Am 16. Dezember 2010 hat die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) bereits zum 35. Mal die Wörter des Jahres gekürt und damit wieder einmal aufgezeigt, in welcher Weise diesjährige charakteristische Themen aus Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen des gesellschaftlichen Alltags sprachlich markiert worden sind.
Ausgewertet wurde eine Sammlung von etwa 2.000 Wörtern und Wendungen, hauptsächlich Belege aus verschiedenen Medien, aber auch Vorschläge von Außenstehenden. Hieraus wählte die Jury, die sich aus dem Hauptvorstand der Gesellschaft sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammensetzt, zehn Wörter, die die öffentliche Diskussion wesentlich bestimmt und dieses Jahr besonders geprägt haben:
Für die Auswahl der Wörter des Jahres entscheidend ist aber nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität: Die Liste trifft den sprachlichen Nerv des sich dem Ende neigenden Jahres und stellt auf ihre Weise einen sprachlichen Jahresrückblick dar. Als ein solches Zeitzeugnis sind die ausgewählten Wörter dabei mit keinerlei Wertung oder Empfehlung verbunden.Wie in den vergangenen Jahren ist zu erwarten, dass auch die diesjährigen Wörter des Jahres im In- und Ausland mit großem Interesse wahrgenommen werden:
1. Wutbürger
2. Stuttgart 21
3. Sarrazin-Gen
4. Cyberkrieg
5. Wikileaks
6. schottern
7. Aschewolke
8. Vuvuzela
9. Femitainment
10. unter den Eurorettungsschirm schlüpfen
Als Wort des Jahres wurde Wutbürger gewählt. Diese Neubildung wurde von zahlreichen Zeitungen und Fernsehsendern verwendet, um einer Empörung in der Bevölkerung darüber Ausdruck zu geben, dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden Das Wort dokumentiert ein großes Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, über ihre Wahlentscheidung hinaus ein Mitspracherecht bei gesellschaftlich und politisch relevanten Projekten zu haben.
Auf die zweite Position wählte die Jury den Ausdruck Stuttgart 21. Die geplante Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof ist Gegenstand von Protesten, die weit über die Region hinausgehen.
Große Debatten gab es in diesem Jahr um das Buch Deutschland schafft sich ab des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin, insbesondere um die umstrittenen Argumentationen zur angeblich genetischen Prägung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, die des Öfteren teils ironisierend als Sarrazin-Gen bezeichnet wurde.
Ein als Cyberkrieg bezeichneter Konflikt entspann sich zwischen den Gegnern und Befürwortern der Internetplattform Wikileaks. Beide Parteien versuchten sich im Netz gegenseitig zu bekämpfen, indem sie bestimmte Kommunikations- oder Zahlungswege blockierten. Wikileaks auf Rang 5 ist eine Internetplattform, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, geheime oder zensierte Dokumente von öffentlichem Interesse zugänglich zu machen.
Das Verb schottern auf Position 6 lässt sich wiederum dem wachsenden Protestwillen der Bürger zuordnen. Es bezieht sich auf die Demonstrationen und Aktionen gegen die Castor-Transporte, bei denen durch die Entfernung von Schotter aus dem Gleisbett der Schienenweg sabotiert werden sollte.
Im Frühjahr sorgte ein isländischer Vulkan dafür, dass in ganz Europa der Flugverkehr praktisch zum Erliegen kam. Grund war die Aschewolke, in der Liste der Wörter des Jahres auf Platz 7.
Auf Platz 8 folgt Vuvuzela. Die südafrikanische Plastiktröte diente den einheimischen Fußballfans dazu, ihrer Begeisterung für das Sportereignis Ausdruck zu verleihen, wurde vom internationalen Publikum jedoch eher als störend empfunden. Gleichwohl ein Thema, das die gesamte Fußball-WM begleitete.
Mit dem Wort Femitainment, von der Jury auf Platz 9 gewählt, wird eine Debatte umrissen, die zwischen der Feministin Alice Schwarzer und der amtierenden Bundesfamilienministerin Kristina Schröder in diesem Jahr ausgetragen wurde. Thema war die Haltung, die verschiedene Frauengenerationen zu den Themen Frauenbewegung und Geschlechterrollen einnehmen.
Eine gewisse Kontinuität bei den Themen der letzten Jahre bildet mit der Wendung unter den Eurorettungsschirm schlüpfen der Rang 10. Aktuell bezieht sich die Wendung auf Irland, aber die wirtschaftlichen Rettungsaktionen und Krisen setzen sich nun schon etliche Jahre fort.
[Text: GfdS. Quelle: Pressemitteilung GfdS, 2010-12-17. Bild: GfdS.]