Die Frankfurter Rundschau porträtiert die Gebärdensprachdolmetscherin Katharina Nikkel aus Bad Homburg, die die deutsche und die brasilianische Gebärdensprache beherrscht. Die 20-Jährige wuchs mit der Gebärdensprache auf, denn beide Elternteile sind taub. Die Lautsprache lernte sie durch Verwandte und im Kindergarten.
Heute arbeitet Nikkel freiberuflich als Dolmetscherin für Gebärdensprache in ihrer Heimatstadt und dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. Der Bedarf sei groß, die sozialen Träger zahlten 55 Euro pro Stunde.
Die spezielle Situation Gehörloser charakterisiert Nikkel so: Blindheit trennt von den Dingen, Gehörlosigkeit trennt von der Kommunikation. Gehörlosigkeit vererbe sich nicht, deshalb komme es oft zu innerfamiliären Konflikten. Im Zeitungsartikel heißt es:
Während Kinder mit gehörlosen Eltern die Gebärdensprache selbstverständlich lernen, raten Ärzte hörenden Eltern mit einem tauben Kind häufig noch immer, mit ihm Lautsprache zu sprechen. Das ist fatal, weil die Kinder vieles nicht mitbekommen, sagt Nikkel. Selbst wenn man die Wörter kennt, versteht man beim Lippenlesen nur 30 Prozent. Kinder sollten zwar die Lautsprache lernen. Basis müsse aber die Gebärdensprache sein.
Zu der von der Politik zurzeit massiv propagierten Inklusion, also dem Unterrichten von Behinderten in normalen Schulklassen statt der früher üblichen gezielten Förderung in Sonderschulen, meint Nikkel: […] die Inklusion scheitert an der Praxis. Es ist teuer, und ein Dolmetscher hilft beim Unterrichtsstoff, nicht aber bei sozialen Kontakten. Dennoch sei das heutige System ein Fortschritt, denn bis in die 1980er Jahre hinein hätten Gehörlose kein Abitur machen dürfen.
Lobend äußert sich Nikkel zum technischen Fortschritt, der Gehörlosen vieles erleichtere (SMS, Videosprechanlagen, für das iPad sei ein mobiler Dolmetscher denkbar).
[Text: Jessica Antosik. Quelle: Frankfurter Rundschau, 29.09.2012. Bild: Archiv.]