Die Sprache hat einen großen Einfluss auf uns und unsere Wahrnehmung. Unser Denken und Handeln wird schon von einzelnen Begriffen geleitet. Andere können uns zum Beispiel durch bestimmte Wörter gezielt manipulieren. Oftmals sind wir uns über den Einfluss der Worte jedoch gar nicht bewusst. Außerdem finden Hirnforscher und Psychologen immer mehr Hinweise darauf, dass wir uns mit unserer Muttersprache bestimmte Denkmuster aneignen, die uns ein Leben lang begleiten und prägen. Unsere Muttersprache beeinflusst also im großen Maße unsere Weltansicht.
Metaphern: Nicht nur poetischer Zuckerguss
Einige Menschen haben das Talent, andere mit ihren Worten zu fesseln. Da wären wir auch schon bei dem Thema Metaphern. Metaphern übertragen eine konkrete Erfahrung auf ein abstraktes Konzept. Sie stehen an der Schnittstelle zwischen Wahrnehmen und Handeln sowie Denken. Sie wirken im Verborgenen. Wir bemerken nicht, wie groß ihre Macht ist. Metaphern sind viel mehr als rhetorische Figur und poetischer Zuckerguss. Das haben auch die Politiker herausgefunden und machen sie sich zunutze. Hans-Jörg Schmid von der Ludwig-Maximilians-Universität München verweist auf den Neologismus Euro-Rettungsschirm: Das weckt die Assoziation, dass man einen Staat schützt, der unverschuldet in ein Unwetter geraten ist. Ganz anders verhalte es sich allerdings mit dem englischen Begriff bail out, der übersetzt etwa herausholen, aber auch auf Kaution aus dem Gefängnis holen bedeutet und ganz andere Assoziationen hervorruft als der deutsche Begriff. Er legt nahe, dass der von der Pleite bedrohte Staat selbst an seiner misslichen Lage schuld, womöglich gar kriminell sei, heißt es in der aktuellen Ausgabe von ZEIT Wissen. George Orwell war bereits Mitte der Achtzigerjahre folgender Ansicht: Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken.
Fluchen hat Stress zur Folge
Wenn wir ein Tabuwort aussprechen, löst das bei uns körperliche Stresssymptome aus. Euphemismen mit gleicher Bedeutung haben nicht diese Folge. Wissenschaftler nehmen an, dass der ausgelöste Stress durch unsere Kindheit bedingt ist. Kinder lernen nämlich noch bevor sie die eigentliche Bedeutung der bösen Wörter kennen, dass die Eltern wütend werden, wenn sie sie aussprechen. Im Streit werden Wörter zu Waffen. Wörter können als Schwert eingesetzt werden, aber auch tief verletzen.
Die Magie des Etiketts
Studien ergaben, dass allein das, was auf der Beschreibung von Lebensmitteln geschrieben steht, Einfluss auf unser Geschmackserlebnis ausübt. Ein exotischer Name beispielsweise verleiht einem Getränk ein frisches Aroma; es schmeckt exotischer. Auch ein Kuchen schmeckt besser, wenn er traditionell oder nach Großmutters Rezept gebacken wurde. Unsere Wahrnehmung lässt sich also stark von Begriffen leiten.
Worte für die Sinne
Hören wir Wörter wie Parfüm oder Kaffee wird im Gehirn das Areal angeregt, das für die Geruchsverarbeitung zuständig ist. Wenn in einem Text Bewegungen beschrieben werden, wird der Motorkortex aktiviert. Auf diese Weise kann man sich sogar selbst manipulieren: Sagt man greifen, während man nach etwas greift, werden die Bewegungen insgesamt flüssiger.
Achtung Vorurteil
Laut einer Studie von Psychologen halten Menschen Aussagen von anderen für nicht glaubwürdig, wenn sie von Menschen mit einem ausländischen Akzent stammen.
Das Geschlecht der Dinge
Ob Brücken elegant oder gewaltig sind, hängt von der Sprache ab, die man spricht. Deutsche Probanden einer Studie verbanden mit einer Brücke weibliche Eigenschaften, wohingegen Spanier einer Brücke eher männliche Attribute zuschrieben. Das grammatikalische Geschlecht beeinflusst die Betrachtung von Dingen also erheblich.
Worte gegen Angst
Wer seine Angstgefühle in Worte fassen kann, kommt besser über die Ängste hinweg. Das ist das Ergebnis einer Studie mit Spinnenphobikern. Während die Patienten mit einer Spinne konfrontiert wurden, sollten einige von ihnen ihre Ängste in Worte fassen. Diejenigen, die dies taten, hatten später weniger Stresssymptome, wenn sie einer Spinne ausgesetzt wurden und wagten sich näher an die Spinne heran.
Vorsicht bei Namenswahl
Der Name eines Schülers beeinflusst dessen Ruf. Schüler mit dem Namen Kevin oder Mandy werden laut einer Umfrage von Lehrern bereits von Anfang an als tendenziell leistungsschwächer angesehen als Kinder namens Alexander oder Sophie. Auch Menschen mit komplizierten Familiennamen werden einer Studie zufolge als eher unsympathisch angesehen. Anscheinend bevorzugen wir Informationen, die das Gehirn leicht verarbeiten kann.
Fremdsprache fördert rationale Entscheidungen
Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen in einer Fremdsprache Entscheidungen rationaler treffen. Eine fremde Sprache distanziert vom intuitiven Denken, weil sie nicht so einen emotionalen Nachklang hat wie die Muttersprache.
[Text: Jessica Antosik. Quelle: ZEIT Wissen, Ausgabe: Oktober/November 2012, Nr. 6, S. 1426. Bild: cirquedesprit/Fotolia.de.]