Kinofilm „Zwischen Welten“: Von Soldaten, Dolmetschern und der Verantwortung in und für Afghanistan

Zwischen Welten
Mit Hilfe von Sprachmittler Tarik versucht der Bundeswehr-Soldat Jesper, das Vertrauen der afghanischen Dorfgemeinschaft zu gewinnen.

Filmplakat "Zwischen Welten"Soeben ist mit „Zwischen Welten“ im Kino ein Film angelaufen, in dem ein afghanischer Dolmetscher eine Hauptrolle spielt. Die Handlung:

Bundeswehrsoldat Jesper (Ronald Zehrfeld) meldet sich erneut zum Dienst in das krisengeschüttelte Afghanistan und erhält mit seiner Truppe den Auftrag, einen Außenposten in einem kleinen Dorf vor dem wachsenden Einfluss der Taliban zu schützen.

Dabei wird ihm der junge Afghane Tarik (Mohsin Ahmady) als Dolmetscher zur Seite gestellt. Jesper versucht mit Tariks Hilfe, das Vertrauen der Dorfgemeinschaft und der verbündeten afghanischen Milizen zu gewinnen – doch die Unterschiede zwischen den beiden Welten sind groß.

Er steht immer wieder im Konflikt zwischen seinem Gewissen und den Befehlen seiner Vorgesetzten. Als Tarik, der von den Taliban bedroht wird, weil er für die Deutschen arbeitet, seine Schwester in Sicherheit bringen will, geraten die Dinge außer Kontrolle …

Zwischen Welten
Bundeswehrsoldat Jesper (Ronald Zehrfeld) versucht mit der Hilfe des Dolmetschers Tarik (Mohsin Ahmady) ein afghanisches Dorf vor dem Einfluss der Taliban zu schützen.

Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin Feo Aladag erklärt: „Es stand von Anbeginn an fest, dass ich einen Film drehen möchte, der meinem Anspruch an Authentizität gerecht wird. Daher war klar, dieser Film kann und darf nicht in Marokko mit deutsch-türkischen Darstellern als Afghanen entstehen. Er muss vor Ort in Afghanistan gedreht werden. Die Authentizität, die ich anstrebe, der soziale Konflikt, die zwischenmenschlichen Probleme, der Alltag in einem Land, das sich seit Generationen in einem Ausnahmezustand befindet, lässt sich nicht nachstellen.“

Jahrelang hat sie darauf hingearbeitet und zahllose Hindernisse und Bedenken aus dem Weg geräumt, um den Film an Originalschauplätzen in Kunduz und Mazar-i-Sharif drehen zu können.

Der Film wurde in den Sprachen gedreht, die vor Ort gesprochen werden: Deutsch, Englisch, Dari und Paschtu. Die Fremdsprachen wurden nicht synchronisiert, sondern untertitelt.

Alle afghanischen Darsteller wurden aus der Gegend um Mazar-i-Sharif und Kabul rekrutiert.

Zwischen Welten
Die afghanische Dorfgemeinschaft weiß nicht so recht, ob sie den deutschen Soldaten trauen kann.

Die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Bundeswehrsoldaten und seinem afghanischen Dolmetscher hat während der Produktionsphase eine aktuelle Brisanz gewonnen: 2014 ziehen die deutschen Schutztruppen nach mehr als 10 Jahren aus Afghanistan ab und hinterlassen ein unbefriedetes Land und zahllose lokale Mitarbeiter, die von den Taliban als Kollaborateure der Besatzungsmächte gesehen werden.

Zwischen Welten
Jesper versucht, mit Hilfe von Tarik das Vertrauen der afghanischen Dorfgemeinschaft zu gewinnen – doch die Unterschiede sind groß.

Aus dem Tagebuch der Regisseurin

Aus dem Tagebuch der Regisseurin Feo Aladag, das sie während der Dreharbeiten führte:

Wir drehen mit unserem afghanisch-deutschen Team den Kinospielfilm Zwischen Welten in Mazar-i-Sharif, Afghanistan. Ich selbst wohne außerhalb des deutschen Lagers der Bundeswehr. […] Nun lebe ich mit meiner Tochter und unserem kulturellen Berater Matthias Kock also diesen afghanischen Alltag, den ‚wohlsituierten‘ wohlgemerkt, hier ‚draußen‘, vor den Mauern des Camp Marmal – in den Augen des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr sozusagen ‚in freier Wildbahn‘. Das macht mich per se erstmal suspekt.

Zwischen Welten
Dolmetscher Tarik verhandelt für die Deutschen mit dem Führer der afghanischen Milizen.

Der deutsche Teil unseres Teams hat seine Basis im Camp Marmal. Die meisten der dort stationierten Bundeswehrsoldaten verlassen während ihres mehrmonatigen Aufenthalts kein einziges Mal dieses Camp. Unser Team steigt vor den Toren des riesigen Camps jeden Tag in Busse und fährt von dort aus zu unseren Drehorten. Unsere afghanischen Kollegen wohnen alle gemeinsam in unserem großen Produktionshaus, ein paar Meter von mir entfernt um die Ecke.

Jeden Tag, sechs Tage die Woche, freitags ist hier sonntags, treffen diese Welten zusammen an einem unserer Motive, um eine Geschichte über Divergenzen und Gemeinsamkeiten, Widersprüche und Brücken, Einsatz und Wirklichkeit, Freundschaft und Verantwortung zu erzählen.

Zwischen Welten
Tarik auf dem Weg zum Außenposten der deutschen Truppen, für die er als Dolmetscher arbeitet.

Unseren afghanischen Hauptdarsteller habe ich auf einer Location-Recherche gefunden, er lief auf einmal hinter mir. Mohsen, genannt Mosi, ist großartig. Als ich ihn gecastet habe, musste ich mich hinter dem Minidisplay meiner kleinen Kamera verstecken. Ich wollte nicht, dass mein Regieassistent meine Tränen sieht.

Sein Englisch wird immer besser, sein Deutsch irgendwann unfassbar, denn er besitzt das Talent für die immer richtigen Worte im richtigen Moment. Sein Lieblingswort ist ‚Super‘ – das hat er mir geklaut und ‚Who’s not ready?‘. Ein junger Mann mit einem echt guten Gefühl für Timing. Im Leben wie in der Arbeit.

Zwischen Welten
Im Gefecht liegen die Nerven blank. Bundeswehrsoldat Jesper mahnt zur Konzentration.

Was tut Deutschland in Afghanistan? Politische Karrieren wuchsen, rieben sich und scheiterten an der Reflexion über diesen Einsatz. Ist es Krieg? Dürfen wir das? Wollen wir das? Können wir das? Alles mehr als zulässige Fragen. Am Ende eines langen Abends, unter meist klugen Menschen, blieb dann aber unterm Strich oft nur die Absage an die Sinnhaftigkeit des Einsatzes in seiner Gesamtheit. Und somit auch die Negierung des tatsächlichen ‚Einsatzes‘ jener Menschen, die ihm, legitimiert durch uns Bürger, dienten.

Zwischen Welten
Trotz aller widrigen Umstände entwickelt sich so was wie Freundschaft zwischen Dolmetscher Tarik und Bundeswehrsoldat Jesper.

Daraus wuchs in mir das Bedürfnis von der Leistung dieser Menschen, unserer Soldaten, jenseits jeder Kritik oder Legitimierung des konkreten Einsatzes, des politischen Auftrags und des Warums zu erzählen. Bei der Art und Weise der Berichterstattung schien es mir in Deutschland über einen langen Zeitraum an ehrlichem Respekt zu mangeln, das Interesse am individuellen Schicksal fehlte, die Empathie für die Schwierigkeit der Aufgaben, im Kleinen wie im Großen. Vieles davon schien durch eine Generalkritik am Einsatz in den Hintergrund gerutscht.

Zwischen Welten
Jesper und Dolmetscher Tarik verhandeln mit dem Führer der afghanischen Milizen.

Deutsche Bundeswehrsoldaten stehen in Afghanistan vor Bewährungsproben, für die es keine in irgendeinem Handbuch vorgegebenen Musterlösungen gibt. Sie tragen als Soldaten, als ‚Bürger in Uniform‘, nicht nur Verantwortung für ihre Kameraden, sondern auch für ihre afghanischen Partner, also konkret für ihre Mitarbeiter, ihre Fahrer, ihre Köche, ihre Dolmetscher und für deren Familien. Allein durch ihre Präsenz und die Interaktion vor Ort.

Zwischen Welten
Dolmetscher Tarik fühlt sich von den Taliban bedroht, weil er für die Deutschen arbeitet.

Die Sprachmittler gehen „ein lebensgefährliches Risiko ein – und zwar lebenslang“

Wenn ein afghanischer Übersetzer, wie unsere Hauptfigur Tarik, für die Schutztruppen arbeitet, geht er damit ein lebensgefährliches Risiko ein. Und zwar lebenslang. Und es kann lebensgefährlich sein, mit einem solchen Menschen verwandt zu sein. Die Übersetzer helfen nicht nur bei Sprachproblemen, sie unterstützen auch und ganz besonders dabei, alltägliche Unterschiede und alltägliche Missverständnisse aufzuklären, und sind deshalb vielleicht diejenigen, deren Tätigkeit die wichtigste ist, um ein friedliches Zusammen- und Überleben überhaupt erst zu ermöglichen.

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Dolmetscher Tarik bittet bei der deutschen Botschaft um Asyl für sich und seine Schwester.
Feo Aladag
Feo Aladag

Ich wollte eine Geschichte erzählen, die das Dilemma vor Ort spürbar macht. Eine Geschichte, die uns leise erinnert – an die Verantwortung unserem eigenen Gewissen gegenüber.

Deutschland, der deutsche Bundestag, und damit wir Bürger haben uns eingelassen auf diesen Einsatz. Wir tragen die Verantwortung. Sie endet nicht mit einem vermeintlichen militärischen Abzug. Vielmehr beginnt sie nun von Neuem, in nicht zu negierender Wucht.

Pressestimmen

  • “’Zwischen Welten‘ hat die Kraft, das Bild von diesem Krieg auf Jahre zu prägen.“ (Der Spiegel)
  • “Die Dreharbeiten vor Ort – Kunduz und Mazar-i-Sharif – haben Feo Aladags Film einen Detailreichtum verliehen, vor allem in der Schilderung des Alltags der Einheimischen und der Soldaten im Dauerausnahmezustand, wie man ihn selten gesehen hat.” (Süddeutsche Zeitung)
  • „Grandiose Bilder und Darsteller. Ein starker, ein preiswürdiger Film – ganz nah an der Realität.“ (ZDF heute journal)
  • “Berlinale Höhepunkt: Feo Aladag und ihr starker Film ‚Zwischen Welten‘! … Sehr intensiv, sehr atmosphärisch, sehr überzeugend!” (Leipziger Volkszeitung)
  • „Ein starker Film über Verantwortung und Gewissen. Ein wichtiger kultureller Beitrag zum bevorstehenden Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.“ (3sat Kulturzeit)
  • Ein erstklassig inszenierter Film. […] Äusserst fein arbeitet die Regisseurin die menschlichen und kulturellen Spannungen heraus.” (Neue Zürcher Zeitung)
  • “Während die meisten Filmemacher auf landschaftlich ‚ähnlich aussehende‘, sichere Länder ausweichen, stellten die 42-jährige Aladag und ihre Crew die Kameras an Originalschauplätzen in Kunduz und Mazar-i-Sharif auf. Diese Authentizität und die herausragenden Schauspieler machen den großen Reiz des Films aus. Die Hitze mit Temperaturen von bis zu 55 Grad, die Angst der Soldaten bei ihren Einsätzen, die schwierige Kommunikation mit den afghanischen Verbündeten, die fast aussichtslose Lage des einheimischen Truppen-Dolmetschers – all das wird für den Zuschauer spürbar. […] Aladags Film fragt nicht vordergründig nach dem Sinn der Bundeswehr-Mission. Sie öffnet dem Zuschauer den Blick auf die Menschen, die täglich die politischen Entscheidungen umsetzen sollen. Spürbar wird dabei vor allem Ohnmacht – auf allen Seiten.” (stern)

[Textzusammenstellung: Richard Schneider. Quelle: Pressemappe zum Film „Zwischen Welten“. Bild: Wolfgang Ennenbach, Björn Kommerell, Peter Drittenpreis und Roman Walczyna für Majestic.]