Afghanische Dolmetscher und andere so genannte Ortskräfte fürchten mit dem beginnenden Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan um ihr Leben. Sie haben ihre Befürchtungen wie auch bereits aktuelle Bedrohungssituationen gegenüber deutschen Medien deutlich gemacht (FAZ vom 24. September 2012: Die Übersetzer; Süddeutsche Zeitung vom 1. Oktober 2012: Männer wie Freiwild). Auch die Bundeswehrangehörigen, die mit ihnen zusammengearbeitet haben, wissen um ihre prekäre Situation bis ganz oben in der Generalität.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hingegen hat sich gerade geweigert, ein Aufnahmeprogramm für die Ortskräfte aufzulegen. Er behauptet, wenn es konkrete Hinweise darauf gebe, dass afghanische Mitarbeiter aufgrund ihrer Zusammenarbeit etwa mit der Bundeswehr gefährdet seien, dann wissen wir, was wir zu tun haben, so der Minister, zitiert von der Süddeutschen Zeitung am 27. November 2012.
Nach Informationen von Pro Asyl wurde jedoch weder mit afghanischen Mitarbeitern gesprochen, was im Falle einer Bedrohung zu tun sei, noch wird da Hilfe geleistet, wo eine ernstzunehmende Bedrohungslage schon gegeben ist.
Es ist empörend, wenn de Maizière stattdessen im Stile eines Märchenonkels in den Raum stellt, dass die Ex-Mitarbeiter der Bundeswehr in einigen Jahren wichtige Funktionen in der afghanischen Gesellschaft ausüben könnten, etwa als Schulleiter oder Gouverneure. Viele der Betroffenen wären bereits froh, auch ohne solche Karriereerwartungen einigermaßen sicher leben zu können.
Dass die Sicherheitslage kippt, wo sich die Bundeswehr aus der Fläche zurückgezogen hat, will der Bundesverteidigungsminister nicht zugeben. Für den Fall, dass dies theoretisch eintreten sollte, stellt er zunächst nur in Aussicht, dass versucht werden soll, die Mitarbeiter und ihre Familien innerhalb Afghanistans an anderen Orten unterzubringen.
Dies klingt so, als habe die Bundeswehr afghanischen Ex-Mitarbeitern bislang Schutz gewähren können. Das ist nicht der Fall. Hinter den Äußerungen des Bundesverteidigungsministers verbirgt sich eine fortwährende Verletzung seiner Fürsorgepflichten für Menschen, die mit ihren Diensten für die Bundeswehr und Nichtregierungsorganisationen einiges riskiert haben.
Die Bundeswehr ist in Afghanistan auch während der Abzugsphase auf die Hilfe der Ortskräfte angewiesen. Verständlich ist auch, dass der Verteidigungsminister den Schein aufrechterhalten will, die afghanischen Sicherheitskräfte könnten nach dem ISAF-Abzug die Sicherheit gewährleisten. Das entbindet ihn und die Bundesregierung nicht von der Verantwortung für die in Dienst genommenen Hilfskräfte. Deren Leben zu schützen hat Vorrang. Und dies jetzt.
Über Pro Asyl
Pro Asyl ist eine unabhängige Menschenrechtsorganisation, die sich für den Schutz und die Rechte verfolgter Menschen in Deutschland und Europa einsetzt. Neben Öffentlichkeits- und politischer Lobbyarbeit, Recherchen und der Unterstützung bundesweiter Initiativgruppen will der Verein Flüchtlinge in ihren Asylverfahren begleiten und konkrete Einzelfallhilfe leisten.
[Text: Pro Asyl. Quelle: Pressemitteilung 2012-11-29. Bild: Pro Asyl.]