Nur noch eine Dolmetscherin im Deutschen Bundestag – Verliert Berufsgruppe an Einfluss?

Zahlenmäßig überaus schwach ist die Berufsgruppe der Übersetzer und Dolmetscher im 2013 neu gewählten Deutschen Bundestag vertreten. Unter den 613 Abgeordneten der 18. Wahlperiode befindet sich lediglich eine einzige Dolmetscherin (Absolventin der Würzburger Dolmetscherschule). In ihrer Kurzbiografie auf der Bundestags-Website heißt es:

  • Doris Wagner
    Doris Wagner

    Doris Wagner, Bündnis 90/Die Grünen
    Büroleitung
    Geboren am 28. Januar 1963 in Bremen;
    Abitur 1982; 1982 bis 1985: Ausbildung zur Dolmetscherin mit Schwerpunkt „Wirtschaft“ in Würzburg; Während der Ausbildung Trimester an der Universität von Salford in Manchester; Ausbildung als Textilbetriebswirtin.
    Fremdsprachenkorrespondentin in Bremen bei Europa Carton und Siemens Ltd. in London; 1988 bis Mitte 1990: European Sales Coordinator bei John Kaldor Fabrikmaker in London; Fremdsprachenkorrespondentin in Mailand; Wechsel zur Weberei Fossati Lamperti in Monza; Arbeitgeber nach der Ausbildung zur Textilbetriebswirtin: Rena Lange, OnStage, Mondi und Leder Walter; 2002 Selbstständigkeit mit einer Veranstaltungsagentur; seit 2009 Leitung des Büros von Barbara Lochbihler (Europa Parlament) in Bayern.
    Aktiv bei einem Frauenkarrierenetzwerk.
    Eintritt in die Partei Bündnis90/Die Grünen 2001; Beisitzerin im Vorstand des Ortverbands Schwabing/Maxvorstadt/Alte Heide/Freimann; Beisitzerin im Vorstand des Kreisverbandes München; Delegierte zu zahlreichen Landes- und Bundesparteitagen; Delegierte zum Länderrat und zum Bundesfrauenrat; Sprecherin des Landesarbeitskreises (LAK) Frieden/Europa/Eine Welt; Sprecherin des LAK Frauen- und Gleichstellungspolitik; Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) für Frauenpolitik; Zwischen 2010 und 2013 zusätzliche Leitung in Elternzeitvertretung das Frauenreferat der Bayerischen Grünen Partei.

Unter den Abgeordneten befinden sich darüber hinaus noch eine promovierte Linguistin (Dr. Dorothee Schlegel, SPD) sowie einige Anglisten, Romanisten und Slawisten – meist ehemalige Lehrer, die gegenüber den Belangen der Dolmetscher und Übersetzer ebenfalls aufgeschlossen sein dürften.

In früheren Wahlperioden gab es deutlich mehr Sprachmittler im Parlament

Im Jahr 2005 saßen noch sechs ausgebildete oder studierte und teils gerichtlich vereidigte Übersetzerinnen im Parlament: Inge Wettig-Danielmeier (SPD), Cornelia Pieper (FDP), Ulrike Flach (FDP), Anita Schäfer (CDU), Gudrun Kopp (FDP) und Ursula Lietz (CDU).

Besonders einflussreiche Übersetzerinnen der letzten Jahre:

  • Diplom-Sprachmittlerin Gabi Zimmer war von 2000 bis 2003 Parteivorsitzende der PDS. Heute ist sie im Europäischen Parlament Vorsitzende der Fraktion der „Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“.
  • Diplom-Sprachmittlerin Cornelia Pieper war von 2001 bis 2005 Generalsekretärin und von 2005 bis 2011 stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP. Von 2009 bis 2013 war sie Staatsministerin beim Bundesminister des Auswärtigen.
  • Silvia Sommerlath
    SDI-Absolventin Silvia Sommerlath 1972 als Olympia-Hostess

    Diplom-Übersetzerin Ulrike Flach (FDP) war Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, seit 2009 stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion und von 2011 bis 2013 parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit.

In zweiter Reihe und außer Konkurrenz wirkte von 1982 bis 1998 eine Germersheim-Absolventin im Kanzleramt: Hannelore Kohl als Gattin von Helmut.

Die ranghöchste Übersetzerin in der Politik dürfte zurzeit Königin Silvia von Schweden sein. Die Tochter eines deutschen Vaters und einer brasilianischen Mutter hat ihren Abschluss 1969 am SDI München in den Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch gemacht. Als VIP-Hostess bei den Olympischen Spielen 1972 in München lernte sie den schwedischen Thronfolger kennen.

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[Text und Recherche: Richard Schneider. Quelle: Deutscher Bundestag. Bild: Doris Wagner, Olaf Köster; uepo-Archiv.]