„Schlampig übersetzt“ – „Loveparade-Verfahren überfordert Englisch-Übersetzer“, behauptet die WAZ

Loveparade„Das Landgericht Duisburg findet immer neue Mängel in der Anklage zum Loveparade-Verfahren: Jetzt heißt es, ein Gutachten des Panikforschers Keith Still sei schlampig übersetzt. Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob sie blamiert ist, muss aber zugeben: Es gab schon früher Probleme mit Übersetzern.“ Das schreibt die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) in einem Artikel mit der Überschrift „Das Loveparade-Verfahren überfordert Englisch-Übersetzer“.

Darin geht es um das nach vierjährigen Ermittlungen im Februar 2014 eröffnete Gerichtsverfahren vor dem Duisburger Landgericht, in dem zehn Personen wegen der Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010 angeklagt sind. Bei einer Massenpanik waren damals 21 Menschen ums Leben gekommen und über 500 verletzt worden.

Die Zeitung schreibt, das Gericht habe jetzt in einem Schreiben an alle Verfahrensbeteiligten kritisiert, dass das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still, auf dem die Anklage beruht, schlampig übersetzt sei. Die Staatsanwaltschaft als Auftraggeberin wolle sich noch nicht zu den Vorwürfen äußern, sondern dem Übersetzungsbüro zunächst Gelegenheit zu einer Stellungnahme geben.

Probleme mit den Übersetzungen habe es bereits in früheren Jahren gegeben, als noch ein anderes Büro damit betraut war. „Die ermittelnden Staatsanwälte waren gelegentlich unzufrieden damit, wie lange die Erledigung der Übersetzungen dauerte. Immer wieder wurden Fristen nicht eingehalten“, erklärt eine Staatsanwältin gegenüber der Zeitung.

Staatsanwaltschaft entzieht erstem Übersetzungsbüro den Auftrag und beauftragt ein anderes

Um das Verfahren zu beschleunigen, habe die Staatsanwaltschaft dann im Juli 2012 dem ersten Übersetzungsbüro den Auftrag entzogen und ein anderes mit der Arbeit betraut. Die WAZ mutmaßt, dass die Staatsanwaltschaft damit vom Regen in die Traufe kam:

Ging die Beschleunigung auf Kosten der Qualität? Der Verdacht besteht zumindest, seit der Vorsitzende Richter der 5. Duisburger Strafkammer am Freitag seine drei Seiten lange Fehleranalyse verschickte. Richter Schwartz hat demnach „insgesamt Zweifel an der Zuverlässigkeit der Übersetzung“. Er beklagte „teilweise fragwürdige, teilweise auch sinnverändernde Übersetzungen des Originalinhalts in der deutschsprachigen Fassung“. An einer Stelle, so der Richter, sei sogar ein ganzer Satz des englischen Originals in der Übersetzung unterschlagen worden.

Der Sachverständige: Keith Still, Professor of Crowd Science

Prof. Dr. G. Keith Still ist „Professor of Crowd Science“ an der Manchester Metropolitan University. Schon seit mehr als 10 Jahren vermarktet er sich kommerziell sehr erfolgreich als Experte für die Dynamik von Menschenmengen.

Still kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Loveparade auf dem Gelände in Duisburg niemals hätte genehmigt werden dürfen und die Katastrophe vorprogrammiert war. Auf dem 91-seitigen Text fußt die Anklage der Staatsanwaltschaft. Das Gutachten ist im Netz auf der Website der WAZ verfügbar, obwohl es auf jeder Seite den Vermerk „Privileged and not for disclosure“ trägt (Vertraulich und nicht zur Veröffentlichung bestimmt).

Warum wurde ein Sachverständiger beauftragt, der kein Deutsch spricht?

Mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, einen nicht der deutschen Sprache mächtigen Sachverständigen mit dem Gutachten zu beauftragen, war ebenfalls eine Katastrophe vorprogrammiert: die übersetzerische.

Für den Briten musste zunächst ein Wust von Dokumenten ins Englische übersetzt werden. (Eine entsprechende Auflistung findet sich am Ende des Gutachtens.) Mit dieser Aufgabe war das erste Übersetzungsbüro betraut, das der Staatsanwaltschaft zu langsam arbeitete. Später musste dann das in englischer Sprache erstellte umfangreiche Gutachten wieder zurück ins Deutsche übersetzt werden.

Weiterführende Links

[Text: Richard Schneider. Quelle: WAZ, 2014-11-20. Bild: Loveparade.]