Besonderheiten der schriftlichen Kommunikation im Internet

Bereits seit vielen Jahren beschäftigen sich Sprachwissenschaftler mit der Frage: „Verändert das Internet die Sprache?“ Bei der Kommunikation im Internet hat sich die Mündlichkeit verschriftlicht, obwohl der geschriebene Text nicht den bisherigen Anforderungen entspricht. Das heißt also, dass sich nicht die Sprache an sich verändert hat, sondern das Verhältnis von Sprache und Schrift. So werden im Internet häufig Interjektionen wie „ach“ oder „hm“ sowie Wortverschmelzungen wie „haste“ oder „willste“ verwendet.

Darüber hinaus werden im Internet u. a. Stellungnahmen veröffentlicht, die weder in einem persönlichen Gespräch noch in einem Leserbrief auf diese Art und Weise – vulgär, beleidigend oder sarkastisch – formuliert werden würden. Zudem schreiben viele Menschen aus bildungsfernen Schichten im Internet, die früher meistens mündlich kommuniziert haben. Dies wiederum führt dazu, dass im Internet unzählige Texte mit gravierenden Rechtschreib- und Grammatikfehlern zu lesen sind.

Des Weiteren ist es aufgrund der Anonymität im Internet leichter zu pöbeln. Dies ist auch bei Nachrichtenseiten im Internet der Fall. Eine Gruppe von Studierenden der Universität Heidelberg hat unter der Leitung des Germanisten Friedemann Vogel zu diesem Thema eine Untersuchung durchgeführt. Die Heidelberger sind zu dem Ergebnis gelangt, dass unter den fünf analysierten Medien auf bild.de und web.de die meiste sprachliche Gewalt und das höchste Maß an Brutalität herrschen. Unter sprachlicher Gewalt wird „jeder gesichtsverletzende verbale Angriff“ verstanden. Doch auch auf spiegel.de und handelsblatt.de gab es durchaus sprachliche Gewalt, wobei angemerkt werden muss, dass hier zumeist der Zorn die Motivation ist und weniger vulgäre Ausdrücke verwendet werden. Auf zeit.de wird vulgäre Sprache komplett vermieden.

Die Studenten haben bei ihrer Untersuchung festgestellt, dass die meisten Kommentare hauptsächlich dem Ausdruck von Gefühlen dienen. Zwar würden auch Sachverhalte diskutiert, der Kommentar diene jedoch hauptsächlich zur Darstellung der persönlichen Haltung zum emotionsgeladenen Thema. Fazit der Studierenden aus Heidelberg: „Nachrichtenkommentare im Internet dienen zuallererst der Entladung von Emotionen. In der Anonymität des virtuellen Raumes entfällt die soziale Kontrolle, treten alltägliche Normen des höflichen Umgangs außer Kraft.“

Die Tatsache, dass die Internetnutzer teilweise Hunderte oder Tausende von Kilometern voneinander trennen, spielt keine Rolle, denn es ist trotzdem möglich, in Echtzeit miteinander zu kommunizieren. Dabei schafft ein Chatraum oder Ähnlich eine emotionale und soziale Nähe – die Internetnutzer sind in diesem Moment Teil einer Gemeinschaft, duzen sich und lassen ihren Emotionen schriftlich freien Lauf.

[Text: Jessica Antosik. Quelle: stuttgarter-zeitung.de, 24.04.2012.]