Die Übersetzer Sabine Stöhr und Juri Durkot sind am 15.03.2018 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung ausgezeichnet worden. Sie teilen sich das Preisgeld von 20.000 Euro. Gemeinsam hatten sie den bei Suhrkamp erschienenen Roman „Internat“ von Serhij Zhadan aus dem Ukrainischen übertragen.
Begründung der Jury: „Lebendiger kann eine Übersetzung nicht sein“
Zur Begründung schreibt die Jury:
Es ist Winter, ein Winter mit Schnee, der „blau-rosa“ aussieht, einem Abendhimmel, der „aus tiefen Poren dunkelt“, während über der Bahnstation ein „feuchter Signalton“ hängt und die Sonne untergeht und nichts als Kälte herrscht. Kälte und Kampfhandlungen, denn der von Sabine Stöhr und Juri Durkot so prägnant und packend aus dem Ukrainischen übersetzte und im Deutschen einfühlsam ausgelotete Roman „Internat“ erzählt von einem fast vergessenen Krieg. Dem Krieg im äußersten Osten der Ukraine.
Dass Zhadans großartiger Roman auch in der Übersetzung eine enorme Wucht entwickelt, liegt nicht nur am Sujet und der eigentümlichen, hyperwachen Stimmung, sondern auch an den kaskadenartigen Satzketten, die im Deutschen einen drängenden Erzählrhythmus erzeugen, und an der Sprache.
In Sabine Stöhrs und Juri Durkots Übertragung entfalten die dichten Beschreibungen eine große Kraft. Lebendiger als in diesem Roman kann man vom Krieg nicht erzählen, lebendiger kann eine Übersetzung nicht sein. Sabine Stöhrs und Juri Durkots Schattierungen der Düsternis sind von großer Schönheit.
Der Roman „Internat“ von Serhij Zhadan
Januar 2015, Donbass. Der junge Lehrer Pascha beobachtet, wie sich die Frontlinie seinem Zuhause nähert. Nun ist er gezwungen, diese Linie zu überschreiten, um seinen 13-jährigen Neffen aus dem Internat am anderen Ende der Stadt nach Hause zu holen. Durch den Ort zu kommen, in dem das zivile Leben zusammengebrochen ist, dauert einen ganzen Tag, der Heimweg wird zu einer Prüfung.
In einer authentischen und schmerzvollen Sprache schildert Serhij Zhadan, wie sich die vertraute Umgebung in ein unheimliches Territorium verwandelt. Seine Auseinandersetzung mit dem Krieg im Donbass findet mit seinem Roman „Internat“ ihren vorläufigen Höhepunkt.
Das Übersetzerduo Stöhr und Durkot
Die Übersetzerin Sabine Stöhr, Jahrgang 1968, und der Übersetzer, Publizist, Journalist und Produzent Juri Durkot, 1965 in Lwiw (Ukraine) geboren, haben gemeinsam bereits mehrere Werke von Serhij Zhadan ins Deutsche übertragen. Zusammen mit dem ukrainischen Autor erhielten sie 2014 den Literatur- und Übersetzerpreis „Brücke Berlin“ für den Roman „Die Erfindung des Jazz im Donbass“.
Die Nominierten
In der Kategorie Übersetzung waren 2018 neben Stöhr und Durkot folgende Personen nominiert:
- Robin Detje übersetzte aus dem amerikanischen Englisch „Buch der Zahlen“ von Joshua Cohen (Schöffling & Co.)
- Olga Radetzkaja übersetzte aus dem Russischen „Sentimentale Reise“ von Viktor Schklowskij (Die Andere Bibliothek)
- Michael Walter übersetzte aus dem Englischen die „Werkausgabe“ in drei Bänden von Laurence Sterne (Galiani)
- Ernest Wichner übersetzte aus dem Rumänischen „Oxenberg und Bernstein“ von Catalin Mihuleac (Paul Zsolnay Verlag)
Preis der Leipziger Buchmesse mit 60.000 Euro dotiert
Der Preis der Leipziger Buchmesse ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert, die sich zu gleichen Teilen auf die Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung verteilen. Seit 2005 werden auf diese Weise herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen ausgezeichnet.
Das Preisgeld stammt aus dem Steueraufkommen des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig. Partner des Preises ist das Literarische Colloquium Berlin. Unter dem Vorsitz von Kristina Maidt-Zinke entschieden die Jury-Mitglieder Maike Albath, Alexander Cammann, Gregor Dotzauer, Burkhard Müller, Jutta Person und Wiebke Porombka über die Vergabe des Preises der Leipziger Buchmesse 2018.
[Text: Leipziger Buchmesse. Quelle: Pressemitteilung Leipziger Buchmesse, 2018-03-15. Bild: Stefan Hoyer für Leipziger Messe; Suhrkamp.]