Auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin (Berlinale) werden 2014 die Wettbewerbsbeiträge aus Kostengründen erstmals nicht mehr simultan verdolmetscht. Das berichten übereinstimmend und unabhängig voneinander Claudia Flumenbaum, Leiterin des Dolmetscher-Service Braunstein, der seit 1961, also seit 53 Jahren, offizieller Dolmetschpartner der Berlinale ist, und Caroline Elias, freiberuflich tätige Dolmetscherin, die seit 14 Jahren auf der Berlinale aktiv ist.
Flumenbaum erklärt in einem Interview mit der Website Berliner-Filmfestivals.de: „Ab diesem Jahr werden die Filme nicht mehr gedolmetscht. Bis zum letzten Jahr wurden, seit Bestehen des Festivals, alle Filme im Berlinale-Wettbewerb gedolmetscht oder eingesprochen. […] Das fällt jetzt weg. Es bleiben die Pressekonferenzen und Publikumsgespräche.“
Die Entscheidung, bei den Filmvorführungen keine Dolmetscher mehr zu beschäftigen, sei wegen der Kosten gefallen. Berlin sei ohnehin das letzte Filmfestival gewesen, dass seinen internationalen Gästen diesen Service geboten habe. Selbst Cannes habe schon vor vielen Jahren damit aufgehört. Flumenbaum: „Ich bedauere das natürlich, habe aber Verständnis dafür.“
Die Konferenzdolmetscherin, Journalistin und Filmproduzentin Caroline Elias schreibt in ihrem Blog:
Dieses Jahr fällt die Verdolmetschung von Wettbewerbsfilmen weg. Diese simultane Übertragung der im Film gesprochenen Sprache war ein besonderes Angebot für Gäste, die mit den englischen (oder, im Wettbewerb, deutschen) Untertiteln nicht zurande kamen. „Filme einsprechen“ bedeutet einen hohen Aufwand, es ist teuer. Im Rahmen von Einsparungen lässt sich das verstehen. Auf die Reaktion des Publikums bin ich gespannt.
Schon 2013 seien die Publikumsgespräche nicht mehr ins Deutsche verdolmetscht, sondern meistens direkt auf Englisch geführt worden. Dadurch hätten sich Deutsch und Französisch auf der Berlinale zu Minderheitensprachen entwickelt.
Gegenüber uepo.de weist Elias darauf hin, dass viele Dolmetscher durch die Einstellung der Filmverdolmetschung ihre Akkreditierung verloren hätten. Deutlich weniger Kolleginnen und Kollegen als noch im letzten Jahr würden vom offiziellen Dolmetscherbüro der Berlinale angeheuert. Der Kostendruck sei schon in den vorangegangenen Jahren an den stagnierenden Dolmetschhonoraren erkennbar gewesen.
Wer sind die Leidtragenden? Elias meint:
Etliche auch jüngere Franzosen fühlen sich in ihrer Sprache weiterhin am wohlsten, vor allem dann, wenn es um kreative Prozesse geht. Dort, wo es wichtig ist, also in den Einzel- und Gruppeninterviews, bei Akquisegesprächen für deutsch-französische Kopoduktionen o. ä. wird weiterhin auch ins Deutsche verdolmetscht, aber nicht überall.
Es trifft auch Journalisten aus anderen Ländern. Etliche Osteuropäer können nur wenig Englisch, weil sie in der DDR studiert haben.
Leid tut es mir auch für die Redakteure von Katalogen kleinerer Festivals, sie haben oft viel von den detaillierten Fachgesprächen, die wir einst führten, übernommen. Filmgespräche, die im Extremfall von allen Beteiligten in einer Fremdsprache geführt werden, drohen eher oberflächlich zu bleiben, sind weniger spontan, klingen oft zu bemüht und geübt.
Ergebnis: Nach dem Film bleiben weniger Menschen zum Gespräch im Saal, worauf das „Q&A“ kürzer getaktet wird und weiter an Tiefe verliert. Ein wesentlicher Bestandteil von Festivals ist die Chance zur Begegnung. Das gilt gerade für die Berlinale, das einzige Publikumsfestival unter den A-Festivals. Schade.
[Text: Richard Schneider. Quelle: berliner-filmfestivals.de, 2014-02-03; Caroline Elias, 2014-02-11. Bild: Presseservice Berlinale; Caroline Elias.]