Anglizismen des Jahres 2018: Gendersternchen, Framing, nice

Wortwolke

Der Anglizismus des Jahres 2018 ist das Wort Gendersternchen, wie die aus sechs Personen bestehende Initiative „Anglizismus des Jahres“ mitteilt. Als Publikumsliebling der Online-Abstimmung erwies sich das Wort Framing, den Sonderpreis für gesprochene Sprache erhielt das Adjektiv nice. Nachfolgend die Pressemitteilung der Initiative:

(1) Gendersternchen

Das Wort Gendersternchen bezeichnet ein „typografisches Zeichen (*), das bei Personenbezeichnungen zwischen der männlichen und der zusätzlich angefügten weiblichen Endung gesetzt wird, um neben Männern und Frauen auch Menschen mit anderer geschlechtlicher Identität miteinzubeziehen und sichtbar zu machen“ (DWDS.de) – z.B. Freund*in.

Im allgemeinen Sprachgebrauch findet sich ab 2013 zunächst die Form Gender Star. Obwohl das Wort aus englischen Wortbestandteilen zusammengesetzt ist und die für das Englische typische Getrenntschreibung aufweist, handelt es sich dabei um eine genuin deutsche Wortschöpfung – einen sogenannten „Scheinanglizismus“.

Im Blog „Sprachlog“ ergänzt der Gründer und Leiter der Initiative „Anglizismus des Jahres“, Anatol Stefanowitsch:

Der genaue Ursprung des Wortes lässt sich nicht ermitteln, aber auf jeden Fall liegt er nicht im englischen Sprachraum, denn dort sind Personenbezeichnungen ohnehin weitgehend geschlechtsneutral. Das Gendersternchen ist eine deutsche Erfindung, und das Wort Genderstar ist es auch. Es handelt sich dabei also um einen sogenannten „Schein-“ oder „Pseudoanglizismus“ – es besteht zwar aus den englischen Wörtern gender und star, ist aber eine deutsche Wortbildung. Das dürfte vielen Sprecher/innen nicht bewusst sein […].

Schon im Folgejahr übernimmt die englisch-deutsche Mischform Genderstern – mit deutschem Zweitglied und in der für das deutsche obligatorischen Zusammenschreibung. Ab 2016 setzt sich dann zunehmend die Diminutivform Gendersternchen durch. Im allgemeinen Sprachgebrauch spielt es zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerte Rolle.

Erst 2018, beflügelt durch hitzige Diskussionen um eine mögliche Aufnahme des Gendersternchens in die amtliche Rechtschreibung, nimmt seine Häufigkeit um mehr als das Zehnfache zu, von unter 0,25 auf 2,5 Vorkommen pro zehn Millionen Wörter.

Gebrauchshäufigkeiten Gendersternchen
Ein Mitarbeiter des Instituts für deutsche Sprache (IDS) hat die Gebrauchshäufigkeiten des Wortes „Gendersternchen“ ermittelt. In absoluten Zahlen scheint diese aber verschwindend gering zu sein.

Überzeugt hat die Jury an Gendersternchen neben der sprunghaften Verbreitung im öffentlichen Sprachgebrauch zum einen die zentralen Bedeutung, die es in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem schwierigen und heftig umstrittenen Thema der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter eingenommen hat und wohl auch weiter einnehmen wird.

Zum anderen zeigt die Geschichte des Wortes, dass die Entlehnung von Wörtern kein passiver Prozess ist, sondern dass Sprachgemeinschaften das entlehnte Wortgut produktiv zur Bildung neuer Wörter nutzen. Der aktive Umgang mit dem Lehngut zeigt sich auch an der schnellen Integration der Neubildung in den Wortschatz des Deutschen, hier vor allem durch die Ersetzung des englischen Zweitglieds Star durch das deutsche Sternchen.

Gendersternchen, Gendergaga
UEPO.de hat die Häufigkeit der Wörter „Gendersternchen“ und „Gendergaga“ im „Google-Korpus“ ermittelt – zahlenmäßig kein allzu großer Unterschied zwischen der Medienpräsenz der Befürworter und Gegner. Und insgesamt überraschend wenige Treffer für beide Ausdrücke. Ist alles doch nur eine Diskussion in den Elfenbeintürmen der Universitäten? Von einem „allgemeinen Sprachgebrauch“ kann jedenfalls keine Rede sein. Zum Vergleich: „Framing“ auf .de-Websites 9,8 Millionen, „nice“ 111 Millionen.

Das Wort stellt eine klare Bereicherung des deutschen Wortschatzes dar, denn ob man den eingeschobenen Asterisk und die Absichten dahinter gutheißt oder nicht, darüber reden muss die Sprachgemeinschaft – und das Wort Gendersternchen stellt einen gut verständlichen Ausdruck dafür bereit.

Die Jury würdigt mit der Wahl außerdem ausdrücklich die Rolle des Wortstamms Gender und speziell des daraus abgeleiteten Verbs gendern, dessen Häufigkeit in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Der Wortstamm Gender bezeichnet eine Perspektive auf Geschlecht als kulturell hergestellter und damit veränderbarer Kategorie und ergänzt so das Wort Geschlecht, das eher eine biologische Perspektive einnimmt.

Das Verb gendern findet sich seit der Jahrtausendwende im Sprachgebrauch und löst in der fachsprachlichen Bedeutung „die Gleichstellung von Mann und Frau verwirklichen“ das vorher geläufige Gender-Mainstreaming ab. Gegendert werden können in diesem Sinne Texte, aber auch Institutionen oder Gesellschaftsbereiche. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet es dagegen „in einem Text typische Formen der geschlechtergerechten Sprache verwenden“. Beide Bedeutungen sind im Deutschen entstanden – das gendern von Institutionen wird im Englischen als to mainstream gender bezeichnet, das von Texten als to make gender inclusive.

(2) Framing

Das Wort Framing bezeichnet die Darstellung eines Themas aus einer bestimmten Perspektive mittels sprachlicher Bilder, mit dem Ziel, bestimmte politische Positionen zu diesem Thema überzeugend zu vermitteln. Ein verbreitetes Framing von Steuern besteht beispielsweise darin, sie sprachlich als Bürde darzustellen (Steuerlast, Steuererleichterungen) – genauso gut könnte man sie als Investition in die Zukunft des Landes oder als Beitrag zu einer Solidargemeinschaft darstellen. Das Framing als Last eignet sich zur Rechtfertigung von Steuersenkungen, das Framing als Investition in die Zukunft eher zur Rechtfertigung von Steuererhöhungen.

Die Häufigkeit des Wortes nimmt schon seit 2016 zu, 2018 hat es sich von knapp zwei auf fast vier Vorkommen pro zehn Millionen Wörter verdoppelt. Die Ausbreitung dieses kommunikationswissenschaftlichen Fachbegriffs in den allgemeinen Sprachgebrauch zeigt, dass politische Kommunikationsprozesse heute unter einer verstärkten öffentlichen Beobachtung stehen – wie auch der Begriff Fake News, der 2016 Anglizismus des Jahres war. Formal reiht es sich systematisch in in eine große Anzahl von entlehnten Vorgangsbezeichnungen mit der Nachsilbe -ing ein.

(3) nice

Das Wort nice ist ein ursprünglich eher jugendsprachliches Synonym für „gut“ oder „toll“, das sich seit einigen Jahren im Sprachgebrauch auch junger Erwachsener findet. Die Jury sah schon im letzten Jahr Anzeichen für eine Ausbreitung in den allgemeinen Sprachgebrauch und setzte es auf den dritten Platz. Diese Anzeichen gibt es nach wie vor, aber eine Ausweitung in die geschriebene Sprache hat nicht stattgefunden.

Da sich Wörter wie nice oft jahrzehntelang in der gesprochenen Sprache halten können, ohne schriftsprachliche Spuren zu hinterlassen – man betrachte nur den entfernten Vorfahren cool – hat nice keine guten Aussichten, in absehbarer Zeit ganz oben auf dem Siegertreppchen dieser Wörterwahl zu stehen. Die Jury verleiht nice daher einen Sonderpreis für den interessantesten Anglizismus in der gesprochenen Sprache.

Über den Wettbewerb

Sprachgemeinschaften haben überall und zu jeder Zeit Wörter aus anderen Sprachen entlehnt. Als globale Verkehrssprache spielt dabei derzeit das Englische für alle großen Sprachen eine wichtige Rolle als Gebersprache. Die unabhängige Initiative „Anglizismus des Jahres“ würdigt seit 2010 jährlich den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes. Bisherige Anglizismen des Jahres waren leaken (2010), Shitstorm (2011), Crowdfunding (2012), die Nachsilbe -gate (2013), Blackfacing (2014), Refugees Welcome (2015), Fake News (2016), und Influencer (2017).

Über die Jury

Gründer der Initiative „Anglizismus des Jahres“ und Vorsitzender der Jury ist Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Unterstützt wird er seit 2010 von der Anglistin Dr. Susanne Flach (Université de Neuchâtel) und der Germanistin Dr. Kristin Kopf (Universität Münster/IDS Mannheim).

Seit 2016 wird die Wörterwahl lexikografisch begleitet durch PD Dr. Alexander Geyken und Dr. Lothar Lemnitzer von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die beide im Anfang des Jahres von vier Akademien in Berlin, Göttingen, Leipzig und Mainz gegründeten Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache (ZDL) tätig sind.

Vervollständigt wird die Jury seit dem letzten Jahr durch Dr. Marc Kupietz, der den Bereich Korpuslinguistik am Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim leitet und aus den Textsammlungen des IDS zuverlässige Häufigkeitsdaten zu den Wortkandidaten bereitstellt.

[Text: Initiative „Anglizismus des Jahres“. Quelle: Pressemitteilung, 2019-01-29.]