450.000 Straßennamen gibt es in Deutschland. Die häufigsten sind: Hauptstraße, Schulstraße, Dorfstraße, Gartenstraße und Bahnhofstraße. Zu diesem Ergebnis kommt die Straßennamen-Datenbank von Zeit Online.
Neben solchen eher banalen und erwartbaren Ergebnissen vermittelt die grafische Aufbereitung der Trefferzahlen aber auch höchst interessante Erkenntnisse. Denn, so schreiben die Betreiber: „Straßen und Plätze sind ein Archiv der Sprache und der Geschichte.“
Straßennamen als Archiv der Zeitgeschichte
Straßennamen werden von Kommunalpolitikern bestimmt. Neben der Selbstbeweihräucherung (Senator-Schwartz-Ring, Oberbürgermeister-Neumann-Straße) dienen sie auch der Volkserziehung. Je nach politischer Ausrichtung zur Zeit der Namensvergabe (oder Umbenennung) werden so zum Beispiel ganz unterschiedliche Personen der Zeitgeschichte für die Benennung herangezogen.
Sucht man nach „Hindenburg“ und „Rosa Luxemburg“ (oder noch deutlicher nach „Ernst Thälmann“), wird die ehemalige innerdeutsche Grenze wieder sichtbar.
Hindenburg lebt nur im Westen fort, Lenin nur im Osten. (Die Lenin-Fundstellen im Westen sind Fehltreffer. So gibt es im rheinischen Grevenboich eine „Mühleninsel“.)
Wo liegen die 79 Kennedy-Straßen, -Plätze und -Alleen? Und wo die 40 nach Juri Gagarin benannten Örtlichkeiten? Sie ahnen es.
Die Erinnerung an die nach dem Zweiten Weltkrieg verlorengegangenen preußischen Provinzen Pommern, Schlesien und Ostpreußen wurde nur in Westdeutschland in Straßennamen aufrechterhalten („Königsberger Straße“, „Breslauer Straße“). Das lag nicht nur daran, dass die 12 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen überwiegend in den westlichen Besatzungszonen aufgenommen wurden.
Geht man weiter in der Geschichte zurück, lässt sich allein anhand des Wortes „Römer“ als Bestandteil von Straßennamen problemlos der Verlauf des Limes rekonstruieren.
Auch für Germanisten eine Fundgrube
Die Datenbank der Straßennamen ist auch in der Lage, die geografisch höchst unterschiedliche Verteilung alter Ortsnamen auf -weiher, -kamp, -heim oder -ingsen (um nur wenige Beispiele zu nennen) zu veranschaulichen, indem man nach entsprechenden Bestandteilen in Straßennamen sucht.
Die Entwickler schreiben zu ihrem Projekt:
Wir haben vermutet, dass sich in ihrer Benennung Muster entdecken lassen, die wir sichtbar machen wollten. Mit bisherigen Kartenwerkzeugen ist das nicht möglich, da keines von ihnen alle Rathaus- oder Tulpenstraßen in Deutschland gleichzeitig zeigt.
Grundlage unserer Straßenbilder ist die freie Weltkarte OpenStreetMap. In ihr sammeln Freiwillige Informationen zu allen Straßen weltweit. Daraus hat der Karlsruher Dienstleister Geofabrik für uns eine Datei aller deutschen Straßen und Plätze erstellt (Stand: 10. Oktober 2017). […]
ZEIT ONLINE hat aus dieser Datei eine nach den Straßennamen durchsuchbare Datenbank programmiert. Damit haben wir spannende Muster in der Verteilung der 450.000 Straßennamen entdeckt. Sie erzählen von fast vergessenen Künstlern und historischen Ereignissen, von alten Wirtschaftsstrukturen und Handelswegen, von prägenden Dialekten und eingewanderten Redewendungen.
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Richard Schneider
Abbildungen: Bildschirmfotos