Petition zum Schutz der Berufsbezeichnung Übersetzer / Dolmetscher gescheitert

Paragraphen
Bild: Geralt / Pixabay

Seit mehr als einem halben Jahrhundert bemühen sich unsere Berufsverbände darum, die Berufsbezeichnungen „Übersetzer“ und „Dolmetscher“ gesetzlich schützen zu lassen. Ohne Erfolg.

Eine kleine Gruppe junger Übersetzer und Dolmetscher wollte sich damit nicht abfinden. In dem Forum Übersetzer-Lounge auf Xing kamen sie im September 2009 auf die Idee, sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags zu wenden:

„Markt ist überschwemmt von unqualifizierten, ungelernten Dolmetschern und Übersetzern“

Wir, die gezeichneten Übersetzer und Dolmetscher der Bundesrepublik Deutschland, fordern den Schutz der oben genannten Berufsbezeichnung und deren weiterführenden Fachbezeichnungen. Als Qualifikation zur Ausübung der Berufe fordern wir ein abgeschlossenes (Fach-)Hochschulstudium oder eine abgeschlossene Ausbildung an einer anerkannten Ausbildungsstätte.

Quereinsteiger sollen fortan ihre Sprach-, Fach- und Sachkompetenz durch entsprechende Nachweise oder eine qualifizierende Prüfung vor einer anerkannten Stelle (z. B. IHK oder staatliches Prüfungsamt) belegen. Sollte eine Person weder eine abgeschlossene Ausbildung noch eine qualifizierende Prüfung vorlegen können, darf sie nicht unter den Berufsbezeichnungen Übersetzer, Dolmetscher oder Sprachmittler tätig werden.

Begründung:

Der Bundestag selbst scheint die Unterschiede zwischen qualifizierten Fachkräften und Selbsternannten erkannt zu haben und stellt daher in seinen Stellenausschreibungen bewusst hohe Anforderungen an seine Bewerber. Dies sollte in der freien Wirtschaft ebenso der Fall sein.

Übersetzen und Dolmetschen ist mehr als die reine Übertragung in eine andere Sprache. Es erfordert sowohl linguistisches Wissen, stilistisches Feingefühl als auch die richtige und korrekt angewandte Technik des Übersetzen und Dolmetschens. Diese Kenntnisse erwirbt man nur durch eine qualifizierte mehrjährige Ausbildung.

Tatsache ist jedoch, dass der Übersetzermarkt überschwemmt ist von unqualifizierten, ungelernten Dolmetschern und Übersetzern. Für den Verbraucher oder Kunden ist auf den ersten Blick oft nicht erkennbar, ob es sich bei dem Dienstleister tatsächlich um eine Fachkraft handelt oder um einen selbsternannten Dolmetscher oder Übersetzer. Daher sollte der Schutz der o.g. Berufsbezeichnungen auch im Sinne des Verbrauchers eingeführt werden.

Die Folgen der gegenwärtigen Situation sind:

    • Das Risiko, dass nicht ausgebildete Übersetzer und Dolmetscher schlechtere Leistungen liefern, ist größer als bei ausgebildeten Fachkräften. Aufgrund ihrer fehlenden Ausbildung sind bestimmte Übersetzungs- und Dolmetschtechniken sowie die Kenntnisse und Anwendungen von branchenspezifischer Software nicht bekannt. Die Wahrscheinlichkeit von minderwertigen Leistungen ist somit höher. Das verschlechtert das Berufsbild der ausgebildeten Fachkräfte und führt zu einem Imageschaden der gesamten Branche. (Laut der European Union of Associations of Translations Companies (EUATC) haben Übersetzungen als Dienstleistung noch immer kein positives Image)
    • Die Gefahr, dass nicht ausgebildete Übersetzer und Dolmetscher bereit sind, zu Dumping-Preisen zu arbeiten, ist größer als bei ausgebildeten Übersetzern. Auch dies führt zu einer Herabsetzung der Dienstleistung und senkt die Preise am Markt. Es sollte jedoch allen professionellen Fachkräften möglich sein, durch die erbrachte Leistung leben zu können.

Als mögliche Lösung wird daher unsererseits der Schutz dieses Berufsbildes und der damit verbundenen Arbeit und Leistung gesehen. Dies führt zu mehr Akzeptanz und Respekt vor unserem Beruf und vor der damit verbundenen Leistung.

Wirtschaftsministerium: „rechtlich problematisch – Regulierung nicht erforderlich“

Der Petitionsausschuss hat die Petition an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie weitergeleitet. Dieses nahm im September 2010 wie folgt Stellung:

Der Vorschlag, die Führung der Berufsbezeichnungen „Übersetzer“, „Dolmetscher“ und „Sprachmittler“ an einen staatlich anerkannten Qualifikationsnachweis zu knüpfen, erscheint aus rechtlichen Gründen problematisch. Nach Artikel 12 des Grundgesetzes (Berufsfreiheit) haben alle Deutschen das Recht, ihren Beruf frei zu wählen und bei seiner Ausübung vor staatlichen Eingriffen bewahrt zu bleiben.

Jede staatliche Reglementierung der beruflichen Bestätigung, aber auch Einwirkungen auf das Umfeld der Berufsbestätigung können in die Berufsfreiheit des Einzelnen eingreifen. Deshalb bedarf jeder staatliche Eingriff in diese Berufsfreiheit einer besonderen Rechtfertigung. Je schwerer der Eingriff ist, umso gewichtiger muss auch die Rechtfertigung sein. Man spricht hier von der sogenannten Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht Kriterien aufgestellt, an denen sich der Gesetzgeber zu orientieren hat. Am ehesten kann die Ausübung eines Berufs geregelt werden; die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit sind jedoch umso strenger, je mehr in die Berufswahl des Einzelnen eingegriffen wird.

Bei dem Begehren der Petentin, die Führung der Berufsbezeichnungen „Übersetzer“, „Dolmetscher“ und „Sprachmittler“ von einem staatlich anerkannten Qualifikationsnachweis abhängig zu machen, handelt es sich um eine Zugangsregelung zum Beruf des Übersetzer und damit um einen Eingriff in die Berufswahl. Denn der von der Petentin geforderte Titelschutz ist so weitgehend, dass er in seiner Wirkung einem generellen Erlaubnisvorbehalt für die Übersetzungsdienstleistungen gleichkäme. Die Rechtfertigungsgründe an eine solche Regelung sind somit hoch anzusetzen. Ein Eingriff in die Berufswahl ist nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann gerechtfertigt, wenn der angestrebte Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht durch weniger eingriffsinvensive Maßnahmen sicherzustellen ist.

Durch die Gesetze der Länder zur öffentlichen Bestellung und Beeidigung von Dolmetschern und Übersetzern ist gewährleistet, dass den Verbrauchern, der Wirtschaft sowie den Behörden und Gerichten bei Bedarf qualifizierte und persönlich zuverlässige Dolmetscher und Übersetzer zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund erscheint eine weitere Regulierung nicht erforderlich.

Die politischen Bemühungen gehen derzeit in die Richtung, die Belastungen für die Wirtschaft zu verringern, um Existenzgründungen zu erleichtern und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Berufszugangsregelungen werden von Existengründern oft als Hemmnisse angeprangert und mehr Bürokratieabbau gefordert. Die Einführung eines staatliche anerkannten Qualifikationsnachweises als Voraussetzung zur Führung der Berufsbezeichnungen „Übersetzer, Dolmetscher, Sprachmittler“ würde daher auch dem politischen Ziel der Verringerung von Bürokratielasten zuwider laufen.

Jessica Antosik