Die Welt kommuniziert immer mehr. Mehr Informationen, mehr Leser … und mehr Übersetzende. Zwangsläufig ändern sich dadurch die Mengen und die Qualität der produzierten Übersetzungen. In noch bescheidenem Rahmen machen sich bei professionellen Übersetzungsdienstleistern die ersten Lektoratsaufträge bemerkbar. Sie sind aber Vorboten eines Trends, der sich in den nächsten Jahren verstärken wird.
Lektoratbedarf entsteht infolge diverser Ausgangssituationen und bedingt aus diesem Grund verschiedenartige Korrekturansätze. Um welchen Typ von Korrekturaufträgen geht es?
- Normale herkömmliche Qualitätssicherungsaufträge. Ein professioneller Übersetzer bzw. Lektor prüft die Übersetzung eines anderen professionellen Übersetzers.
- Linguistisch-technische Qualitätssicherung: Bei besonderen Projekten muss man technische Vorgaben wie Textlängenbeschränkungen einhalten. Das ist insbesondere bei der Lokalisierung von Software oder Maschinensoftware der Fall.
- Qualitätssicherung von Texten, die durch Nicht-Übersetzer erstellt wurden. Sie kommt vor, wenn nicht linguistisch geschulte Fachleute eine Übersetzung anfertigen. Es sind mitunter Ingenieure, die einen Text in eine Fremdsprache übersetzen. Oder es sind zunehmend Billigübersetzer, die teils dürftige Kenntnisse der Ausgangssprache, des Fachgebiets oder gar der eigenen Muttersprache besitzen.
- Qualitätssicherung von maschinell produzierten Texten. Maschinelles Übersetzen ist seit wenigen Jahren dabei, in größeren Unternehmen und Organisationen Einzug zu halten. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, aber in bestimmten Fällen durchaus vertretbar. So beispielsweise bei Supportinformationen, die Microsoft auf seinen Webseiten zur Verfügung stellt.
Die Ursachen für die steigende Nachfrage nach Lektoratsleistungen sind vielfältig. Zum einen besteht durch zunehmende Kooperationen zwischen Unternehmen und Lieferanten ein wachsender Bedarf an Standardisierung und Qualitätsstandards. Für Übersetzungen ist die Qualitätsnorm DIN EN 15038 wichtig, die u. a. eine Prüfung der Übersetzungen nach dem Vier-Augen-Prinzip vorschreibt. Ferner gibt es heute kaum eine Maschine, ein Auto, eine Anlage oder ein Gerät ohne Softwarekomponente. Zugleich wächst die Anzahl der Medien, die Übersetzungen verwenden. Das erhöht die technischen Anforderungen an Übersetzungen.
Eine ganz wichtige Rolle spielen die Anstrengungen von Firmen, Kosten zu senken. Nicht zuletzt im Zuge der Wirtschaftskrise von 2009 setzten sie Billigübersetzer ein, die oft qualitativ fragwürdige und problematische Übersetzungen lieferten (vgl. D.O.G.news 04/2009). Manche Firmen bleiben bei diesem Kurs, lassen aber einen Teil dieser Übersetzungen durch Lektoren reparieren. Verbunden mit Kosteneinsparungen zum einen und dem Wunsch, sehr schnell Übersetzungen bereit zu stellen zum anderen, kommen maschinelle Übersetzungssysteme zum Einsatz. Entsprechend müssen die Ergebnisse geprüft werden.
Heute erstellen Firmen in hohem Maße Dokumentationen und Übersetzungen modular. Ein Teil der übersetzten Texte stammt demnach aus einer Dokumentationsdatenbank. Ein anderer Teil der verbleibenden Texte wird mit Translation Memories übersetzt, wobei diese Übersetzungen von unterschiedlichen Übersetzern erstellt werden. Den Rest übersetzen schließlich automatische Übersetzungsprogramme, die nun in den meisten modernen Translation Memory Systemen integriert sind.
Je nach Herkunft der übersetzten Segmente setzt der Lektor verschiedene Schwerpunkte:
- Bei Übersetzungen, die von anderen Fachübersetzern stammen, prüft er eher auf Flüchtigkeitsfehler, vergessene Wörter oder Terminologiefehler. Relativ selten findet er Verständnisfehler.
- Bei technisch bedingten Prüfungen achtet er in erster Linie auf Textlängen, Abkürzungen, Wortreihenfolge bei Befehlen, richtige Deutung von alleinstehenden Wörtern, o. Ä.
- Übersetzungen, die von nicht professionellen Übersetzern stammen, sind zeitaufwändig zu prüfen. In Einzelfällen bedeutet dies sogar, dass eine Neuübersetzung billiger ist. Oft findet man neben Fehlern, die auch professionelle Übersetzer machen, schlichte grammatikalische Fehler. Ebenfalls kommen Fehler vor, die mit dem Basisverständnis der Technik bzw. der Ausgangssprache zu tun haben (Beispiel: Verwechslung von „Schütz“ mit „Schutz“).
- Schließlich verursachen maschinelle Übersetzungsprogramme ganz andere Fehlertypen. Während sie in der Regel die Fachterminologie korrekt einsetzen, sofern diese in einem entsprechenden Wörterbuch hinterlegt ist, machen sie Fehler bei mehrdeutigen allgemeinsprachlichen Begriffen oder bei der Syntax. Meistens sind solche Korrekturen sehr zeitintensiv. Nicht selten ist eine Neuübersetzung günstiger, wenn die Übersetzung anschließend veröffentlicht werden soll.
Mit geeigneten Mitteln lässt sich die Lektoratsarbeit unterstützen und beschleunigen. Zuerst einmal fängt alles bei der Qualität der Ausgangstexte an. Klare Texte, eine eindeutige standardisierte Terminologie und ein einheitlicher Schreibstil sind die Voraussetzung für gelungene Übersetzungen. Des Weiteren bieten Übersetzungssysteme Qualitätssicherungsfunktionen an. Noch effizienter ist eine eigenständige Qualitätssicherungssoftware wie ErrorSpy. Sie prüft die Texte oder Translation Memories auf unterschiedlichste Merkmale wie Zahlen, Terminologie, Konsistenz oder Typografie und generiert Listen potenzieller Fehler. Seit April 2011 steht unter www.errorspy-online.com der kostenlose Qualitätssicherungsdienst der D.O.G. GmbH zur Verfügung. Dort können Interessenten Dateien hochladen und einen Fehlerbericht erhalten.
Was wir in Sachen Qualitätssicherung beobachten, ist voraussichtlich der Anfang einer neuen Dienstleistungsart, die zum Standardrepertoire von Fachübersetzern gehören wird. Irgendwann wird diese spezielle Aufgabe zu den regulären Lehrplänen an Universitäten und Hochschulen gehören.
[Text: D.O.G. GmbH. Quelle: D.O.G. news 2/11. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion. Bild: Fotolia.]