§ 1 Sprachmittler“.
Sprachverhunzung seit 2001 gesetzlich vorgeschrieben – „Verwendung der ausschließlich männlichen Form zur besseren Lesbarkeit nicht zulässig“
Diese bei der gesamten deutschen Gesetzgebung zu beklagende systematische Sprachverhunzung ist seit acht Jahren gesetzlich vorgeschrieben und durch zahllose Erlasse und Bestimmungen geradezu totalitär bis ins kleinste Detail geregelt. Das Gleichstellungsgesetz von 2001 fordert: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen.“ Und in einer Arbeitshilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Gender Mainstreaming in Forschungsvorhaben“ heißt es: „Die Verwendung der ausschließlich männlichen Form (sog. generisches Maskulinum) zur besseren Lesbarkeit ist nicht zulässig.“
Widerstand nur außerhalb der etablierten Parteien
Widerspruch gegen das seuchenartig um sich greifende Gender Mainstreaming (GM) regt sich merkwürdigerweise nur außerhalb der etablierten Parteien, Institutionen und Medien in libertären Zirkeln, die eine staatliche Gängelung und Bevormundung – nicht nur in Fragen der Sprache – grundsätzlich ablehnen.
Gender-Mainstreaming-Bewegung schlimmer als Scientology?
Kritiker vergleichen die Gender-Mainstreaming-Bewegung inzwischen mit einer Sekte, die mit dem von ihr verfolgten Umerziehungsprogramm ideologisch gefährlicher, schädlicher und finanziell raffgieriger sei als etwa Scientology.
Statt einer zähneknirschenden Duldung sei eine aktive Bekämpfung des Gender-Mainstreaming-Unwesens dringend geboten. Denn das GM-Konzept sei eine neomarxistische Ideologie, die darauf abziele, einen neuen, geschlechtslosen Menschen auf der Grundlage eines behavioristischen Menschenbildes zu schaffen, welches biologische Unterschiede zwischen den Menschen leugne.
In gesellschaftlicher Realität sind oft Männer die Benachteiligten
Die Ziele der Frauenemanzipationsbewegung sind längst erreicht und oft übererfüllt, so dass heute Jungen und Männer auf vielen Gebieten diejenigen sind, die systematisch benachteiligt werden. Trotzdem ist es den GM-Aktivisten in nur wenigen Jahren gelungen, sich vor allem als so genannte „Gleichstellungsbeauftragte“ (früher treffender als „Frauenbeauftragte“ bezeichnet) in Behörden und Universitäten einzunisten und ihre Mission vollständig durch das Abgreifen von Steuergeldern zu finanzieren.
Gender-Mainstreaming-Industrie verschlingt pro Jahr mehr als 1 Mrd. Euro an Steuergeldern
Man schätzt, dass das gesamte System der Gleichstellungsbeauftragen, der endlosen Forschungsprojekte, der Symposien und Konferenzen, der Flut von pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie der neu gegründeten Universitäts-Institute (es gibt 128 Lehrstühle für Frauenforschung/Gender Studies) pro Jahr weit mehr als eine Milliarde Euro verschlingt. Ein äußerst lukratives Geschäft für GM-Gewinnler, gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Die Vergewaltigung der ohnehin schon verquasten Rechts- und Verwaltungssprache ist dabei noch eines der kleineren Übel.
Sprachhistorisch betrachtet ist das „Gesetz über Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer in der Justiz“ somit ein skurriles Dokument des Zeitgeistes. Möge es der Belustigung künftiger Generationen dienen, die hoffentlich eines Tages zu einer natürlichen, klaren sowie schlicht und einfach schönen Sprache zurückfinden werden.
[Text: Richard Schneider. Das Bild stammt aus einer Gender-Mainstreaming-Kampagne der Stadt Wien. Die Verkehrsschilder existieren nicht tatsächlich, sondern wurden für die Kampagne entworfen. Es sind keine konkreten Maßnahmen bekannt, die geeignet wären, den Frauenanteil im Straßenbau zu erhöhen, was im Sinne der Gleichstellung aber dringend geboten wäre.]