Warum sind US-Verlage so übersetzungsfaul?

Heutzutage spielen Übersetzungen im US-Buchmarkt kaum eine Rolle. Worauf dies zurückzuführen ist, erklärt Riky Stock in einem Interview mit dem buchreport. Riky Stock ist seit 2002 Leiterin des German Book Office (GBO) in New York, einem Tochterunternehmen der Frankfurter Buchmesse. Ihre Aufgabe ist es, in New York Bücher „Made in Germany“ der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit 1999 lebt die gebürtige Husumerin in den Vereinigten Staaten von Amerika und kennt die Tücken des Lizenzgeschäfts aus erster Hand. Sie war Scout für Mary Anne Thompson Associates und anschließend zwei Jahre Senior Rights Associate in der Lizenzabteilung von HarperCollins.

In dem Interview berichtet sie, wie klein die Fortschritte sind:

Klein ist in der Tat das richtige Wort, wir bewegen uns langsam voran. Die USA sind ein schwieriger Markt für Übersetzungen, nicht nur für Bücher aus Deutschland. Es gibt keine verbindlichen Statistiken, aber die berühmte 3%-Faustregel, also der Anteil der Übersetzungen an den Neuerscheinungen pro Jahr, trifft es schon recht gut. Manchmal treibt das aber auch Blüten. Die Märchen der Brüder Grimm kennt hier jeder, nur weiß kaum einer, dass sie deutschen Ursprungs sind. Cornelia Funke ist ein weiteres Beispiel. Sie lebt in Los Angeles, also muss sie Amerikanerin sein.

Darauf, ob sie abends frustriert nach Hause geht, antwortet sie:

Selten, denn natürlich sind wir in den letzten Jahren ein Stück weitergekommen, obwohl wir nur ein kleines Büro sind. Unsere Aufgabe ist es zudem nicht, den Leser direkt zu erreichen, sondern die Schaltstellen, also Lektoren, Kritiker, Scouts. Dafür haben wir uns starke Partner gesucht und machen so viel Lärm wie nur möglich. Alle deutschsprachigen Kulturorganisationen in New York machen mit, egal ob Deutsches Generalkonsulat, Goethe-Institut, Deutsches Haus at Columbia University bzw. New York University oder Austrian Cultural Forum. Unser „Festival Neue Literatur“, das kürzlich zum dritten Mal stattgefunden hat, wurde erstmals von der New Yorker Veranstaltungsbibel „Time Out“ berücksichtigt; darauf sind wir schon sehr stolz.

Warum die US-Verlage so übersetzungsfaul sind, erklärt sie sich so:

Zum einen gibt es kaum Lektoren, die Deutsch sprechen, was die Sache nicht leichter macht. Zum anderen stehen die amerikanischen Lektoren unter weit mehr Erfolgsdruck als ihre deutschen Kollegen.

Die Frage, ob es noch Hoffnungsschimmer gibt, beantwortet Stock folgendermaßen:

Immer. Gefühlt ist das Interesse vor allem der Universitätsverlage an Büchern aus Deutschland gewachsen. Lektoren sehen sich häufiger um und fragen auch bei uns nach, was es im Sachbuch so gibt. Das heißt nicht zwangsläufig, dass sie auch Rechte kaufen, aber ein Anfang ist gemacht. Gleiches gilt für gehobene Literatur und auch für Kinderbücher.

Das vollständige Interview können Sie auf der buchreport-Website abrufen. Der buchreport ist das seit 1970 erscheinende Fachmagazin der deutschsprachigen Buchbranche (Buchhandel, Verlage und deren Dienstleister).

[Text: Jessica Antosik. Quelle: buchreport.de, 04.04.2012. Bild: Archiv.]

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