Auch der Berufsverband der freien Übersetzer und Dolmetscher (DVÜD) hat sich zu der vor wenigen Tagen von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil aufgestellten Hypothese zum Aussterben des Übersetzerberufs zu Wort gemeldet. Der Verband weist darauf hin, dass die SPD im Vorjahr gegenüber dem DVÜD noch erklärt hat, Übersetzer und Dolmetscher seien „unersetzlich“.
Nachfolgend die Stellungnahme von DVÜD-Präsidentin Olga Kuzminykh:
In der Talkshow „Anne Will“ sprach SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am 25. November 2018 davon, dass Übersetzer und Dolmetscher zu den Berufszweigen gehören, die es im Zuge der Fortentwicklung „in ein paar Jahren als Dienstleister nicht mehr geben [wird], weil die technologische Entwicklung das überflüssig macht.“
Diese Aussage zeugt nach Ansicht des DVÜD von erheblicher Unkenntnis der Übersetzerbranche und der Arbeit von Übersetzern. Tatsache ist, dass Automatisierung und künstliche Intelligenz vor der Sprachdienstleisterbranche nicht Halt machen. Tatsache ist auch, dass der Übersetzer- und Dolmetscherberuf im Wandel begriffen ist.
Der Bedarf an hochwertigen Übersetzungen steigt kontinuierlich an, und die Sprachdienstleisterbranche verzeichnet seit Jahren stabile Wachstumsraten. Maschinenübersetzungen federn lediglich den enormen Bedarf an Übersetzungsleistungen ab.
Maschinelle Übersetzungen machen Übersetzer nicht überflüssig
Zudem werden die hiermit einhergehenden Probleme unterschätzt. Bei zielgruppenspezifischen Übersetzungen geht es um Kontext, Textverständnis und interkulturelles Knowhow: Ingenieure verwenden eine andere Sprache als Verbraucher, Ärzte benötigen andere Übersetzungen als Patienten, junge Menschen möchten anders angesprochen werden als Senioren, Unternehmen möchten sich durch eigene Sprachregelungen von der Konkurrenz abheben.
Selbst in Nordamerika, dem Vereinigten Königreich oder Indien ist Englisch nicht gleich Englisch. Im Extremfall können täuschend glatte Maschinenübersetzungen ohne die Einbeziehung des nötigen Hintergrundwissens dazu führen, dass diplomatische Spannungen eskalieren, eine fehlerhafte Wartungsanweisung einen folgenschweren Unfall verursacht oder eine unklare Formulierung einen Patienten während einer Operation sterben lässt.
Bereitschaft zum Sprachenlernen könnte abnehmen
Langfristig ist angesichts der steigenden Qualität der Maschinenübersetzungen eine schwächere Ausbildung in Fremdsprachen zu erwarten – wozu etwas lernen, was der Computer für standardisierte Textsorten im Alltag ausreichend beherrscht? Fähige Übersetzer werden daher in der Zukunft womöglich noch gefragter, um auch weiterhin die notwendigen anspruchsvollen Übersetzungen auszuführen.
In einer globalisierten Welt werden wir in Politik und Justizwesen, in Literatur, Kunst und Kultur, in Technik und Marketing, in den Wissenschaften sowie in diversen Sprachkombinationen weiterhin Fachleute benötigen, die mit dem nötigen Talent, umfassendem sprachlichen und technischen Wissen und solider Fachkenntnis Texte korrekt erfassen und so übertragen, wie sie tatsächlich gemeint sind.
SPD 2017 zu DVÜD: „Übersetzer bzw. Dolmetscher unersetzlich“
Das entspricht im Übrigen der Einschätzung der SPD-Parteizentrale, die im Rahmen der DVÜD-Wahlprüfsteine am 4. August 2017 auf die Frage nach der Bedeutung der Dolmetscher und Übersetzer für Deutschland und Europa antwortete:
Wirtschaft, Politik und Verwaltung sind international vernetzt. Die dort tätigen Menschen sprechen zwar häufig neben ihrer Muttersprache noch eine oder mehrere weitere Sprachen, jedoch in der Regel nicht auf dem gleichen Niveau wie ihre Muttersprache. Wenn es also gilt, Dokumente in mehreren Sprachen zur Verfügung zu stellen oder Verhandlungen zwischen Menschen mit unterschiedlicher Muttersprache zu dolmetschen, sind Übersetzer bzw. Dolmetscher unersetzlich und werden im Zuge fortschreitender Internationalisierung weiter an Bedeutung gewinnen.
Aus diesen Gründen distanziert sich der DVÜD e. V. als Berufsverband der freien Übersetzer und Dolmetscher von der sinngemäßen Darstellung, dass die Berufe des Übersetzers und des Dolmetschers vom Aussterben bedroht seien. Vielmehr stellt sich die Branche aktiv der Herausforderung, den technischen Fortschritt in die tägliche Arbeit zu integrieren.
Wir als Verband befassen uns aufmerksam mit den damit verbundenen Fragen, um im komplexen Alltag eine zuverlässige Kommunikation zu gewährleisten.
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[Text: DVÜD. Quelle: Pressemitteilung DVÜD, 2018-11-29.]