Sprache: Österreich grüßt Gott nicht mehr

Die österreichische Sprache ist auf dem Rückzug. Der Grund: Sie wird vom Hochdeutschen aus dem Norden verdrängt. Dies zeigt eine Untersuchung des emeritierten Germanistik-Professors Peter Wiesinger. Er lieβ österreichische Studierende Bilder betiteln. Ein Drittel schrieb statt der österreichischen „Stiege“ den in Deutschland üblichen Begriff „Treppe“. Statt „Kassa“ hieß es „Kasse“, statt „ein Einser“ oft „eine Eins“. Zwar hört man in Wien zur Begrüßung weiterhin „Grüß Gott“ und „Servus“. Aber bei der Arbeit oder in Kneipen rufen viele lieber „Hallo“. Zum Abschied heißt es immer öfter „Tschüss“ und nicht mehr „Baba“.

Diese Entwicklung ist auf die Medien, die synchronisierten Filme und das Internet zurückzuführen. „Grundsätzlich ist die Jugendsprache eher englisch und norddeutsch geprägt“, so Wiesinger. Der Germanist befürchtet das Aussterben der Austriazismen, das heiβt also von spezifischen Begriffen, die nur in Österreich verwendet werden.

In den westlichen Ländern darf zudem nicht der Einfluss des Tourismus von Deutschen und Niederländern auβer Acht gelassen werden. „Da passen sich die Einheimischen an, weil sie von den Touristen, die Geld bringen, verstanden werden wollen“, sagt Wiesinger.

Beim EU-Beitritt 1995 ließ Österreich seine Sprache symbolisch als eigenes Kulturgut anerkennen. 23 Bezeichnungen aus dem Bereich der Lebensmittel wurden als spezifische Begriffe aufgezählt. Doch inzwischen heißt es in Supermärkten häufig „Cherry-“ oder „Fleisch-Tomaten“ statt „Paradeiser“. Der österreichische „Schweinsbraten“ wird oftmals zum „Schweinebraten“.

Vor einigen Jahren verfasste der Journalist Robert Sedlaczek ein Kleines Handbuch der bedrohten Wörter Österreichs und beklagte: „Wir sind eine aussterbende Sprache. Was sich zurzeit abspielt, kann nur so beschrieben werden: Die Vielfalt wird eingeebnet, die Sprache verfällt.“ Sedlaczek sammelt bedrohte Wörter. „Die Sprache ist ein beinharter Verdrängungswettbewerb“, sagt er. „Oft hat ein Wort lange Zeit gute Dienste geleistet, da taucht plötzlich ein konkurrierender Ausdruck für dieselbe Sache auf, meist aus dem Angloamerikanischen oder aus dem Norddeutschen, und versucht, ihm den angestammten Platz streitig zu machen.“

[Text: Jessica Antosik. Quelle: zeit.de, 10.08.2012. Bild: uepo-Archiv.]