Wiener Fachkongress „Lost in Translation“: Über Aufgaben und Probleme von Übersetzern

Übersetzer sind mehr als nur Sprachmittler. Sie schieben nicht nur Wörter von einer Sprache in eine andere, sondern erklären einem bestimmten Publikum auch die Zusammenhänge und Hintergründe. Die Schwierigkeit für den Übersetzer besteht nun darin, dass er wissen muss, was er von seinem Publikum erwarten kann, um zu entscheiden, ob er etwas näher beschreiben muss oder eben nicht. „Man muss kein Sprachwissenschafter sein, um ein guter Übersetzer zu sein. Aber was man braucht, ist ein theoretisches Wissen darüber, wie Kommunikation funktioniert, sowie über Kulturen und kulturelle Unterschiede“, sagt Ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Klaus Kaindl (Bild rechts), Übersetzungswissenschafter und Leiter des Kongresses „Lost in Translation“ für Forscher und Berufsvertreter in Wien. Eine gute Übersetzung muss kulturelle Unterschiede überbrücken. „Erklären von kulturell bedingtem Verhalten ist das eigentliche Geschäft des Übersetzers“, so Kaindl.

„Hier hat das Badengehen im Sommer Kultur. Im Englischen haben wir keine Wörter für Strandbad, Seebad, Strombad, Waldbad, Badeort oder Baderaum, sondern es gibt nur ‚Pool‘ oder ‚Beach'“, erzählt Brett Fitzpatrick, ein in Großbritannien geborener, in Wien ansässiger Übersetzer.

Des Weiteren geht Kaindl auf bestimmte Probleme von Übersetzern ein. Wie sollte ein Übersetzer beispielweise vorgehen, wenn ein Wort in der Zielsprache nicht existiert? Nach Angaben von Kaindl haben Übersetzer mehrere Möglichkeiten. Entweder sie schaffen ein neues Wort oder übersetzen wortwörtlich (dies ist z.B. bei dem englischen Wort „Skyscraper“ und der deutschen Entsprechung „Wolkenkratzer“ der Fall). Ferner können die Übersetzer schlichtweg Worte weglassen. Dadurch sind Übersetzungen, je nach Sprachrichtung, häufig ein Viertel oder gar ein Drittel kürzer als das Original.

Laut Kaindl handelt es sich beim Übersetzer um eine praktische Tätigkeit, die, um professionell ausgeübt zu werden, wissenschaftliche Reflexion erfordert. „Ein Architekt ist auch kein Wissenschaft[l]er, aber er braucht viel theoretisches Wissen, um ein Haus zu bauen. Genauso ist es auch beim Übersetzen, das dem Spruch zufolge ja auch das zweitälteste Gewerbe der Welt ist.“

Übersetzer und Dolmetscher führen ein Schattendasein. „Wer kennt den Übersetzer der Bücher, die er liest? Niemand. Die Gesellschaft nimmt sie kaum wahr, höchstens wenn ein Fehler passiert“, sagt Kaindl. Doch Übersetzer und Dolmetscher sind für unsere Gesellschaft unabkömmlich. Ohne Dolmetscher gäbe es weder internationale Konferenzen, diplomatische Beziehungen noch Staatstreffen. Allerdings besteht zwischen ihrer Wichtigkeit und Sichtbarkeit ein tiefer Gegensatz. „Ohne Übersetzer gäbe es keine Weltliteratur“, merkt Kaindl an. Zudem ist Übersetzen Macht, denn die Übersetzung eines Buches nicht der Schriftsteller des Originals, sondern der Übersetzer geschrieben. Aus diesem Grund spielt Berufsethik eine wichtige Rolle. Jeder Mensch hegt bestimmte Erwartungen, aber man darf von einem Übersetzer nicht vollkommene Neutralität voraussetzen. „Es gibt da viele Metaphern. Der Übersetzer soll wie eine Glasscheibe sein, durch die man durchsieht, ohne sie zu bemerken. Das geht nicht. Verstehen ist kein neutraler Akt“, erklärt Kaindl.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: wienerzeitung.at, 17.09.2011. Bild: transvienna.univie.ac.at.]