Ende des Sommersemester 2012 ist Univ.-Prof. Dr. Erika Worbs (Bild), Professorin für Polnische Sprache und Kultur am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaften in Germersheim der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, in Pension gegangen. Jessica Antosik, uepo.de-Mitarbeiterin und Master-Studentin am FTSK Germersheim, stellte Univ.-Prof. Dr. Worbs in einem Interview einige Fragen zur Entwicklung des Arbeitsbereichs Polnisch in den vergangenen Jahren, zu den Hintergründen der Polnisch-Studierenden am Fachbereich und zu den Studierendenzahlen. Außerdem ging sie auf die B.A.-/M.A.-Umstellung sowie auf die Arbeitsplätze der ehemaligen Polnisch-Studierenden ein. Darüber hinaus erkundigte sie sich bei Univ.-Prof. Dr. Erika Worbs nach der Zukunft des Arbeitsbereichs Polnisch.
Erst einmal vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, das Interview mit mir zu führen. Jetzt sind sie ja nun schon seit 1993 in Germersheim, das heißt also seit 19 Jahren. Nun wollte ich Sie fragen, was konnten Sie hier bewirken? Was hat sich verändert vor allem im Arbeitsbereich Polnisch?
Polnisch besteht als eigenständiges Fach eigentlich erst mit der Einrichtung einer Professur Polnische Sprache und Kultur am damaligen Fachbereich für Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft (FASK) in Germersheim. Vor dieser Zeit gab es zwei Polnisch-Lehrkräfte, die Übersetzungsübungen für die wenigen deutschen Studierenden mit Zweitfach Polnisch sowie für die am Germanistischen Institut Deutsch als Fremdsprache studierenden Polen hielten. Ich habe also nicht ganz von Null angefangen, als ich zum Wintersemester 1993/94 von der Berliner Humboldt-Universität nach Germersheim wechselte. Einer meiner ersten Schritte in Germersheim war, die Zulassung von Polnisch als Erstfachsprache (sog. B-Sprache) zu beantragen, um mehr Studierende zu gewinnen.
Anfangs saßen in einem Seminar oder einer Vorlesung vielleicht fünf oder sechs Studierende, die seinerzeit noch einen Abschluss als Diplom-Übersetzer mit Polnisch als Erst- oder Zweitfach anstrebten. Hinzu kamen dann in den folgenden Jahren immer mehr junge Leute aus Polen zum Studium in die Pfalz. Germersheim ist eine der wenigen Ausbildungsstätten für das Fach Deutsch als Fremdsprache auf der Grundlage ihrer Muttersprache.
Immer öfter fragten interessierte Studierende, ob es nicht auch die Möglichkeit gäbe, einen Studiengang Diplom-Dolmetscher für Polnisch anzubieten. Das war aus kapazitären Gründen für so ein kleines Fach wie Polnisch nicht möglich. Aber wir haben zunächst fakultative Zusatzmodule zur Einführung ins Dolmetschen entwickelt, die sehr gut angenommen wurden.
Dann kam uns die neue Situation in Europa zu Hilfe: Die Osterweiterung der Europäischen Union und der absehbare Engpass bei der Rekrutierung von Dolmetschern für die Sprachen der Beitrittsländer veranlassten den Gemeinsamen Dolmetscher- und Konferenzdienst der Europäischen Union und das Europäische Parlament im Jahre 1997 dazu, ein Pilotprojekt zur postgradualen Ausbildung von Dolmetschern, den European Masters in Conference Interpreting (EMCI), zu initiieren. Es wurde ein spezielles Curriculum entwickelt, das die Ausbildung von Konferenzdolmetschern in einem Zeitraum von nur neun Monaten vorsah, und zwar in erster Linie für die Sprachen der Beitrittsländer wie Ungarisch, Tschechisch, Polnisch, Slowenisch, Lettisch usw.
Das Fach Polnisch ergriff die Chance und startete als erste Sprache am FASK im Oktober 2000 die Ausbildung für eine gemischte Gruppe von polnischen und deutschen Teilnehmern mit hohen Vorkenntnissen. Der organisatorische und didaktische Aufwand für diese Ausbildung war enorm und überstieg fast die Kräfte des Faches, aber es war ein spannendes Experiment, aus dem einige exzellente Absolventen hervorgingen, die z. B. auch in Brüssel ihren Platz als Konferenzdolmetscher fanden. Wir haben diese Euromasters-Ausbildung mit Polnisch nur einmal durchgeführt, andere Sprachen am FASK sind dem Beispiel gefolgt.
Seit dieser Zeit werden immer in irgendeiner organisatorischen Form Dolmetschübungen für Polnisch angeboten, meist als zwei Wahlmodule. Die Konsequenz aus unseren unterschiedlichen Erfahrungen mit dem Dolmetschen war dann mit der Neueinführung gestufter Studiengänge die Einführung des M.A. Konferenzdolmetschen Polnisch. Der Germersheimer Fachbereich ist inzwischen in Deutschland die einzige universitäre Ausbildungsstätte, die diesen M.A. mit Polnisch anbietet. Darauf bin ich einigermaßen stolz.
Was habe ich als Leiterin des Arbeitsbereichs Polnisch noch bewirken können in all den Jahren? Etwas, was sich gerade in den letzten Jahren gezeigt hat, als der Generationswechsel bei den erfahrenen Polnisch-Lehrkräften eintrat: Alle jüngeren qualifizierten Mitarbeiter, die ihnen nachfolgten, sind unsere eigenen Gewächse, d. h. sie haben jetzt, inzwischen teilweise promoviert, die Aufgaben übernommen, Übersetzer auszubilden. Und es hat da keinen Qualitätsverlust gegeben. Ich kann also beruhigt meinen Posten verlassen. Es ist eine wichtige Aufgabe der Übersetzer ausbildenden Institutionen, dass sie auch wissenschaftlich-didaktischen Nachwuchs für diese spezielle Disziplin heranziehen, wer soll es denn sonst tun, wenn nicht die Institutionen selbst?
Als Wissenschaftlerin, die sich in der polonistischen Forschung viel mit lexikografischen Fragen beschäftigt hat, habe ich ein Netzwerk von Kontakten mit polnischen Kollegen aufbauen können, das zu einer regen Kooperation führte. Wichtigstes Ergebnis ist wohl das in Zusammenarbeit mit der Universität Warschau unter meiner Leitung entstandene und 2007 erschienene polnisch-deutsche Wörterbuch der Neologismen, das den neuen Wortschatz nach 1989 erfasst. Wir haben mit den polnischen Partner-Instituten für Übersetzen und Dolmetschen einen regen Austausch von Studierenden und Dozenten aufgebaut, und so viel voneinander erfahren und gelernt. Insofern würde ich rückblickend sagen, ich habe dazu beigetragen, dass sich das idyllische Germersheim im polnischen akademischen Milieu einen Namen als Ausbildungsstätte für Polnisch-Übersetzer und -Dolmetscher gemacht hat. Ich bin, summa summarum, mit meiner ganz persönlichen Bilanz der letzten 19 Jahre zufrieden.
Wie haben sich die Studierendenzahlen entwickelt? Und hat die Mehrheit der Studierenden polnische Wurzeln oder gibt es auch Studierende, die Polnisch von Null anfangen?
Unsere Studierendenzahlen haben sich trotz mancherlei Werbeaktion seit Jahren bei ca. 80 eingeschriebenen Studierenden eingependelt, etwas mehr waren es kurz vor und nach dem EU-Beitritt Polens. Die Mehrzahl davon hat polnische Wurzeln. Deutsche Muttersprachler, die von Null anfangen, sind eher die Ausnahme, es sind so zwei bis drei jährlich. Diese Studierenden haben die Möglichkeit, den Grundkurs am Mainzer Polonicum zu besuchen, um Basiskenntnisse zu erwerben, die dann durch Tutorien und Hochschulferienkurse in Polen ausgebaut werden. Gerade diesen wenigen Studierenden galt immer meine besondere Aufmerksamkeit, weil ich es bemerkenswert und hoffnungsvoll finde, wenn junge Deutsche ohne jegliche familiäre Bindungen zu Polen dessen Sprache und Kultur kennenlernen und beruflich einsetzen wollen. So war auch mein eigener Bildungsweg: Ich habe Polnisch an der Humboldt-Universität in Berlin von der Pike auf gelernt, ohne jeglichen polnischen Hintergrund, und habe es nie bereut, im Gegenteil.
Das zweite Standbein meines Faches waren, wie bereits angedeutet, über viele Jahre die Studierenden aus Polen, die in Germersheim das Fach Deutsch als Fremdsprache belegten, was natürlich bedeutete, dass sie auch und vor allem das Übersetzen aus dem Polnischen und ins Polnische erlernen mussten. Und diese Ausbildung erhielten sie am Arbeitsbereich Polnisch. Es gab seit den 90er Jahren einen immer größeren Zustrom, zeitweise waren es um 150 junge Leute aus Polen. Hinzu kamen die polnischen Erasmus- oder DAAD-Stipendiaten, die für ein bis zwei Semester nach Germersheim kamen. So hatte mein Fach lange Zeit ca. 250 Studierende zu versorgen, ich kann mich an Übersetzungsübungen mit ca. 50 Teilnehmern erinnern.
Inzwischen sind die Zahlen spürbar zurückgegangen, was auch z. T. mit der jüngsten Bologna-Studienreform zu tun hat. Diese Reform während meiner langen Tätigkeit an deutschen Universitäten habe ich mehrere davon erlebt ist in meiner Wahrnehmung der tiefste Einschnitt in der akademischen Lehre. Das war und ist eine gewaltige Herausforderung für Lehrende wie Studierende. Ihr müssen sich nun meine jüngeren Kollegen stellen.
Wissen Sie, wo die Germersheimer Absolventen mit Polnisch als Arbeitssprache eine Arbeit gefunden haben? Überwiegend in Deutschland oder doch eher in Polen?
Ich wüsste das auch sehr gern. So ein Feedback ist außerordentlich wichtig für uns als Hochschule, doch der Aufbau einer Alumni-Bank geht sehr schleppend voran. Die meisten Absolventen verstummen mit der Abreise aus Germersheim: Aus den Augen, aus dem Sinn. Natürlich haben wir mit einigen noch Kontakte und erfahren etwas über den weiteren Lebensweg der anderen.
Der Arbeitsmarkt für Polnisch-Übersetzer und -Dolmetscher ist überschaubar, wir hatten alle nach der EU-Osterweiterung diesbezüglich vielleicht zu viele Illusionen, der Bedarf an Polnisch-Dienstleistungen ist nicht explodiert. Es gibt dennoch die ganze Bandbreite der Möglichkeiten des beruflichen Einsatzes, sie aufzuspüren und zu realisieren, hängt nicht zuletzt von der Initiative der Studierenden ab, und natürlich muss man auch ein bisschen Glück haben.
Von den polnischen Studierenden gehen die meisten wohl nach Polen zurück, oder sie arbeiten, wenn sie hier inzwischen eine Familie gegründet haben, in Deutschland, meist freiberuflich oder in einem Übersetzungsbüro. Die deutschen Absolventen gehen selten nach Polen, doch es gibt auch schöne Beispiele, wo sich in Polen gute Berufsperspektiven boten. Unsere Absolventen sind zum Beispiel sehr gern als Übersetzungs-Lehrkräfte an den polnischen Universitäten gesehen, beispielsweise in Opole oder Poznań. Auch in Fremdsprachendiensten, so in Brüssel oder im Bundessprachenamt, sind sie vertreten.
Eine wesentliche Rolle für einen Job spielt die Sprachenkombination. Meist wird beruflich nicht Polnisch, sondern die zweite studierte Sprache genutzt, in erster Linie Englisch oder Französisch. Insofern ist es wichtig, die Sprachenkombination mit Bedacht auszuwählen, das Studium zweier less widely used languages schränkt die Berufschancen erheblich ein.
Doch die Kompetenzen oder Skills, die man während des Übersetzerstudiums erwirbt, erleichtern nicht selten den Zugang zu anderen beruflichen Richtungen, z. B. in Unternehmen. Einige Absolventen, die sich bereits während des Studiums im Sachfach der Informatik zuwandten, haben sich danach beruflich in der Informatik etablieren können. Sicher gibt es die hier erwähnten beruflichen Lebenswege nicht in der Masse. Jemand, der von Anfang an gezielt studiert und keinen Tunnelblick hat, sondern so breit wie möglich aufgestellt ist, findet später meist seinen Platz.
Doch ich habe auch erlebt, dass die Frage nach dem weiteren Einsatz erst akut wird, wenn das Studium zu Ende ist. Das ist ein großer Fehler. Durch die nun verkürzten Regelstudienzeiten, zum Beispiel im M.A. mit vier Semestern, werden die Studierenden zunehmend schon bei der Wahl der Studienfächer und Studienmodule die berufliche Praxis fest ins Visier nehmen.
Wie hat sich die Umstellung auf die neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse auf den Arbeitsbereich ausgewirkt?
Für endgültige Schlüsse ist es noch zu früh, weil sich auch ständig etwas ändert. Unsere neuen Angebote müssen erst bekannt werden. Insgesamt haben sich die Zahlen bei unseren eigenen deutschen Studierenden nicht wesentlich verändert, im Schnitt sind es 15 bis 20 neu Immatrikulierte jedes Jahr. Doch die neuen Studiengänge mit ihrer festgefügten Modulstruktur und ihrer kurzen Regelstudienzeit sind nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Lehrenden eine Herausforderung. Wir beklagen in der Tat eine Verschulung der Studiengänge. Für die Studierenden, so hat man mitunter den Eindruck, sind die ECTS-Punkte manchmal wichtiger als Inhalte.
Doch seit dem Beginn des Wintersemesters gilt an unserem Fachbereich eine reformierte Bachelor-Ordnung, die die Erfahrungen mit dem alten B.A. berücksichtigt und den Studiengang einerseits entlastet, andererseits den Studierenden eine ganze Reihe von neuen Wahlmöglichkeiten eröffnet, was den Bachelor-Abschluss noch attraktiver macht.
Dazu gehört auch, dass die Zweitfachsprache, die sog. C-Sprache, die man studiert, aufgewertet wird und sich vom Studienaufwand her nicht mehr von der Erstfachsprache unterscheidet. Sie bekommt mit ihrem bisher sehr schmalen Profil nun mehr Gewicht, das ist von Bedeutung für den späteren beruflichen Einsatz. Insgesamt ist aus meiner Sicht die Umstellung auf die neue Studienstruktur gelungen. Der dreijährige B.A. ist ein erster berufsqualifizierender Abschluss, der vom Profil und den Kompetenzen her nicht gleichzusetzen ist mit dem früheren Übersetzer-Diplom. Wer in diese Richtung gehen will, kann einen der M.A.-Studiengänge wählen, die zum Fachübersetzer-Abschluss führen.
Durch die Umstellung vom Diplom auf B.A. und M.A. stehen die Studierenden aber unter permanentem Zeitdruck, finden Sie nicht?
Diese Schlussfolgerung scheint mir zu kurz gegriffen. Erste Analysen zum Zeitmanagement der Bachelor-Studierenden besagen, dass das tatsächliche Zeitvolumen, das für das Studium eingesetzt wird, gar nicht so extrem hoch ist. Aber das wird von Disziplin zu Disziplin individuell verschieden sein. Das sagt uns, dass wir den Studierenden mehr Studienberatung bieten müssen, auch in puncto Studienorganisation.
Eine Ursache für die Zeitnot der Studierenden, die in studienorganisatorischen Erwägungen meist ignoriert wird, möchte ich noch ansprechen: Man darf nicht vergessen, dass wir es überwiegend mit Teilzeitstudierenden zu tun haben, die neben dem Unterricht und in der vorlesungsfreien Zeit jobben, um das Studium zu finanzieren. Und dadurch auch denjenigen gegenüber benachteiligt sind, die finanziell von Hause aus gut ausgestattet sind. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Es ist eine alte Klage an den Universitäten, dass die Studierenden aus der Schule nicht mehr genügend Wissensbestände mitbringen. Auch bei uns fehlen bei Studienbeginn nicht selten die grammatischen Grundlagen, ohne die man beim Übersetzen nicht auskommt. Mit der Einführung des B.A. und M.A. reicht die Zeit, um die Lücken aufzufüllen, nicht mehr aus und es ist viel Eigeninitiative erforderlich.
Es stimmt auch, dass es zu viele Leistungsüberprüfungen gab, das ist inzwischen geändert worden. Was mir nicht gefällt, ist, dass das straffe Studienprogramm keinen mehr Raum lässt, nach links und rechts zu schauen und in andere Themenbereiche hinein zu schnuppern, wie es eben an der Universität üblich sein sollte. Das frustriert die ehrgeizigen Studierenden. Aber drei Jahre für ein B.A.-Studium sind nun mal eine kurze Zeit, da drängt sich Vieles zusammen. Wir werden sehen, wie der reformierte Bachelor angenommen wird, ob er tatsächlich den Druck aus dem Kessel nimmt. Ich bin da optimistisch.
Wissen Sie, wie es mit dem Arbeitsbereich Polnisch nun weiter geht und wer sich für Ihre Professur beworben hat?
Die Polnisch-Professur soll fortgeführt werden, was für den Bestand des Faches Polnisch von großer Wichtigkeit ist. Es ist für mich eine Genugtuung, dass es sich seit der Errichtung der Professur 1993 so entwickelt hat, dass Polnisch nicht in vorderster Linie bei den immer wieder aufkommenden Überlegungen für die Streichung von Fächern steht. Wir wissen, welche Einbußen die Slawistik in Deutschland nach 1989 erlitten hat, wie viele Lehrstühle geschlossen wurden.
Die Ausschreibung der Professur ist noch in vollem Gang, aber die Stelle wird aus Kostengründen ohnehin erst zum nächsten Wintersemester neu besetzt, es ist also noch genügend Zeit. Ich hoffe, dass es ein Linguist oder eine Linguistin sein wird, die Linguisten werden in Germersheim immer weniger. Und es ist eine Binsenweisheit, dass Übersetzen auch sehr viel mit Sprache zu tun hat Jedenfalls bin ich gespannt, wie es in Germersheim weitergeht, ich werde es von Berlin aus aufmerksam verfolgen.
Zu guter Letzt möchte ich Ihnen noch die Frage stellen: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus, wenn Sie nach Berlin zurückgehen?
Natürliche werde ich nicht auf der wissenschaftlichen Bärenhaut liegen, Wissenschaftler bleibt man auch nach der Pensionierung, und ich bin durch den Umzug nach Berlin wieder dichter an Polen herangerückt, das eröffnet neue Möglichkeiten. Aber ich werde nunmehr bewusster mit der neu gewonnenen Zeit umgehen, nach dem Lustprinzip arbeiten. Viele Bücher meiner Bibliothek warten noch darauf, gelesen zu werden. Ein konkretes Projekt habe ich im Moment noch nicht, vielleicht etwas im didaktischen Bereich. Ich genieße es, meine Zeit nicht mehr mit studienorganisatorischen Dingen wie dem Schreiben und Ändern von Studienordnungen und tagesfüllenden Diskussionen darüber füllen zu müssen, das ist ein großer Luxus.
Ich habe Berlin 1993 verlassen, das ist in der Zwischenzeit eine ganz andere Stadt geworden. Ich möchte also Berlin wiederentdecken oder überhaupt entdecken. Ein reiches wissenschaftliches und kulturelles Angebot erwartet mich. Mit den polnischen Kollegen arbeite ich weiter zusammen. Und dann sind da noch die Enkelkinder. Also so ruhig wird der Ruhestand gar nicht. Ich bin ein bisschen gespannt, wie es mir ohne die Studierenden gehen wird.
Univ.-Prof. Dr. Worbs, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre Zukunft.
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Erika Worbs war von 1993 bis 2012 Leiterin des Arbeitsbereiches Polnisch am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) in Germersheim der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Von 1964 bis 1969 studierte sie an der Humboldt-Universität zu Berlin (Fachrichtung Dolmetschen und Übersetzen), davon zwei Jahre in Polen (Posen und Warschau) und hat ihren Abschluss als Diplom-Übersetzerin für Russisch und Polnisch erworben. Die nachfolgenden Jahre war sie als wissenschaftliche Assistentin und Oberassistentin an der Humboldt-Universität Berlin tätig. 1980 promovierte sie zu dem Thema Zwillingsformeln im Polnischen und Deutschen, 1990 erfolgte die Habilitation über die Zweisprachige phraseologische Lexikographie. Eine vergleichende Studie an slawisch-deutschem Material. (Venia legendi: Polnische Sprachwissenschaft).
Die Website des FTSK Germersheim der Universität Mainz finden Sie unter www.fb06.uni-mainz.de
[Text: Jessica Antosik, Univ.-Prof. Dr. Erika Worbs. Quelle: Interview vom 23.05.2012. Bild: FTSK Germersheim, Natalie Bärtges.]