Ausflug zu den Vereinten Nationen in Wien: Keine Jobs für deutschsprachige Dolmetscher

Eingang Vienna International Centre
Der Eingang zum Vienna International Centre, in dem sich die Einrichtungen der UNO befinden. - Bild: Richard Schneider

Eines gleich vorweg: Bei den Vereinten Nationen in Wien gibt es keine Jobs für Dolmetscher oder Übersetzer mit deutscher Muttersprache. Denn Deutsch gehört weder zu den sechs Amtssprachen (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch) noch zu den beiden Arbeitssprachen der UNO (Englisch und Französisch).

Dennoch lohnt es sich für Angehörige unserer Berufsgruppe, an einer Führung durch den Gebäudekomplex des „Internationalen Zentrums Wien“ teilzunehmen, das in der Stadt als UNO-City oder auch „Vienna International Centre“ (VIC) bekannt ist, weil die Haltestelle so heißt.

Immerhin gut zehn Minuten der einstündigen Führung werden dem Thema Sprachen und Dolmetscher gewidmet. Und man erhält Einblick in einen mit Dolmetscherkabinen ausgestatteten großen Konferenzsaal.

Haltestelle Vienna International Centre
Die Haltestelle am Internationalen Zentrum Wien. – Bild: Richard Schneider

Führungen durch das Vienna International Centre

Die Führungen durch die UNO-City werden zweimal täglich auf Deutsch oder Englisch und gelegentlich auch in anderen Sprachen angeboten. Sie beginnen im Besucherzentrum, das für jedermann zugänglich ist.

Allerdings muss man gleich am Eingang des Gebäudes eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen über sich ergehen lassen. Ohne gültigen Personalausweis oder Reisepass kommt niemand hinein.

Beim Anblick des Sicherheitspersonals fühlt man sich nach New York versetzt. Nicht nur wegen der Uniformen und der ethnischen Zusammensetzung, sondern auch dadurch, dass niemand von ihnen Deutsch spricht. Voraussetzung für die Arbeit beim UN-Sicherheitsdienst, der praktisch die Polizei des umzäunten UNO-Geländes darstellt, sind drei Jahre Militär- oder Polizeidienst in einem Mitgliedsstaat.

Nach der Personenkontrolle gelangt man ins Besucherzentrum, dessen Mitarbeiter Deutsch sprechen. Dort werden allerlei Souvenirs angeboten: Basecaps, Jutetaschen, Regenschirme, Kugelschreiber, Visitenkartenetuis, Krawattennadeln und dergleichen mehr – alles mit UNO-Logo.

Sprachen und Dolmetscher
Die Führerin erläutert das Sprachenregime der UNO und die Arbeit der Konferenzdolmetscher. Die Glasscheibe gibt den Blick auf den Konferenzsaal frei. – Bild: Richard Schneider

Deutsch weder Amts- noch Arbeitssprache der UNO

Die UNO unterscheidet zwischen Amtssprachen und Arbeitssprachen. Aufgrund einer Resolution der Generalversammlung aus dem Jahre 1946 sind Englisch und Französisch die beiden Arbeitssprachen der Vereinten Nationen. In einer weiteren Resolution der Generalversammlung aus demselben Jahr wurden Englisch, Französisch, Chinesisch, Russisch und Spanisch zu Amtssprachen erklärt. 1973 kam als sechste Amtssprache noch Arabisch hinzu.

  • Reden in einer der beiden Arbeitssprachen werden in die jeweils andere Arbeitssprache gedolmetscht.
  • Reden in einer der drei anderen Amtssprachen werden in die beiden Arbeitssprachen gedolmetscht.
  • Vertreter dürfen durchaus eine Rede in einer Sprache halten, die nicht zu den Amtssprachen der Vereinten Nationen gehört. Allerdings müssen sie in diesem Fall die Verdolmetschung in eine der beiden Arbeitssprachen (Englisch oder Französisch) selbst organisieren. Der UNO-Sprachendienst übernimmt dann die Übertragung in die andere Arbeitssprache (Relais-Dolmetschen).
Konferenzsaal mit Dolmetschkabinen
Blick in den großen Konferenzsaal mit den im Hintergrund unter der Decke erkennbaren Dolmetschkabinen. – Bild: Richard Schneider

Wien einer von vier Standorten der Vereinten Nationen

Wien ist neben New York, Genf und Nairobi einer der vier Amtssitze der Vereinten Nationen. Für die in Wien ansässigen UN-Organisationen arbeiten mehr als 4.000 Mitarbeiter aus über 100 Ländern. Lediglich ein Drittel davon – meist in untergeordneten Positionen – sind Österreicher.

In Wien sind auf dem eng umrissenen und dicht bebauten Gelände der UNO-City folgende Organisationen untergebracht:

  • UNOV: Büro der Vereinten Nationen in Wien
  • UNODC: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung
  • IAEA: Internationale Atomenergiebehörde
  • UNIDO: Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung
  • CTBTO: Vorbereitungskommission für die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen
Internationale Atomenergie-Organisation
Die Internationale Atomenergiebehörde ist sicher die bekannteste der in Wien angesiedelten UNO-Verwaltungen. – Bild: Richard Schneider
Flaggen im Innenhof
Rund um den Innenhof sind die Flaggen sämtlicher Mitgliedsstaaten aufgestellt. – Bild: Richard Schneider
Innenhof
Auf dem Gelände weht stets eine steife Brise, weil die Hochbauten als Windfang wirken. – Bild: Richard Schneider
Außenansicht Gebäudekomplex
Architektonisch machen die Gebäude der UNO-City durchaus etwas her. Im Inneren regiert jedoch die Zweckmäßigkeit. – Und der Stil der 1970er Jahre mit der Akzentfarbe Orange. – Bild: Richard Schneider

Gebäudekomplex vollständig von Österreich bezahlt

Die Errichtung des Gebäudekomplexes wurde in den 1970er Jahren vollständig mit österreichischen Steuergeldern finanziert. Das Gelände und die darauf befindlichen Gebäude wurden 1979 für einen symbolischen Schilling auf 99 Jahre an die UNO vermietet. Für die Einrichtung und Ausstattung sowie die laufenden Betriebskosten kommen die einzelnen Organisationen der UNO allerdings selbst auf.

Der Aufbau der UNO-City erfolgte in der Zeit als Bruno Kreisky Bundeskanzler war (1970 – 1983). Als Mittler zwischen Ost und West sowie Nord und Süd spielte der Kanzler des bündnisfreien Österreichs auf der Weltbühne zur Zeit des Kalten Krieges eine bedeutende Rolle.

Weitere Einblicke ins Innere des internationalen Zentrums Wien einschließlich der Dolmetschkabinen vermittelt das nachfolgend verlinkte Video, das 2014 von den Wiener UNO-Dolmetschern produziert wurde.

Mehr zum Thema

Richard Schneider