Was ist der gesunde Menschenverstand? Schriftstellerin Juli Zeh traf ihre Übersetzer

Corpus DelictiDie Erfolgsautorin Juli Zeh tauschte sich vom 30. August bis zum 02. September 2010 mit den Übersetzern ihres Romans Corpus Delicti aus.  Die Übersetzer Hilde Keteleer (Belgien), Marcelo Backes (Brasilien), Sally-Ann Spencer (Neuseeland), Slawa Lisiecka (Polen), Christine Bredenkamp (Schweden), Wei Tang (Taiwan) sowie Sevinc Altincekic (Türkei) trafen sich in Straelen am Niederrhein, um sowohl sprachliche als auch sachliche Probleme bei der Übertragung in die andere Sprache zu klären. Dies gestaltet sich insbesondere aufgrund der juristischen Sprache alles andere als einfach. Es ist schwierig, juristische Begriffe in eine andere Sprache oder auch in ein anderes Rechtssystem zu übersetzen. „Schöffen“ beispielsweise gibt es in den Niederlanden nicht. Im Buch jedoch schon. Die Flämin Hilde Keteleer sagt lachend: „Normalerweise muss ich mich als Flame dem holländischen Markt anpassen, dieses Mal ist es andersherum“.

Die sieben Übersetzer und die Autoren feilten beim 5. Straelener Atriumsgespräch an Begriffen wie „gesunder Menschenverstand“. „Wir kennen das Wort für Vernunft und für den Verstand, aber was ist der gesunde Menschenverstand?“, fragt die Taiwanesin. Juli Zeh gesteht: „Man macht sich beim Schreiben keine Vorstellung davon, dass der Begriff des gesunden Menschenverstandes in anderen Sprachen nicht existiert. […] Menschen können nur das denken, wofür es auch ein Wort gibt. Es fehlt nicht nur das Wort, es fehlt die ganze Idee dazu. Welt wird erst durch Sprache definiert.“

Über eine Stunde diskutieren sie über am großen eckigen Tisch im Europäischen Übersetzer-Kollegium über den Titel des Buches Corpus Deliciti. Ein Prozess. „Diesen Begriff kennen wir in China nicht“, so Tang. Allerdings habe sie in Berlin Mülleimer mit der Aufschrift „Ein Corpus für jedes Delikt“ gesehen. Im Türkischen gibt es keine lateinischen Worte, und im Polnischen existiert dieser Begriff nicht in einer umgangssprachlichen Bedeutung für einen „schlecht gelaufen Sachverhalt, für das störende Element, den Sand im Getriebe“, wie Zeh sagt.

Weiterführende Links:
– Eine Leseprobe des Romans (auf Deutsch) sowie weitere Informationen zur Person Juli Zeh oder zu weiteren Büchern finden Sie auf der Website des Verlags Schöffling & Co.
– Einen ausführlichen Bericht zu diesem Thema können Sie auch in der Rheinischen Post nachlesen.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: Europäisches Übersetzer-Kollegium. Rheinische Post, 01.09.2010. Bild: Wikipedia, Schöffling & Co.]

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